Rogue Hero

#90

Die Explosion warf mich fast zehn Meter nach hinten und auch Leonie wurde von den Füßen gefegt. Plötzlich standen Balthasar und Horus neben ihr, irgendwie hatten sie die Ketten abgeworfen. Oder war ich einfach zu abgelenkt gewesen? Ich stand auf, mein ganzer Körper pulsierte vor Macht. Kleine Böen drückten das Gras um mich herum platt, als ich auf die drei zuging. Dann fiel mein Blick auf den Speer. Die einst tiefgoldene Klinge war nun eine Spur heller und schien ein wenig länger geworden zu sein. Am Schaft waren silbrige, leicht glühende Verzierungen zu erkennen. "Unglaublich.", sagte Aurus. "Du schaffst es immer wieder mich zu überraschen." Ich richtete die Spitze des Speers auf Balthasar und eine Kugel aus komprimierter Luft schoss auf ihn zu und riss ihn von den Füßen. Horus hob die Hand und feuerte ein Feuerball nach mir. Ein Lachen drang aus meiner Kehle, als ich die Hand hob und meine Siegel ihn mühelos abwehrten. Flammen züngelten erst über den Speer, dann über meinen ganzen Körper. Leonie sprang auf und rannte auf mich zu, wurde aber von einer abrupten Böe umgeworfen und zu Boden gedrückt. Langsam hob ich meinen Speer um Horus und Balthasar in Flammen zu baden. "Was hat er getan?", krächzte Horus. Dann erklang eine fremde, weibliche Stimme. "Er hat das Unmögliche getan." Sie klang grausam und gleichzeitig verführerisch, weich und hart. Und zeugte von ungeheurer Macht und uraltem Wissen. Als sie die Stimme hörten knieten Horus und Balthasar nieder, auch wenn mein Halbbruder nur widerwillig sein Knie zu beugen schien. Ich sah mich nach der Besitzerin der Stimme um, aber vergeblich. Das einzige was ich wahrnahm, war eine mächtige Aura und ein unbestimmtes Gefühl, als sollte ich wegrennen und mich unter einem Stein verstecken. Sie musste um einiges mächtiger sein als Balthasar. "Du bist faszinierend.", fuhr die Stimme fort. "Ich hatte erwartet, dass der Sohn Luzifers Großes vollbringen wird. Als Balthasar mir berichtete, dass Du der goldene Flammenkaiser bist, war ich überrascht, besonders da ich die Wirtin von Fenrir in meinen Diensten habe. Aber selbst ich hätte nie damit gerechnet, dass Du es schaffst die Macht eines der Großen Drei in dir aufzunehmen, auch wenn es nur ein kleiner Teil ist." "Ich bin eben immer für eine Überraschung gut.", erwiderte ich. "Wer bist Du? Und warum zeigst Du dich nicht?" Ein Lachen erklang, bei dem es mir eiskalt den Rücken runter lief. "Du wirst meinen Namen noch früh genug erfahren, auch wenn Du dank Horus schon Bekanntschaft mit meinen Kindern gemacht hast. Und leider kann ich mich noch nicht zeigen. Aber bald, hab Geduld kleiner Nephilim." Ich wollte zu einer Antwort ansetzen, als ich das Geräusch nahender Helikopter hörte. Dunkelblauer Rauch stieg auf und umhüllte Balthasar, Horus und Leonie. "Bis bald, Halbblut.", sagte die weibliche Stimme. "Ich freue mich schon darauf dich zu töten. Aber es wäre unhöflich ohne Abschiedsgeschenk zu gehen." Die drei verschwanden und auch die Aura war nicht mehr zu spüren. Dafür wurde ich in gleißendes Scheinwerferlicht getaucht. Rasch sah ich mich um, aber meine Umgebung war so chaotisch ausgeleuchtet, dass kein Schatten tief genug war um zu verschwinden. Gerade als ich meine Flügel ausbreiten wollte erschienen drei weiße Transporthelikopter über den Baumwipfeln. Truppen von SOL, vermutlich angelockt durch diese unglaubliche Aura. Einer von ihnen drehte bei und mein Blick fiel auf die Getling. Fuck. Ich heilte zwar schnell, aber die .50 Munition würde Hackfleisch aus mir machen. Wütend ließ ich meinen Speer wirbeln, und formte eine Klinge aus Luft, dann richtete ich die Waffe auf den Heli. Mein Angriff traf den Rotor, trudelnd stürzte die Maschine ab und zerschellte am Boden, aber wie durch ein Wunder gab es keine Explosion. In diesem Moment trat ein Dutzend Jäger zwischen den Bäumen hervor, die Waffen auf mich gerichtet. Mündungsfeuer erhellte die Nacht, blitzschnell riss ich meinen Speer hoch und eine plötzliche Windböe fegte die Kugeln beiseite. "Das war ein Fehler.", knurrte ich. Die ersten drei fielen, noch bevor sie wussten wie ihnen geschah. Dann war ich zwischen ihnen, mein Speer wirbelte umher, trennte Gliedmaßen ab und beendete ein Leben nach dem anderen. Heißes Blut spritze mir ins Gesicht, während ich aufhörte nachzudenken und meine Instinkte die Kontrolle übernahmen. Ein Windstoß schleuderte einen der Jäger gegen einen Baum, und kurz darauf wurde ein Anderer von einem Flammenstrahl geröstet. Schwer atmend kam ich zum Stehen, der von Blut getränkte Boden gab ein widerlich schmatzendes Geräusch von sich, als ich mich umdrehte. Es kam mir vor als hätte ich viele Stunden lang gekämpft, in Wirklichkeit konnte nicht mehr als eine Minute verstrichen sein, die Helis waren gerade dabei zu landen. Ich wirbelte herum. Wenn ich aus dem Scheinwerferlicht kommen könnte, wären die Schatten dunkel genug zum fliehen. Doch bevor ich mich in Bewegung setzen konnte fiel mein Blick auf einen Jäger, der siegessicher grinsend aus dem Heli stieg, ein klobiges Gewehr in Händen. "Wartet noch. Gleich sollte die Wirkung einsetzen, dann nehmen wir ihn mit." Ich sah ihn noch einen Moment lang an, dann erst spürte ich den leichten Schmerz am Hals. Ich tastete herum, bis ich einen kleinen Gegenstand zu fassen bekam. Fluchend betrachtete den kleinen Pfeil, dann sah ich den Mann am Heli wieder an. "Dafür reiße ich dir den Ar....", sagte ich noch, bevor das Betäubungsmittel wirkte und sich der Boden rasend schnell meinem Gesicht näherte.