Mit einem leichten Brennen ronn der Whiskey meine Kehle hinab. Ich verzog kurz das Gesicht, dann nahm ich erneut einen Schluck und zündete mir eine Zigarette an. Eine Stunde zuvor hatten wir Damon verbrannt. Seine Vorfahren stammten aus Griechenland, also hatte er eine Feuerbestattung bekommen, wie ein Krieger. Wir hatten um den Scheiterhaufen herum gestanden, den ich zusammen mit Marcus und Jack errichtet hatte. Geweint hatte keiner, zu groß war der Schock gewesen. Dank magischer Flammen waren Leichnam und Holz restlos verbrannt, nicht das kleinste bisschen Asche war zurück geblieben. Und nun saß ich auf meinem Bett, trank billigen Whiskey aus der Flasche und ließ den Kampf gegen Anderson wieder und wieder Revues passieren. Irgendwo musste ich einen Fehler gemacht haben. Irgend etwas hätte ich tun können. Hätte ich tun müssen. Kippenschachtel und Flasche waren halb leer, als es an der Tür klopfte und Marcus eintrat. Er zog eine Augenbraue hoch, als er die Flasche in meiner Hand entdeckte. "Was willst du?", fragte ich mit rauher Stimme. "Ich weiß, was in dir vorgeht.", sagte Marcus. "Einen Scheiß weißt du!", fuhr ich ihn an. Beschwichtigend hob der Magier die Hände, stellte sich an das geöffnete Fenster und zündete sich eine Zigarette an. Der Rauch den er in Richtung der Mittagssonne blies, nahm dank seiner Magie verschiedene Formen an. Mit einer fast schon kindlichen Faszination beobachtete ich, wie der Rauch erst einen Vogel, dann ein gallopierendes Pferd und schließlich ein Schiff formte, das gemächlich gen Himmel segelte. "Weißt du, Kleiner.", setzte er an und das Schiff löste sich auf. "So lange kennen wir uns noch nicht, aber ich bin ziemlich gut darin, Menschen einzuschätzen. Und ich habe viel mit Emilia und den anderen geredet. Du versuchst immer alle zu retten, du würdest am liebsten die Last der ganzen Welt auf deine Schultern laden. Aber langsam musst du, müssen wir alle, den Tatsachen ins Auge sehen. Wir stehen kurz vor einem Krieg. Und ein Krieg fordert immer Opfer, Damon war nur der Erste. Es ist an uns, das Leid so gering wie möglich zu halten." "Ich hätte es verhindern können!", knurrte ich wütend und sprang auf, wobei ich ein wenig Whiskey verschüttete. "Wenn ich Anderson angegriffen hätte…" "Hätte der Metall-Engel Damon getötet. Oder die Magier." So schnell wie die Wut gekommen war, verschwand sie wieder, und mit ihr all meine Kraft. Ich sackte zurück aufs Bett und nahm noch einen Zug von meiner Zigarette. "Ich hätte irgendetwas tun müssen." Marcus schüttelte den Kopf. "Lass mich dir etwas erzählen, Kleiner. Ich war nicht immer beim SAS. Angefangen habe ich bei der britischen Armee, als Scharfschütze. Ich war gut, einer der besten Schützen in der British Army. Während meiner Ausbildung habe ich fast pausenlos trainiert, Schüsse auf jede mögliche Entfernung und für jede Situation geübt. Oft habe ich über 2.000 Schuss in der Woche abgefeuert und das über zwei Jahre lang. Dann kam mein erster Einsatz, wir wurden in den Irak geschickt. Einerseits war ich aufgeregt, andererseits ging mir der Arsch auf Grundeis. Anfangs war es langweilig, tagelang hockte ich in meinem Aussichtspunkt, beobachtete unsere Truppen und achtete auf mögliche Gefahren. Und eines Tages war es so weit, drei meiner Kameraden gerieten in einen Hinterhalt, ein einzelner Mann griff sie in einer dunklen Gasse an, bewaffnet mit einer Pistole und einer Machete. Ich hatte den Finger am Abzug, aber ich hatte kein freies Schussfeld, ich hätte einen unserer Soldaten treffen können. Also zögerte ich. Nur für eine Sekunde, aber das reichte dem Mann. Als ich abdrückte, hatte er bereits zwei der Männer getötet. Tags darauf bedankte sich der Überlebende bei mir. Aber ich konnte nur an die beiden gefallenen Soldaten denken. Worauf ich hinaus will, ist, dass ich mir zu viele Gedanken gemacht habe, ob ich einen meiner Kameraden durch den Schuss gefährden könnte." "Also soll ich aufhören mir um meine Freunde Sorgen zu machen und sie zu beschützen?", fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen. "Nein.", erwiderte Marcus ruhig. "Aber dir muss klar sein, dass es womöglich weitere Tote geben wird. Und du kannst dir nicht die Schuld daran geben. Du kannst diesen Kampf nicht alleine gewinnen und wir alle kennen das Risiko, so wie Damon es kannte." Er stand auf und ging zur Tür. "Pass auf, Kleiner, sonst wird genau das dein Verhängnis. Du kannst nicht alle retten. Manchmal müssen Opfer gebracht werden." Und mit diesen Worten verließ er mein Zimmer. Ich dachte über seine Worte nach. Nein, das konnte ich nicht akzeptieren. Was auch immer geschah, ich würde alles tun um meine Freunde zu beschützen, egal um welchen Preis. Ich drückte meine Zigarette aus und stellte die Flasche auf den Nachttisch, ein paar Stunden Schlaf würden mir gut tun. Kaum berührte mein Kopf das Kissen, war ich auch schon eingeschlafen.
DU LIEST GERADE
Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...