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Mit leicht geöffnetem Mund starrte ich den Sensenmann an. „Also bin ich tot?“ „ja.“, erwiderte dieser. Mein Blick fiel auf meine Hände. Sie waren leicht durchsichtig und schienen keine feste Form mehr zu haben. „Also ist das hier jetzt meine Seele?“ „ja.“, kam die knappe Antwort. Sehr gesprächiger Typ. „Und jetzt?“, fragte ich. „Komme ich in die Hölle?“ Die Frage war kindlich und überflüssig, immerhin hasste mich jeder einzelne Engel. Der Tod schüttelte den Kopf. „das ist nicht meine entscheidung. ich hole lediglich deine seele. lass es uns hinter uns bringen.“ Mit diesen Worten trat er vor und und hob seine Sense. In dem Moment, als er sie schwang, verspürte ich ein Ziehen tief in meinem Inneren. Als ich meine Hände betrachtete schienen sie zu glühen, dann ließ es nach und ich wurde zurück in meinen Körper gerissen. Schlagartig riss ich die Augen auf und setzte mich auf. Das Erste was ich spürte war ein unglaubliches Brennen über dem Herzen. Keuchend presste ich mir die Hand auf die Brust. Die Stichwunde war fast vollständig verheilt und auch der Schmerz ließ langsam nach. Tod ließ die Sense sinken. „was zum...“, murmelte er und ich glaubte eine Spur Überraschung aus seiner Stimme herasuzuhören. „azrael!“, rief er. Ein Geräusch wie von schlagenden Fügeln erklang und ein Mann erschien neben ihm. Er sah aus wie Ende dreißig, hatte kurzes, schwarzes Haar und mahagonifarbene Haut. Man hätte erwarten können, dass der Engel des Todes etwas mystischer auftreten würde, aber Azrael trug Jeans, Sneakers und ein Hardrock-Café Shirt. Er strahlte eine unglaubliche Ruhe aus, aber man hätte ihn für einen normalen Typen halten können. wären da nicht die goldenen Augen und die großen, schwarzen Flügel gewesen. „azrael.“, sagte Tod erneut. „überprüf seinen namen. ich konnte seine seele nicht vom körper trennen." Der Engel hob die Hand und ein großes, ledergebundenes Buch erschien darin. Es sah uralt aus ud war ziemlich díck. Azrael legte die andere Hand auf den Einband, woraufhin das Buch anfing zu schrumpfen, bis er schließlich ein Tablet in Händen hielt. Stirnrunzelnd fing er an zu tippen und scrollte, dann sah er erst mich ungläubig an, dann den Tod. „Du sagtest, du konntest seine Seele nicht ernten. Aber sein Name steht auf der Liste. Er sollte tot sein, ich verstehe es nicht.“ Wieder sah er auf sein Tablet, schien etwas sagen zu wollen, dann stockte er. „Er... Sein Name.“, stammelte Azrael. „Sein Name ist von der Liste der Sterbenden verschwunden.“ Langsam stand ich auf und zündete mir eine Zigarette an. „Also bin ich doch nicht tot.“, sagte ich. „Hat einer von euch eine Idee, woran das liegen kann? Immerhin hat mich Raguel aufgespießt.“ Tod legte den Kopf schief und sagte: „ich habe keine ahnung. so jemand wie du ist mir noch nie untergekommen. etwas hat deine seele daran gehindert von deinem körper getrennt zu werden.“ Ich versuchte das ganze zu verkraften, aber irgenwie fiel es mir schwer mich zu konzentrieren. „Könntest du mal aufhören zu grinsen?“, fragte ich den Sensenmann. „tut mir leid, ich bin ein skelett, da lässt sich das nun mal nicht vermeiden. aber wenn du willst kann ich meine gestalt verändern.“ Ich zog eine Augenbraue hoch und nickte. „Wenn du das kannst, wieso tust du das dann nicht immer?“ Tod lachte, was klang, als würde man Glasscheiben mit Mörser und Stößel zerkleinern. „ich bin uralt, nichtmal ich selbst weiß noch, seit wann ich existiere. da ist ein wenig respekt angebracht. aber wenn du darauf bestehst...“ Tod schrupfte, Muskeln und Fleisch zogen sich über seine Knochen und der schwarze Stoff seines Umhangs schien zu zerfließen. Nur wenige Sekunden später war die Verwandlung abgeschlossen. Statt einem Skelett mit Sense stand nun ein kleines Mädchen, das nicht älter als sieben wirke, vor mir. Ihr langes, blondes Haar hing ihr in zwei Zöpfen über die Schultern. „So besser?“, fragte Tod. Ich hatte gerade einen Zug von meiner Kippe genommen, deshalb führte mein überraschtes Einatmen zu einem Hustenanfall. „Nicht wirklich.“, keuchte ich. Tods Äußeres war nun um einiges angenehmer, aber statt der monotonen, gelangweilten Stimme, sprach er nun mit der Stimme einer alten Frau. Etwas verstörend, aber zumindest nicht ganz so irritierend wie ein sprechendes Skelett. „Aber egal. Wieso lebe ich wieder?“ Tod schwieg und betrachtete mich eingehend. „Ganz ehrlich? Ich weiß es nicht. Aber vielleicht gibt es eine Möglichkeit es heauszufinden.“ Die Sense materalisierte sich wieder in seinen Händen und plötzlich stand Tod direkt vor mir und schwang seine Waffe. Reflexartig riss ich den Arm hoch, aber das Sensenblatt glitt wirkungslos durch meinen Körper. „Was sollte da....“, setzte ich an, aber im nächsten Moment verspürte ich wieder dieses Brennen und sank keuchend auf die Knie, ließ meine Kippe fallen und presste die Hände auf die Brust. „Zieh dein Oberteil aus.“, forderte Azrael, der nun neben mir stand. Leise fluchend kam ich seiner Aufforderung nach. „Nun, damit hab ich nicht gerechnet.“, sagte Tod und sowas wie Wut schwang in seiner Stimme mit. „Ich wusste nicht mal, dass überhaupt jemand diese Art der Magie beherrscht.“ Auf meiner Brust prangte ein blutrotes Symbol, ein Ankh-Kreuz. „Ägyptische Magie?“, fragte ich. „Das ist viel älter, Junge.“, sagte Tod. „Die Ägyper haben es nur wiederentdeckt, es existierte schon lange vor den Menschen.“ „Und was bewirkt es?“, fragte ich geradeheraus. Gevatter Tod lachte bitter, was in seiner jetztigen Form ziemlich merkwürdig war. „Ganz einfach. Mit den richtigen Formeln und den nötigen Ritualen verhindert es, dass man deine Seele von deinem Körper trennen kann, und zwingt deine Seele zurück. Oder, um es mal ganz deutlich zu sagen: Sie verhindert, dass du sterben kannst. Gratuliere Kleiner, du bist unsterblich.“

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt