„Was macht das mit dir Mila?"

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„Ich soll dabei sein?", überrascht sah Paul Robert an als dieser ihn am Nachmittag bat bei dem Gespräch dabei zu sein. „Ich wollte heute mit den dreien über die Schüsse reden. Vielleicht wäre es gut wenn Sie dabei wären, Paul.", erklärte der Therapeuten und wies auf den freien Platz neben mir. Marie und Martin saßen auf jeweils einem Sessel und er selber hatte sich einen Stuhl vom Esstisch genommen. „Aber ich hab damit abgeschlossen.", wand mein Freund ein und fuhr sich unsicher durch die Haare. „Für mich.", bat ich und lächelte leicht als Paul klein beigab und sich neben mich auf das Sofa fallen ließ. „Mila hat es mir ja schon grob erzählt. Wo waren Sie alle denn zum Zeitpunkt der Schüsse?", wollte Robert zu erst wissen und sah gespannt in die Runde. Da die anderen Still blieben erzählte ich dem Therapeuten von der Flucht zu Hannah, dem Streit mit Marie und dem darauffolgenden Spaziergang. „Wir waren gerade los gelaufen da hatte ich ein ungutes Gefühl als würde mich jemand beobachten. Dann leuchtete etwas auf und ich hab nur noch gehandelt.", berichtete ich und knibbelte an meiner Nagelhaut herum.
„Wie hast du denn gehandelt?", harkte Robert nach und ich wollte gerade antworten aber Marie fiel mir ins Wort: „Sie hat sich für mich vor eine Kugel geworfen.". „Aber du wurdest doch zweimal angeschossen.", der Therapeuten sah mich mit einer hochgezogenen Augenbraue an. „Ich bin mit Mama zu Boden und als ich sicher war dass sie unverletzt ist, hab ich mich zu Paul gedreht und schon wieder blitzte was auf.", antwortete ich und verzog das Gesicht als ich am Daumen anfing zu bluten, da ich zu sehr geknibbelt hatte. „Und dann hat sie sich zwischen mich und die Kugel geworfen.", brummte Paul und hielt mir ein Taschentuch hin.
Einige Minuten lang war es ruhig im Wohnzimmer bis Robert sich an Martin wand: „Wie haben Sie die Sache denn erlebt, Herr Fuchs?". „Ganz ehrlich?", mein Vater beugte sich vor und stützte seine Ellenbogen auf seinen Knie ab, „Ich hab mich im ersten Moment total gefreut als ich gemerkt habe, dass Marie unverletzt ist. Ich hätte es nicht ertragen können wenn ihr was passiert wäre. Erst im zweiten Atemzug hab ich realisierte was das bedeuten musste. Und zwar das meine Tochter angeschossen wurde. Bevor ich aber reagieren konnte, hat sie sich vor Paul geworfen und der Polizist in mir hat das Ruder übernommen und ich bin dem Schützen hinterher. Leider ist mir der Schütze entwischt und als ich wieder zum Tatort bin hab ich...", am Anfang hatte Martin die ganze Sachen noch nüchtern erzählt, nun war seine Stimme aber brüchig. „Ich hab sie in Pauls Armen gesehen und mich geschämt.", stieß er aus und ich sah ihn überrascht an. „Ging mir ehrlich gesagt nicht anders.", stimmte Paul ihm zu und mein Blick schoss zu ihm. „Was macht das mit dir Mila?", wollte Robert von mir wissen und nun blickte ich ihn an. „Ich frag mich wieso die beiden sich schämen sollten.", entfuhr es mir und der Therapeut nickte. „Herr Fuchs? Paul?", gab der Therapeut das Wort an die beiden Beamten weiter.
„Weil ich euch hätte beschützen müssen. Ich bin Familienvater. Hauptkommissar. Und trotzdem musste meine Tochter meine Frau retten.", murmelte Martin und atmete tief durch. „Ich hätte nicht zulassen dürfen dass es den ersten Treffer gab. Nicht zu sprechen von dem zweiten. In meinem Job beschütze ich, wie Martin, täglich die Menschen auf Kölns Straßen. Und dann wird meine eigene Freundin angeschossen. Zweimal. Vor meinen Augen. Und vor allem hätte die zweite Kugel mich treffen sollen.", gestand Paul und starrte auf einen Punkt vor sich. „Ich mache mir Vorwürfe dass ich dich ein paar Stunden zuvor so angebrüllt hatte und du dich trotzdem für mich fast geopfert hast.", Maries Stimme klang brüchig und als sie mich ansah, sah ich die Tränen in ihren Augen.
„Aber ihr habt mich doch nicht gezwungen euch bei Seite zu schubsen und ich wollte mir ja auch nicht bewusst die Kugeln einfangen. Es ist einfach passiert. Und ich hab einfach gehandelt. Wusste dass ich euch beschützen musste da ich euch liebe. Und das es im Grunde mein Kampf ist.", versuchte ich den dreien die Schuldgefühle zu nehmen und fuhr fort bevor Martin was sagen konnte. „Ich weiß dass ihr an meiner Seite seid. Dass ihr der Meinung seid dass es nun auch euer Kampf ist, aber ich hab die beiden angezeigt. Ich. Nicht ihr.", stellte ich klar und knüllte das Taschentuch in meiner Hand zusammen.
„Aber wie du sagst, wir sind an deiner Seite. Auch wenn ich nicht deine leibliche Mutter bin, bist du für mich wie meine eigene Tochter. Als eben solche werde ich dich immer lieben und beschützen. Und ich werde immer an deiner Seite sein, egal wobei. Ob es beim Familienspieleabend ist bei dem wir die beiden hier vernichtend schlagen, ob es im Gerichtsaal ist um mit dir gegen die Geister der Vergangenheit zu kämpfen oder in ein paar Jahren beim Brautkleid shoppen.", Marie sah mir in die Augen und ihr liefen die Tränen die Wange hinab. Genauso wie mir als ich aufsprang, sie vom Sessel zog direkt in meine Arme. „Ich hoffe ich hab in Sachen Hochzeit auch noch ein Wort mitzureden.", forderte mein Vater und ich hörte das Lächeln in seiner Stimme. „Aber nur weil ich der Bräutigam sein werde.", fügte Paul hinzu und wir vier fingen gleichzeitig an zu lachen.
Als wir uns wieder beruhig hatten und jeder wieder auf seinen Platz saß sah uns Robert an.
„Ich freu mich dass sie lachen können. Wirklich. Aber wir sollten noch mal auf die Schuldgefühle von ihnen zurück kommen Herr Fuchs. Auf Ihre ebenfalls Paul.", lenkte der Therapeut das Gespräch wieder auf das eigentliche Thema.
„Ich hatte mir geschworen dass ich es nie wieder zulassen werde, dass jemand ihr weh tut. Nur hab ich auch dabei versagt und sie wurde entführt.", Martin warf einen raschen Blick auf meinen Gipsarm und sah dann wieder zu Robert. „Aber du kannst da nichts für. Du wurdest angeschossen wegen mir. Ich hab gedacht du bist... Er hat gesagt das er dich umgebracht hat.", berichtete ich dem Hauptkommissar und hatte wieder die Bilder vor Augen als er leblos vor mir auf dem Hotelzimmerboden lag. „Was meine Pflicht als Vater ist und war. Außerdem war ich nicht tot. Nur verletzt.", widersprach er und ich schüttelte meinen Kopf um die Bilder loszuwerden. „Und es war meine Pflicht als Tochter euch zu beschützen.", ich lächelte meinen Vater traurig an und sah es richtig in seinem Kopf arbeiten. „Ganz ehrlich? Ich weiß wieso du es getan hast. Und weiß auch dass ich deiner Meinung nach keine Schuldgefühle haben sollte. Aber ich glaube nicht dass die durch ein einfaches Gespräch verschwinden. Es sind ja nicht nur die zwei Schüsse. Die Gefühle betreffen ja auch die Zeit bevor ich dich kannte. Die neuste Entführung.", gestand Martin und fuhr sich durch die Haare. „Das kann ich verstehen. Ich verlange auch nicht dass die von heute auf morgen weg sind. Aber ich schwöre dir, dich trifft keine Schuld. Nur Hubert. Nur Olga. Nur Franziska. Und deren Handlanger. Aber definitiv niemanden von uns. Weder du, noch Paul, Marie oder auch ich haben Schuld an meinen Misshandlungen, den Schüssen, meiner Entführung oder was danach passiert ist. Auch nicht an dem was vielleicht noch passieren wird. ", stellte ich klar und hatte das Gefühl als hätte ich mir gerade selber eine Standpauke gehalten.
Scheinbar war auch Robert der Meinung, denn er lächelte mich breit an und nickte.

Unter dem Radar: Die Frau mit den Eisblauen AugenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt