#122

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Meine Hände zitterten leicht, als ich meine Zigarette ausdrückte. Emilia und ich saßen in Jasmins Zimmer, das immer noch den Charme eines orientalischen Bordells hatte. "Also noch mal.", sagte Nero, der mit übereinander geschlagenen Vorderbeinen auf der Kommode lag. "Während dem Kampf hat Leviathan dich getötet? Beziehungsweise hätte sie dich getötet, wenn das Ankh-Kreuz deine Seele nicht an deinen Körper binden würde?" Nach meiner Entdeckung waren Emilia und ich sofort zu Jasmin gegangen. Unterwegs hatten wir Nero eingesammelt, der vor dem Fernseher gesessen hatte, umgeben von einem halben Dutzend leerer Thunfischdosen. Da Jack momentan nicht da war, waren die Hexe und der Kater die mit dem meisten arkanen Wissen. "Das ist uralte, mächtige Magie.", hauchte Jasmin. "So etwas ist meines Wissens nach noch nie geschehen." "Tod war auch nicht sonderlich erfreut." "Du hast den Tod…", stammelte Jasmin, während sich Neros Fell sträubte. "Ja.", erwiderte ich knapp. "Ich habe Tod getroffen. Und er ist ein ziemlicher Arsch. Zurück zum Thema: Wieso kann ich meine Kräfte nicht benutzen?" Jasmin ging zu ihrem Bücherregal, ließ ihren Zeigefinger über einige der Bücher gleiten und zog schließlich einen dicken, uralten Wälzer hervor. Nero sprang unterdessen von der Kommode runter und beschnupperte mich. "Das hier", sagte Jasmin. "Ist das einzige Buch, das überhaupt Informationen über die Nephilim enthält. Wenn überhaupt, dann wirst du irgendwo auf diesen Seiten eine Antwort finden. Aber es gibt ein kleines Problem." "Was für eins?", fragte Emilia. "Es ist alt-henochisch, die Schrift der Engel. Ich kenne niemanden, der das lesen kann." "Das lass mal unsere Sorge sein.", erwiderte Emilia. "Dürfte ich es mir ausleihen?", fragte ich. Die Hexe zögerte einen Moment, dann reichte sie mir den Wälzer. Erführchtig streichelte ich den ledernen Einband. Es musste unglaublich alt und kostbar sein. "Keine Sorge, du kriegst es bald zurück. Wir kennen da jemanden, der uns dabei helfen kann." Mi einem leichten Nicken verabschiedete ich mich von Jasmin und Nero, dann gingen Emilia und ich zurück in mein Zimmer. Jetzt kam der schwere Teil. "Nath, wie sollen wir ohne deine Kräfte überhaupt zu Camael kommen?"  "Es ist einen Versuch wert.", antwortete ich. "Im schlimmsten Fall müssen wir Jack bitten uns auf die Bahamas zu teleportieren, aber das würde ich gerne vermeiden. Ich vertraue Jack, aber je weniger Leute Camaels Geheimnis kennen, desto besser."  Sorgfältig wickelte ich das Buch in eins meiner T-Shirts und steckte es in einen Rucksack, dann griff ich nach Emilias Hand. "Bereit?", fragte ich. Als sie zustimmend meine Hand drückte, schloss ich meine Augen. Es war schwerer als gewohnt, die Schatten fühlten sich fast schon… fremd an. Ich verdoppelte meine Anstrengungen, stellte mir die Schatten als ein großes Ganzes vor, und konzentrierte mich auf mein Ziel. Diesmal war das Reisen mehr als unangenehm, es fühlte sich an als würden meine Innereien nach außen gekehrt und durch einen Gartenschlauch gesaugt werden. Als wir einige Meter vom 'Dragonfly' aus den Schatten stolperten,  ließ ich Emilias Hand los, fiel auf die Knie und kotzte in den Sand. Auch Emilia sah etwas bleicher aus als sonst, dennoch schien sie die Reise besser verkraftet zu haben als ich. Als ich aufstand war mir ein wenig schwindelig und ich hatte einen Bärenhunger, fast so als hätte ich tagelang nichts gegessen. "Verdammt.", knurrte ich. "Lass uns reingehen." Als wir die Bar betraten, begrüßte uns Manuel, die Werkatze auf Entzug. Sein linker Arm war dick verbunden er hatte Kratzer im Gesicht. "Was ist denn mit dir passiert?", fragte Emilia schockiert. "Das war ein Drakon.", kam die angepisste Antwort. "Keine Ahnung wie so ein Vieh auf die Bahamas gekommen ist." Gute Frage, so weit ich wusste, lebten diese Kreaturen in Griechenland. "Wir könnten euch helfen.", bot ich an. "Keine Sorge.", erklang Camaels Stimme, der mit einer Tasse Kaffee an einem der Tische saß.  Wie gewohnt trug er eine Badehose mit kleinen Kätzchen darauf, Badelatschen und ein grelles Hawaii-Hemd. "Ich habe schon jemanden auf den Drakon angesetzt." "Es gibt Jäger auf den Bahamas?", staunte Emilia. "Eigentlich nicht.", erwiderte der ehemalige Engel. "Aber ich habe eine… Schülerin." Camael warf mir einen rätselhaften Blick zu, fast schon vorwurfsvoll, aber im nächsten Moment lächelte er uns an. "Was führt euch zu mir?" Hatte ich mir diesen Blick vielleicht nur eingebildet? Bevor ich weiter darüber nachdenken konnte, ergriff Emilia das Wort. "Wir haben ein Problem. So wie es aussieht, kann Nath seine Kräfte nicht mehr einsetzen." Bei Emilias Worten zog er die Augenbrauen hoch. "Ernsthaft? Seit wann ist das so?", frage er und nahm einen Schluck Kaffee. "Vor zwei Tagen habe ich gegen Leviathan gekämpft und dabei…" Camael spuckte seinen Kaffee quer über den Tisch. "Du… du hast gegen Leviathan gekämpft? Wie bei allen sieben Chören hast du das überlebt?" Langsam zog ich den Kragen meines Shirts runter, so dass ein Teil des Ankh zum Vorschein kam. Fassungslos stellte Camael seine Tasse ab. "Kleiner, jedes Mal wenn ich denke du könntest mich nicht mehr überraschen, setzt du noch einen drauf." Ich grinste, dann zog ich das Buch aus meinem Rucksack. "Kommen wir zum Punkt. Leviathan plant einen Krieg zwischen Himmel und Hölle loszutreten, was die Apokalypse auslösen würde. Ich bin laut einer Prophezeiung der einzige der sie aufhalten kann, habe aber meine Kräfte verloren. Also, wirst du uns helfen?"

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