Eine kühle Brise brachte die Blätter der Eiche vor der Villa zum Rauschen. Mit geschlossenen Augen lauschte ich der Natur, ließ mich von der Macht der mich umgebenden Magie durchströmen und genoss das Gefühl. Ich saß auf einem der obersten Äste, den Rücken an den Stamm gelehnt und wartete. Ich wusste eigentlich nicht mal worauf ich wartete, also saß ich einfach nur da. Als die ersten Strahlen der Sonne mein Gesicht wärmten, erklangen Stimmen von der Veranda. "Moment. Du hast mit 13 ein Rudel Werwölfe erlegt? Und das mit ein paar Sonnenblumen?!" Das war Marcus. "Ja.", erwiderte Emilia mit einem leisen Lachen. "Ich hatte meine Waffe verloren und etwas anderes war nicht zur Hand. Ich musste improvisieren." "Und seit wann kannst du das mit den Bokken?", fragte der Magier. "Noch nicht lange. Anfangs waren es stumpfe Waffen, den Rest habe ich mir erst in den letzten Wochen an der Akademie beigebracht. Aber genug geplaudert. Lass uns mit dem Training beginnen, ich brauche dringend Ablenkung." Neugierig öffnete ich meine Augen. Beide trugen dunkle Trainingskleidung und Marcus hielt ein Bündel hölzerner Waffen unterm Arm, dass er unter der Eiche ablegte auf der ich saß. Ohne lange zu überlegen wählte er einen zweieinhalb Meter langen Stab und sah Emilia auffordernd an. Ihre flammend rote Haare waren zu einem Pferdeschwanz zusammen gebunden und sie hatte die Ärmel ihrer Jacke hochgekrempelt. Emilia ging zielstrebig auf einen großen Mahagonibaum zu, blieb davor stehen und schloss die Augen. Sie wartete einige Sekunden, dann streckte sie langsam ihre rechte Hand aus. Gespannt lehnte ich mich vor und beobachtete sie. Statt auf das harte Holz zu treffen, verschwand Emilias Arm bis zum Ellenbogen im Baum. Dann zog sie eine armlange, schlanke Waffe aus dem Stamm. Ein Bokken, augenscheinlich bestand es aus massivem Mahagoni. Faszinierend. Blitzschnell wirbelte sie herum, schoss auf Marcus zu und schwang ihre Waffe. Der Typhokinetiker sprang zurück, lenkte den Schlag ab und versuchte Emilia die Beine wegzuschlagen. Die Cambion konterte geschickt und rollte sich nach hinten ab. Die beiden Kämpfenden umkreisten sich langsam, suchten nach Lücken in der Verteidigung des Anderen. Dann schwang Marcus seinen Stab in einem weiten Bogen. Emilia versuchte gar nicht erst den Hieb zu blocken, sondern duckte sich und schlug nach dem linken Knie des Magiers. Dieser bewegte sich auf einmal so schnell, dass ich Mühe hatte seiner Bewegung zu folgen. Im ersten Moment war er noch mitten im Angriff, im nächsten prallte Emilias Bokken mit einem lauten Krachen auf seinen Stab. Für einige Sekunden verharrten sie so, dann wich Emilia wieder zurück und griff erneut an. Mehrere Minuten tauschten sie verbittert Hiebe aus. Emilia war schneller, aber Marcus war nun mal ein Ex-Soldat und schien jeden ihrer Angriffe vorauszuahnen. Beide waren hochkonzentriert, sie bemerkten nicht mal, wie ich mich fallen ließ und meinen Sturz elegant abfederte. Für einen Moment war ich versucht mir eine der Waffen zu schnappen und die beiden anzugreifen, stattdessen räusperte ich mich. Emilia hielt urplötzlich inne, woraufhin Marcus sie an der Hüfte erwischte. Die Halbdämonin zuckte kurz zusammen, schien den Schmerz aber kaum zu spüren. "Nath.", sagte sie und eine Spur Unsicherheit schwang in ihrer Stimme mit. Ich erinnerte mich an die letzten Worte, die ich ihr wutentbrannt an den Kopf geworfen hatte und senkte den Kopf. Doch statt wütend zu werden oder davonzustürmen, umarmte Emilia mich. "Es tut mir Leid.", flüsterte ich. "Nein, MIR tut es Leid. Ich habe nie darüber nachgedacht, wie du dich dabei fühlen musst." Marcus lachte laut auf. "Meine Fresse, so jung wäre ich gerne noch mal. Eine mächtige Geheimorganisation und irgendwelche Dämonen machen Jagd auf euch und ihr findet immer noch Zeit und Muße für euren Pärchen-Kitsch." Emilia lief rot an und stammelte: "Wir sind kein… Also… Was…" Ich grinste nur breit, zog sie dichter an mich und erwiderte: "Ach ja? Was ist denn da zwischen dir und Kiara am laufen? Hattet ihr nicht letztens ein Schäferstündchen auf dem…." Der Typhokinetiker räusperte sich laut und sagte: "Keine Ahnung was du da redest. Außerdem weißt du mal wieder mehr als gut für dich ist." Ich ließ Emilia los, ging ein paar Schritte und setzte mich ins Gras. "Wir müssen reden, Großer." Marcus runzelte die Stirn und sah mich fragend an. "Worum geht es?" "Erinnerst du dich an mein Versprechen?" Die Fingerknöchel des Magiers wurden weiß, als er den Stab umklammerte. "Du weißt wo Anderson ist?", knurrte er. "Nein.", erwiderte ich. "Aber ich habe vor ihn zu finden. Und dann bekommst du deine Rache."
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...