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Als ich meine Augen aufschlug brauchte ich einige Sekunden um zu realisieren wo ich war. Ich lag in meinem Bett, eingekuschelt in meine Decke. Verschlafen stand ich auf und streckte mich. Ich warf einen kurzen Blick auf meinen Wecker. Es war zehn Uhr morgens. Ich gähnte und erstarrte plötzlich.Schlagartig kamen die Erinnerungen an die Party zurück. Panisch blickte ich an mir runter. Ich trug ein sauberes schwarzes T-Shirt und Boxershorts. Keine Spur von einem zerfetzten Hemd. Dann fiel mein Blick auf meinen linken Unterarm. Eine dünne, etwa zehn Zentimeter lange Narbe zog sich vom Handgelenk in Richtung Ellenbogen . Panisch stürzte ich ins Badezimmer und riss mir mein T-Shirt vom Kopf. Schlitternd kam ich vor dem Spiegel zum stehen. Drei silbrige Narben zogen sich quer über meine Brust. Schwer atmend packte ich den Rand des Waschbeckens und versuchte meine Gedanken zu ordnen. Werwölfe waren also real. Aber wer hatte ihn getötet? Und wieso hatte ich überlebt? Und am wichtigsten: Würde ich nun auch einer werden? Während meine Gedanken noch rasten, hörte ich aus der Küche die Stimme meiner Mutter:"Nathaniel! Bist Du wach? Mittagessen steht in der Mikrowelle, ich muss los. Bis heute Abend!" Kurz darauf hörte ich, wie sie die Tür auf und wieder zu machte. Ich warf einen letzten Blick in den Spiegel, betrachtete meine tiefblauen Augen und mein mittellanges, tiefschwarzes Haar, das mir etwas in die Augen hing und im krassen Kontrast zu meiner blassen Haut stand. Unwillkürlich fasste ich mir an die Brust. Die Narben waren echt, ohne Zweifel. Langsam zog ich mir mein T-Shirt wieder an und ging die Treppe runter. Ich trank eilig einen Kaffee, dann ging ich wieder auf mein Zimmer und schaltete meinen Laptop ein. Während er hochfuhr schnappte ich mir mein Handy. Ich checkte kurz meine Nachrichten, dann wählte ich Leonies Nummer. Nach dem zehnten Klingeln ging sie ran. "Nath, was zur Hölle willst Du so früh?", fragte sie verschlafen. "Ich habe nur eine kurze Frage.", antwortete ich bemüht locker. "Wann hast Du mich gestern das letzte Mal gesehen?" "Ach, da hat wohl jemand einen Filmriss?", fragte sie lachend. "Filmriss. So kann man's auch nennen." "Also um kurz vor zwölf haben wir noch ein paar kurze getrunken, danach warst Du weg." Nervös fragte ich:"Und hast Du etwas..... merkwürdiges bemerkt?" Während ich auf Leonies Antwort wartete öffnete ich den Browser. "Etwas merkwürdiges? Wie meinst Du das?" "Ach, nicht so wichtig. Ich melde mich nachher nochmal" Ich legte auf und googelte 'Werwolf'. Viele Stunden später klappte ich genervt den Laptop zu. Anders als in Filmen war ich nicht auf Schlüsselwörter gestoßen, die mich zu der Antwort führen würden. Stattdessen haufenweise Mythen, Legenden und pseudowissenschaftliche Texte. Ich ging hinunter in die Küche und öffnete die Mikrowelle. Darin stand eine große Schüssel Lasange. Während ich das Essen aufgewärmte sah ich gedankenverloren aus dem Fenster. Es war bereits Nachmittag. Ich schob meine Gedanken an Werwölfe beiseite und konzentrierte mich auf das Essen. Dann ging ich wieder auf mein Zimmer. Mit geschlossenen Augen lag ich auf meinem Bett, während Musik aus meinen Kopfhörern dröhnte. Werwölfe. Das ganze war doch Wahnsinn. Wie war so etwas möglich? Während ich so meinen Gedanken nachhing, hörte ich wie die Haustür geöffnet wurde. Obwohl hören der falsche Ausdruck war. Ich spürte es eher. Ich sprang aus dem Bett und ging nach unten. Ich hatte wohl mehrere Stunden lang einfach nur dagelegen und nachgedacht. Meine Mutter schloss gerade die Tür, eine Einkaufstüte unterm Arm. Fast wie in Zeitlupe sah ich, wie eine der Flaschen Milch, die ganz oben lagen, anfing zu rutschen. Ich stürzte vor und packte die Flasche mitten im Fall. "Hey, beeindruckende Reflexe.", sagte meine Mutter lachend. Verwirrt betrachtete ich die Flasche in meiner Hand. "Scheint so.", antwortete ich verwirrt. Ich stellte die Flasche in der Küche ab und fragte:"Mum, weist Du wann ich gestern nach Hause gekommen bin?" Sie strich sich die braunen Haare aus dem Gesicht und antwortete:"Nein, wieso? Hast Du zuviel getrunken?" "Nein, nein, nur mein Akku war leer.", sagte ich hastig. Meine Mutter ging zum Kühlschrank und betrachtete mein Zeugnis.Fast ausschließlich einser, lediglich eine zwei in Chemie. "Ich bin stolz auf dich", sagte sie und sah mir in die Augen. Peinlich berührt strich ich mir die Haare aus dem Gesicht. "Du siehst deinem Vater sehr ähnlich." Ihr Mund verzog sich zu einem traurigen Lächeln. Mein Vater. Ich hatte ich nie kennen gelernt, laut meiner Mutter war er der Leiter einer großen Firma. Mehr hatte sie mir nie erzählen wollen. Ich umarmte meine Mutter kurz und sagte:"Hey, ich bin noch ziemlich fertig, also geh ich heute mal früher ins Bett." Ohne ihre Antwort abzuwarten eilte ich die Treppe hoch und schloss die Tür hinter mir. Ich ließ mich ins Bett fallen und schloss meine Augen. Merkwürdigerweise war ich todmüde, als wäre ich einen Marathon gelaufen. Morgen würde ich in die Bibliothek gehen, vielleicht hatten sie ja dort irgendwelche Bücher über Lykantropie. Mit diesem Gedanken schlief ich ein. Den Raben auf meinem Fensterbrett bemerkte ich nur am Rande.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt