Rogue Hero

#40

Entgegen meiner Erwartung hatten wir auch die Grenze nach El Salvador problemlos überquert. Die dichten Wälder waren einer spärlich bewachsenen Buschlandschaft gewichen. An der Grenze hatte ich das Steuer übernommen, Emilia döste auf dem Beifahrersitz. Da man auf der Jagd viele Bestien verfolgen musste, hat man uns auf der Akademie das fahren mit verschiedensten Fahrzeugen beigebracht. Inzwischen hatten wir San Miguel umfahren und näherten uns San Salvador. Gerade als uns ein LKW überholt hatte spürte ich ein unglaubliches Jucken und brennen an meinen Unterarmen. Sofort bremste ich, fuhr rechts ran und schob die Ärmel meines Mantels hoch. In blassen Linien waren die Runen meiner Siegel erschienen, aber diesmal zogen sie sich über meinen gesamten Unterarm, bis zum Ellenbogen und bewegten sich auch nicht. Mit jeder Sekunde wurden sie deutlicher, bis der Schmerz ebenso plötzlich verschwand wie er gekommen war. "Was ist los?", fragte Emilia besorgt. "Wirst Du angegriffen?" "Nein es fühlt sich anders an." Überrascht sah ich die Magierin an. Ich sah, nein, vielmehr spürte ich die Magie, die jede ihrer Zellen durchdrang. Und nicht nur sie. Alles um uns herum war erfüllt von Energie. Als ich Emilia meine Beobachtung mitteilte, sah sie mich mit großen Augen an. "Du spürst die Magie von anderen? Von sowas hab ich noch nie gehört. Es gibt zwar eine Schule der Hexerei, die sich mit dem Aufspüren von Zaubern und Rückständen magischer Tätigkeiten beschäftigt, aber deine Fähigkeit muss einzigartig sein unter den Sterblichen sein." Plötzlich kam mir ein Gedanke. "Bislang konnte ich nur Magie aus Angriffen absorbieren und nutzen. Was, wenn ich die Magie der Umgebung nutzen könnte? Wenn ich die Magie spüre, könnte ich womöglich sogar spüren, wann jemand angreift." "Das wäre unglaublich.", sagte Emilia. "Wenn du möchtest, helfe ich dir beim üben. Falls es dir gelingt, wäre das ein riesiger Vorteil." Während ich weiterfuhr versuchte ich mich auf die magische Energie um mich herum zu konzentrieren. Bislang hatte ich Magie nur 'wiederverwendet', Magie heraufzubeschwören hatte ich nie geschafft. Aber darüber würde ich die nächsten Tage nachdenken.
Wir waren noch etwa 100 km von San Salvador entfernt, als eine Straßensperre der Polizei die Straße blockierte, mit einer Lücke durch die ein einzelner Wagen passte. Mehrere bewaffnete Männer standen in der Lücke. Einer der Polizisten hob die Hand, trat vor und winkte uns ran. Ich bremste und hielt neben ihm an. Als ich das Fenster runterkurbelte drang sofort die schwüle Hitze in das von der Klimaanlage gekühlte Auto. "Führerschein und Fahrzeugpapiere.", sagte der Polizist in gebrochenem Englisch. "Augenblick.", antwortete ich, während ich fieberhaft nachdachte und dabei so tat als würde ich die Papiere suchen. Fuck. Natürlich machten zwei Jugendliche in einem dreckigen Pick-up mit Einschusslöchern den Polizisten misstrauisch. Aus den Augenwinkeln sah ich, wie der Polizist langsam nach der Pistole an seiner Hüfte griff. Ich musste etwas unternehmen. Ich hatte bis jetzt zwar nicht mal den simpelsten Zauber geschafft, aber ich wollte einen Kampf um jeden Preis vermeiden. Der Polizist machte nur seinen Job und in einem Kampf hätte ich ihn töten müssen. Die Reise nach Amsterdam fiel mir ein. Ich konnte keine eigenen Zauber wirken, aber vielleicht konnte ich welche kopieren. Die Chancen waren gering, aber die Anzahl an Alternativen leider auch. Ich konzentrierte mich, spürte die Magie die mich umgab und kanalisierte sie. Dann machte ich eine vage Handbewegung und sagte auf spanisch:"Wir sind nur Touristen." Das Gesicht des Polizisten wurde ausdruckslos. "Das sind nur Touristen.", sagte er zu seinem Kollegen. Ich hatte es geschafft. "Wir dürfen weiterfahren." "Sie dürfen weiterfahren." Ein Grinsen stahl sich in mein Gesicht. "Das sind nicht die Druiden die ihr sucht." "Das sind nicht die Drui.... Moment, was?" "Nichts, nichts. Wir sollten uns beeilen." Der Polizist trat zurück und winkte uns weiter. Langsam fuhr ich durch die Straßensperre, wobei ich versuchte nicht zu lachen. "Musste das sein?", fragte Emilia, die ihr Grinsen nur halb unterdrücken konnte. "Hey, das war ein Kindheitstraum von mir!", protestierte ich. "Möge dir Macht mit dir sein. Und jetzt gib Gas, bevor der Polizist begreift was passiert ist."