„Aber Mama schau mal. Da ist die Frau aus dem Fernseher!"

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Als Paul und ich am nächsten Morgen in die Küche kamen, schienen meine Eltern noch zu schlafen, denn die Kaffeemaschine war noch aus. „Scheint als wären wir die ersten.", lachte Paul und startete die Kaffeemaschine. „Dann kann ich mich um das essen kümmern.", jubelte ich und öffnete bereits den Kühlschrank um die Sachen rauszuholen. „Dann lauf ich zum Bäcker. Es gibt kein Brot mehr.", erklärte mein Freund nach einem kurzen Blick in den Brotkorb. „Musst du nicht. Ich kann auch schnell Brötchen backen.", schlug ich vor und biss mir verlegen auf die Unterlippe. „Du kannst Brötchen backen?", harkte Paul nach und schlug sich dann mit der flachen Hand gegen die Stirn. „Na klar kannst du das. Du kannst ja auch ein drei Gänge Menü zauber.", beantwortete er sich seine Frage selber und half mir dann dabei alles für Martin und Marie her zu richten.

„Wieso riecht es hier nach frischen Brötchen?", hörte ich meine Stiefmutter, als ich gerade die gekochten Eier auf den Küchentisch stellte. „Was siehst du mich an? Bis gerade dachte ich du hättest die gemacht.", entfuhr es meinem Vater und ich sah nervös auf dem Küchentisch da ich auf einmal das Gefühl hatte was wichtiges vergessen zu haben. „Es ist perfekt. Beruhig dich.", versicherte mir Paul, als Marie und Martin in die Küche kamen. „Paul hat recht Mila. Es sieht super aus.", stimmte ihm meine Stiefmutter zu als sie auf den liebevoll gedeckten Küchentisch sah. „Wart ihr beim Bäcker?", erkundigte sich Martin als er die Brötchen in der Mitte des Tisches sah. „Die hat Mila gebacken.", erklärte Paul stolz und ich lief rot an. „Im Ernst? Die sehen aus wie vom Bäcker.", entfuhr es meinem Vater und nahm sich direkt ein Brötchen. „Willst du nicht warten bis wir alle sitzen?", tadelte Marie ihren Mann der mit den Augen rollte und das Brötchen auf einen Teller legte. „Dann würde ich euch bitte euch schnell hinzusetzten. Denn ich hab Mordshunger.", befahl Martin und wir kamen lachend seiner Bitte nach.
Obwohl alles total lecker roch, schaffte ich es nur eine Brötchenhälfte zu essen. „Denk dran Mila. Kleine Schritte.", flüsterte mir meine Stiefmutter zu, als Martin und Paul sich gerade über einen Fall unterhielten. „Aber das ist gar kein Schritt.", antwortete ich traurig, aber immer wenn ich nur dran dachte mehr zu essen wurde mir übel. „Du hast was gegessen. Das ist wichtig. Gestern um die Uhrzeit hättest du nur einen Kaffee getrunken.", stellte Marie klar und hielt mir den Teller mit den Gurkenscheiben hin.

Nach dem gemeinsamen Frühstück, bei dem ich es schaffte neben der Brötchenhälfte auch noch ein Ei und eine Menge Gurken zu essen, gingen wir eine Runde spazieren. „Klingt es seltsam, wenn es ich sage das es komisch ist hier rumzulaufen?", murmelte Marie als wir in dem Park ankamen in dem ich angeschossen wurde. „Vielleicht ist es eine Art Therapie. Ich meine es sind doch alle weg, oder? Olga in Haft, Hubert in Kasachstan und Franziska im Ausland.", versuchte ich meiner Stiefmutter Mut zu machen. „Mila hat Recht. Wir haben nichts mehr zu befürchten.", pflichtete mir mein Vater bei, aber auch er sah sich ständig um und zuckte, wie Paul, bei jedem Geräusch zusammen und stellte sich gefühlt vor Marie und mich.

Wir schafften es bis zum Ende des Parks und wollten uns auf den Rückweg machen, als wir ein kleines Mädchen entdeckten dass seiner Mama, die auf ihrem Handy herumtippte, heftig an der Jacke zog. „Mama!", rief sie dabei immer wieder und ließ uns keine Sekunde aus den Augen. „Nicht jetzt, Annabell. Mama ist beschäftigt.", fuhr die Mutter ihr Kind an und schlug die kleine Hand weg. „Aber Mama schau mal. Da ist die Frau aus dem Fernseher!", jubelte das Kind und wies mit ihrem Finger auf mich. „Das bildest du dir doch ein.", brummte die Mutter und ich sah ängstlich zu Paul. „Doch. Da ist die Frau über die du und Papa gesprochen habt. Die Lügnerin und Mörderin.", wiederholte die kleine Annabell und nun beäugten mich auch die anderen Passanten neugierig.
„Wir haben wohl ein paar Berichte über Mila verpasst.", fluchte mein Vater und schob sich vor Marie und mich. „Scheint so.", brummte Paul und stellte sich hinter uns. „Das ist die Tochter von Maurer.", raunte ein Mann seinem Kumpel zu und zückte sein Handy. Als er es in meine Richtung hielt gab Paul Marie und mir einen kleinen Schubs, wohl damit wir schneller gingen. Auch Martin legte einen Zahn zu, achtete aber darauf Marie und mich so gut es ging zu verdecken. „Frau Fuchs!", brüllte uns jemand her aber als ich nachsehen wollte wer das war, zischte Marie „Bleib nicht stehen und schau Martin auf den Rücken.".
Entgegen meiner Annahme führte uns mein Vater nicht nach Hause sondern über ein paar Umwege in eine alte Kneipe. „Was machen wir hier?", auch Marie war über die Entscheidung ihres Mannes überrascht, ließ sich aber von ihm in den hinteren Teil der Kneipe führen. „Wenn wir jetzt nach Hause gegangen wären, dann wüssten die wo wir wohnen und würden uns da auflauern.", erklärte uns Paul als er auch mich zu der hinterste Sitzbank geschoben hatte. Ich war unfähig was zu sagen, daher klammerte ich mich an den Kettenanhänger den mir meine Eltern vor einer guten Woche geschenkt hatten.
„Chris schickt gleich einen Streifenwagen hier vorbei und zu checken ob jemand uns gefolgt ist.", informierte uns mein Vater und setzte sich neben Marie die sofort an ihn rutschte. „Ich hab online mal nach Mila gesucht und eine Menge gefunden. Sämtliche Klatschblätter haben zu mindestens schon mal einen kleinen Artikel über sie veröffentlicht. Abgesehen von dem einen Beitrag den wir gesehen haben, hat noch ein weiterer Sender einen veröffentlicht. Ich hab ihn noch nicht gesehen, aber der Titel lautet 'Mila Fuchs: Mörderin oder Opfer. Wir haben alle Fakten'.", fügte Paul hinzu und legte sein Handy auf dem Kneipentisch ab.
„Woher haben die die Fakten?", wand sich Marie an meinen Vater, der direkt seinen Kopf schüttelte. „Wir haben definitiv nichts gesagt. Glaub mir wenn wir das hätten würde Mila als Heldin gefeiert werden.", verteidigte sich der Hauptkommissar und mein Freund nickte zustimmend.

„Entschuldigung dass ich erst so spät komme, ich hab Sie hier hinten nicht gesehen. Was darf ich Ihnen bringen?", ein übergewichtiger Mann tauchte vor uns auf und ich wich erschrocken an die Wand hinter mir zurück. „Vier Wasser bitte.", bestellte Martin und stutzte als ich mich räusperte. „Kann ich vielleicht eine Cola haben?", nuschelte ich leise und lächelte verlegen als mein Vater direkt nickte. „Ich nehme auch eine.", gestand Marie als Martin sie fragend ansah. „Ich nehm eine Fanta.", brummte Paul und setzte sich neben mich hin. „Alles klar. Also keine vier Wasser sondern zwei mal Cola, eine Fanta und eine Sprite.", korrigierte mein Vater die Bestellung und der Mann ging wieder hinter die Bar.
Stumm beobachteten wir ihn wie er erst in zwei Gläser Cola goß und dann nach weiteren zwei Gläsern griff. Unterbrochen wurde die Stille vom Vibrieren von Pauls Handy. „Hey Andre.", meldete er sich und legte mir seine freie Hand auf den Oberschenkel. „Danke, wir sitzen im hinteren Teil und warten bis einer kommt.", brummte der Oberkommissar und legte auf. „Vor der Bar stehen noch welche?", mutmaßte mein Vater und wollte gerade etwas weiteres sagen, als der Mann wieder zu uns kam und die Gläser vor uns abstellte.

„Draußen steht die Presse und will nicht eher gehen bevor sie ein Interview von Mila hat. Sie kommen nur deswegen nicht rein, da Chris mit dem Wirt gesprochen hat und er gesagt hat dass er die Leute nicht in seiner Bar haben will.", setzte uns Paul in Kenntnis und nippte an seiner Limo. „Warum gebe ich dann keines?", wand ich ein und strich über die Tropfen auf dem Glas vor mir. „Weil sie dir jedes deiner Worte in deinem Mund umdrehen werden, damit es sich so anhört wie sie wollen.", erklärte Marie und ich nickte. „Aber das ist doch auch nicht Sinn der Sache dass ich mich verstecke, oder?", harkte ich nach und sah zu meinem Vater.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt