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Lächelnd lehnte ich mich zurück, während der Croupier mir mit bemüht freundlichem Gesichtsausdruck die Jetons rüberschob. "10.000$", sagte er. "Sie scheinen das Glück gepachtet zu haben." So konnte man das auch nennen. Den größten Teil des Tages war ich durch Vegas gestreift, hatte mich umgesehen, in Erwartung irgendwo wenigstens die Anzeichen eines Dämonen zu spüren, immerhin war ich in der Stadt der Sünde. Aber ich hatte nichts gefunden. Seit einigen Stunden war ich nun in dem Casino, dass mich schon vorhin so angezogen hatte, spielte gelegentlich, trank ein wenig oder rauchte. Dann hatte ich angefangen zu pokern. Anfangs hatte ich noch meine Engelssinne benutzt um zu erfahren wer bluffte, aber inzwischen verließ ich mich einzig und allein auf mein Talent. Immerhin konnte keiner der Männer am Tisch ein ähnliches Geschick für Karten aufweisen wie Jack. Also keine Herausforderung für mich. Mein Blick wanderte zu dem Rucksack zu meinen Füßen, insgesamt hatte ich knapp 65.000$ gewonnen. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie einige bullige Männer in Anzügen mich abschätzend musterten. Würde ich weiterspielen, hätte ich bald ein kleines Problem. Immer noch lächelnd stand ich auf und sackte meinen Gewinn ein. "Ich bin raus.", sagte ich und stand auf. "Man sollte sein Glück nicht überstrapazieren." Rasch ließ ich mir meinen restlichen Gewinn auszahlen. Ich zündete mir eine Zigarette an und ging in Richtung Ausgang, als ich ein Kribbeln im Nacken verspürte. Ohne mich umzudrehen blieb ich stehen und sah mich unauffällig um, bis mein Blick auf die polierte Oberfläche eines Automaten fiel. Aufmerksam musterte ich die Spiegelung. Etwa zwanzig Meter von mir entfert stand ein Mann in einem weißen Anzug am Roulettetisch. Er stand mit dem Rücken zu mir, sodass ich sein Gesicht nicht sehen könnte, aber er war etwas größer als ich und hatte blondes Haar. Als würde er meinen Blick spüren drehte er sich um. Sein blondes Haar war kurz geschnitten, er hatte hohe Wangenknochen und strahlend blaue Augen. Der Kerl sah aus wie der feuchte Traum eines Ariers. Langsam drehte ich mich um und sah dem Fremden in die Augen. Er runzelte die Stirn, bis sich seine Augen vor Überraschung weiteten. Ohne den Blick zu senken ging ich auf ihn zu, ich dachte nicht mal daran die Waffe in meinem Schulterholster zu benutzen, es hätte eh nichts gebracht. Schließlich stand ich vor ihm und spürte seine Aura, die meinen Verdacht bestätigte. "Was sucht jemand wie du in einem Casino?", fragte ich. "Das selbe könnte ich dich fragen.", erwiderte der arische Traum. "Ihr Wirte seid mehr dafür bekannt Unschuldige zu töten und Zivilisationen zu zestören, als dem Glücksspiel nachzugehen." Wirt? Erkannte er mich nicht als Nephilim? "Keine Ursache, Partner.", erklang Aurus Stimme. "Du solltest nicht schon wieder gegen einen Engel kämpfen, deshalb habe habe ich meine Präsenz verstärkt. Aber das hält nur, solange du nicht kämpfst." Der alte Gott dachte also mit. Ich lachte. "Du weißt also was ich bin, aber das beantwortet meine Frage nicht: Warum spielt ein Engel Roulette?", fragte ich. Ruhig, ja fast schon gelangweilt, antwortete der Engel: "Hast du eine Ahnung wie langweilig die Menschen nach ein paar Jahrtausenden geworden sind? Wie eintönig es werden kann, euch nur beim gegenseitigen Abschlachten zuzusehen? Wie ernüchternd es ist keine Gegner zu finden, die mir auch nur ansatzweise gewachsen sind? Roulette ist einfach, schwarz oder rot. Es ist wie im Leben, schwarz oder weiß. Die Menschen glauben etwas anderes, aber was soll man von unbehaarten Affen schon erwarten." Ich schüttelte den Kopf und drehte mich um. "Ich verstehe euch Engel nicht. Schwarz oder weiß. Gut oder böse. Etwas anderes akzeptiert ihr nicht. Immer seid ihr versessen auf den Kampf, als wäre das Töten euer Lebensinhalt. Selbst die Frauen unter euch sind so. Oder zumindest ist Alessia so." Plötzlich blieb die Zeit stehen. Die Menschen um uns herum waren wie eingefroren, der Inhalt eines Kaffeebechers hing in der Luft, während die Frau die ihn festhielt mitten im Fall gestoppt war. "Wer bist du?", fragte der Engel. "Woher kennst du Alessia? Hast du etwas mit ihrem Verschwinden zu tun?" Überrascht drehte ich mich wieder um. Die geflügelte Schlampe war verschwunden? "Ich habe sie nicht mehr gesehen, seit ich sie in Kuba auf dem Friedhof zurückgelassen habe.", sagte ich ruhig. Der Engel hob die Hand. "Ich werde die Wahrheit schon aus dir rauskitzeln." EIne Kugel aus reinem Licht schoss auf mich zu und insinktiv hüllte ich mich in meine Flügel, die das Licht einfach absorbierten. Das Gesicht des Engels verzerrte sich vor Wut. "Abschaum.", knurrte er, dann breitete er die Arme aus. Vier Paar goldene Schwingen brachen aus seinem Rücken und tauchten den Raum in warmes Licht. Und in diesem Moment erkannte ich, wer vor mir stand. Raguel, das Schwert Gottes. Langsam kam der Erzengel auf mich zu. Blasses Licht umtanzte ihn, verfestigte sich und wurde zu Brustpanzer, Beinlingen, Ringkragen und Panzerhandschuhen. Dann hob er die Hand. Die lange Klinge, die darin erschien, war rein und hell. Sie bestand aus gehärtetem heiligem Licht und fühlte sich mächtiger an als das flammende Schwert Alessias. "Seit Tausenden von Jahren jage ich deine Art.", sagte Raguel. "Glaub nicht, deinem Schicksal entrinnen zu können, kleiner Nephilim."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt