Epilog

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Mit langsamen, gleichmäßigen Schritten überquerte der Erzengel den Platz und blieb an der Stelle stehen, an der soeben noch sein Bruder, seine Schwester und der Nephilim gestanden hatten. Ihm war klar, dass Luzifer seine Schwester ins tiefste Verlies sperren und foltern würde, doch Mitleid verspürte er keines. Ariel hatte diesen Weg gewählt, als die Menschen noch ein junges Geschlecht gewesen waren, sie hatte Zauber des Herrn gestohlen und diese Macht missbraucht. Verächtlich schüttelte Raguel seinen Kopf, wandte sich um und betrachtete die Verwüstung um sich herum. Natürlich war es nun an ihm hängen geblieben, dieses Chaos wieder in Ordnung zu bringen. Der Erzengel ging hinüber zu dem blutroten Juwel, hob es auf und breitete seine goldenen Schwingen aus. Mit wenigen Flügelschlägen war er in der Luft, auch wenn es anstrengender war als üblich. Leviathan hatte ihn schwerer getroffen, als er es jemals zugegeben hätte, aber immerhin war er Raguel, das Schwert Gottes! Niemals würde er Schwäche zeigen, besonders nicht vor einem Nephilim und einem Dämonen. Wenige Sekunden später landete er elegant auf dem Golfplatz, zog das Zepter Michaels aus dem Boden und drückte den Rubin zurück in die Fassung. Dann richtete der Enzengel den Blick auf den Freizeitpark, hob das Artefakt hoch über seinen Kopf  und murmelte zwei Sätze auf henochisch. Das Zepter erstrahlte in einem gleißendem Licht und sofort begann die Magie zu wirken. Zerstörte Gebäude setzten sich wieder zusammen, das Kopfsteinpflaster glättete sich und die großen Felsbrocken zerfielen zu Staub und versickerten im Boden. Als auch der letzte Baum wieder stand und auch der letzte Stein wieder an seinem Platz war, ließ Raguel das Zepter sinken und betrachtete es nachdenklich. Was sollte er damit tun? Es behalten? Es zurück in den Himmel bringen? Das war alles so… langweilig. Raguel trommelte nachdenklich auf den Griff des Zepters, ehe ein leichtes Grinsen seine Mundwinkel nach oben zog. Er flüsterte einen weiteren, henochischen Zauber und das Zepter verschwand in einem Lichtblitz, um irgendwo auf dieser Erde wieder aufzutauchen. Mal sehen, wann irgendein Magier drüber stolpern würde, aber wenn der Erzengel etwas hatte, dann war es Zeit. Aber kaum war das Zepter verschwunden, löste sich auch die Kuppel auf und Raguel tastete nach dem Brief in der Innentasche seines Sakkos. Er hatte nur wenig Erfahrung mit menschlichen Emotionen, aber er hatte eine Schuld einzulösen. Es fiel ihm schwer es zuzugeben, aber ohne Nathaniel hätte es ziemlich übel enden können. Der Engel lenkte seine Schritte in Richtung des Parkplatzes, wo er eine große Ansammlung von Magiern, Vampiren und anderen Kreaturen spürte. Er hatte keine zehn Schritte gemacht, als die rothaarige Cambion, deren Namen er vergessen hatte, auf ihn zustürmte, dicht gefolgt von einem bärtigen Mann mit tätowierten Armen. "Wo ist er?", schrie die junge Frau und funkelte Raguel an. "Wo ist Nath?" Der Engel machte keine Anstalten auszuweichen, sondern vermied den Blickkontakt und nestelte an dem Brief in seinen Händen herum. "Der Nephilim… er hat sich geopfert, um Leviathan zu bezwingen und die Tore wieder zu verschließen. Der Dämon und der Kater halfen ihm dabei, doch stürzten sie alle in die Hölle. Es tut mir leid, aber Nathaniel ist tot." Die Cambion machte einen Schritt zurück und sah Raguel fassungslos an. "Was… Das kann nicht sein. Ich habe gesehen wie er Bauchschüsse überlebt und sich von Alessias Klinge erholt hat. Er kann nicht tot sein." Der Erzengel reichte ihr den Brief, darauf bedacht keinen Körperkontakt herzustellen und erwiderte: "Der Nephilim wusste worauf er sich einließ, da bin ich mir sicher. Er wusste, dass er aus diesem Kampf nicht zurückkehren würde und hat mich gebeten, dir diesen Brief zu geben." Mit zitternden Händen nahm die junge Frau den Brief entgegen und betrachtete den Umschlag, auf dem die Worte 'Für Feuerlöckchen' prangten. Eine einzelne, dicke Träne landete auf dem Couvert, doch die Cambion unterdrücke ihr Schluchzen gekonnt. "Raguel, ich muss dich etwas fragen.", sagte sie so ruhig sie konnte. "Als ich Nath das letzte Mal gesehen habe, flog er weit über dem See. Überall brannte schwarzes Feuer und Schatten umgaben ihn. Es war schwer überhaupt irgendwas zu fühlen, aber… Hat Nath sich der Finsternis hingegeben, um die Welt zu retten?" Raguel hatte es satt zu lügen, er hatte es satt, inmitten dieser niederen Kreaturen zu stehen. Aber er schuldete dem Nephilim sein Leben und er konnte nur zu deutlich den Schmerz der Cambion spüren. Sie war zwar eine abscheuliche Missgeburt, ein Fehler der nie hätte passieren dürfen, doch Raguel war erschöpft. Vermutlich könnte er nicht mal seine Rüstung beschwören. Außerdem war das hier eine gute Gelegenheit, um dem versammelten Abschaum die Gnade eines Erzengels zu zeigen. Zögerlich trat er vor und legte seine Hand mit großer Überwindung auf die Schulter der Cambion. "Ja, du hast recht.", antworte der Engel. "Nathaniel gab sich der Finsternis hin. Doch konnte ich unter all der Düsternis in seiner Seele einen hellen Punkt erkennen, etwas Wunderschönes, das ihm Hoffnung gab... und an das er sich klammerte bis zum letzten Augenblick.“ "Was?", frage die junge Frau und kämpfte erneut gegen ihre Tränen an. "Dich." Der bärtige Mann legte einen Arm um die Cambion und drückte sie an seine Brust. Raguel ließ sie in seiner Obhut, der Gestank der Vampire und Theriantropen verpestete langsam seine Nase, außerdem musste er sich Staub und Blut vom Körper waschen und anschließend seinen Brüdern von dieser Schlacht berichten. Der Erzengel überlegte, ob er noch etwas sagen sollte, entschied sich aber dagegen und wandte sich ab. Das würde noch eine lange Nacht werden und er brauchte dringend einen Drink und eine ruhige Runde Roulette. Raguel richtete den Blick auf den Magic Kingdom Park, der Ort, an dem sich das Schicksal der Welt entschieden hatte. So sehr er den Nephilim auch verabscheute, so hatte er doch sein Potenzial erkannt und zollte ihm ein gewisses Maß an Respekt. "Mögest du deinen Frieden finden, Nathaniel Black.", flüsterte der Erzengel, breitete seine sechs goldenen Schwingen aus und verschwand in einem gleißendem Blitz aus heiligem Licht.

", flüsterte der Erzengel, breitete seine sechs goldenen Schwingen aus und verschwand in einem gleißendem Blitz aus heiligem Licht

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