"Wach auf kleiner Halbengel.", schreckte mich die Stimme der Hexe aus dem Schlaf. Langsam öffnete ich die Augen und setzte mich auf. Die Hexe schloss die Eichentür hinter sich und lächelte. Jasmin sah noch genauso aus wie beim letzten Mal, lange konnte ich wohl nicht geschlafen haben. "Was willst Du?", fragte ich, wobei ich versuchte einen Zauber zu wirken. Vergeblich. Was war hier nur los? Die Hexe trat an den Käfig heran und strich über die Gitterstäbe, die unter ihrer Bewegung zur Seite wichen. Dann schnippste sie mit den Fingern, ich knallte mit dem Rücken gegen die Wand und wurde wie letztes Mal gefesselt. Es war mir ziemlich unangenehm, sitzend und mit ausgebreiteten Armen zusehen zu müssen wie die Hexe auf mich zu kam. Ich war zwar keine Jungfrau mehr und bei so mancher Gelegenheit waren auch Fesseln ins Spiel gekommen, aber das hier war mir dann doch etwas zu viel. Jasmin liess mich auf mir nieder, schob ihre Hände unter mein Shirt. "Ähm, würdest Du das lassen.", sagte ich und versuchte ruhig zu bleiben. "Ich habe eine Freundin." "Du lügst.", hauchte die Hexe, beugte sich vor und biss mir leicht ins Ohr. "Du willst mich." Tja, wo sie recht hatte... Ich war eben auch nur ein Mensch. Naja, zumindest zur Hälfte. "Sollten wir vorher nicht erst mal was essen gehen? Oder wenigstens ins Kino?" "Sieh an.", sagte sie, während sie anfing meinen Hals zu küssen. "Ein Witzbold." Lange würde ich mich nicht mehr zusammenreißen können. So hübsch Jasmin auch war, die Rolle des Sexspielzeuges lag mir nicht wirklich. In diesem Moment erklang ein lautes Klirren von oben. Die Hexe schreckte zurück und hob den Kopf. "Was bei den Gebeinen der Loa war das?!" Sie stand auf, strich ihr Kleid glatt und rannte zur Tür, die sie offen ließ. Auch meine Hände waren wieder frei, dafür waren die Gitterstäbe wieder an ihren ursprünglichen Plätzen. Fieberhaft untersuchte ich die Runen an den Stäben, rüttelte daran, aber nichts passierte. Entnervt sank ich wieder zu Boden. Die große, schwarze Katze, die letztes Mal auf dem Tisch gelegen hatte kam die Treppe runter und setzte sich vor den Käfig. "Miauu.", machte ich spaßeshalber. "Etwas blockiert meine Kräfte, sonst wäre das hier kein Problem. Du weißt nicht zufällig wo die Schlüssel sind, oder kleines Kätzchen?" Das Tier legte den Kopf schief und leckte seine Pfote, wobei sie mich aus ihren gelben Augen beobachtete. Wie naiv von mir. "Erstens bin ich ein Kater. Zweitens hast Du eben in der Sprache der Katzen 'Steuererklärung' gesagt. Und drittens: Ja, ich weiß wo die Schlüssel sind.", erklang eine tiefe, volle Stimme. Überrascht starrte ich den Kater an. In den letzten Wochen war ich definitiv zu oft durch Wände geflogen. Vermutlich hatte ich den Verstand verloren. Ich raufte mir die Haare und seufzte. "Verlier jetzt ja nicht die Nerven, Kleiner. Ja, ich bin eine sprechender Kater. Nein, Du bist nicht verrückt. Mein Name ist Nero.", sagte der Kater. Krasser Scheiß. Gut, ich war der Sohn Luzifers und der Wirt eines uralten Feuergottes, ich sollte mich also nicht beschweren. "Also gut Nero. Du willst mir also helfen." Der Kater putzte sich weiter, dann sagte er: "Ich KANN dir helfen. Das ganze sollte aber auf Gegenseitigkeit beruhen." "Was willst Du von mir? Und beeil dich, wer weiß wann die Hexe zurück kommt.", fuhr ich den Kater an. "Ganz ruhig Junge, ich habs geschafft ein Regal voller Vodoo Relikte umzuwerfen. Bis sie da aufgeräumt und die Magie gebändigt hat, sind wir schon über alle Berge." "Wir. Das ist also deine Bedingung, ich solle dich mitnehmen." Der Kater trottete zum Schreibtisch, sprang hoch und öffnete mit seinem Pfoten eine Schublade. "Exakt. Du bist klüger als Du aussiehst." "Dito.", sagte ich grinsend. "Also gut, Du besorgst den Schlüssel, dafür nehme ich dich mit." Nero nahm einen Schlüsselbund ins Maul und sprang vom Tisch. Dann legte er ihn vor den Käfig, knapp außerhalb meiner Reichweite. "Also haben wir einen Deal?", fragte er und hielt mir seine Pfote hin. Belustigt schüttelte ich sie. "Wir haben einen Deal." Nero schob mir den Schlüssel zu und eine Minute später war ich frei. Mit großen Schritten lief ich auf die Tür zu und stürmte die Treppe hoch. Am oberen Ende befand sich eine weitere Tür, die ich mit Schwung aufstieß. Ein dumpfer Schlag ertönte und als ich hinter die Tür sah, musste ich unwillkürlich grinsen. Ich hatte Jasmin ausgeknockt. Ich war versucht sie in ihren eigenen Käfig zu sperren, ließ es aber bleiben. Rasch durchsuchte ich das Haus, bis ich meine Sachen fand. Ich zog sie an, dann rief ich: "Komm schon Fellknäuel, ich will los." Nero kam die Treppe hoch und sah mich an. "Dann lass uns gehen. Da Du deine Kräfte vermutlich immer noch nicht benutzen kannst, nehmen wir wohl den Wagen der Hexe. Schlüssel liegen im Flur." Wir verließen das Haus, im Flur schnappte ich mir die Schlüssel. Auf dem Weg zum Auto überholte Nero mich und sagte: "Eins noch: Nenn mich noch ein Mal Fellknäuel oder Kätzchen und ich kratze dir die Augen aus." In Gedanken seufzte ich. Ein Nephilim ohne Kräfte und ein sprechender Kater mit Komplexen. Das konnte ja lustig werden.
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...