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Baals Hand lag auf dem Griff seines Langschwertes und er ging langsam auf und ab. In der vergangenen Stunde hatte ich mich einem Kreuzfeuer von Fragen stellen müssen. "Ich verstehe es immer noch nicht, Junge." Das letzte Wort knurrte er geradezu. "Wieso bist du im Besitz von zwei heiligen Schwertern? Und nicht nur irgendwelche, es sind Bruchstücke der Longinus-Lanze! Hast du eine Ahnung, was passiert wäre, wenn ich nicht jegliche Magie vor dem Rest der Hölle abgeschirmt hätte?" Ein dunkelrote Aura umgab den Fürsten, aber das konnte mich nicht wirklich beeindrucken. Dennoch wollte ich keinen Kampf riskieren, immerhin hatte ich keine Ahnung wie stark Baal im Vergleich zu Leviathan wirklich war, außerdem unterstand ihm der größte Teil der Armee. Aber langsam wurde es mir zu bunt. Ich stand auf, wobei ich fast meinen Stuhl umwarf und legte beide Hände auf den steinernen Tisch. "Baal!", sagte ich laut. "Ihr habt das jedes Recht dazu, mir all diese Fragen zu stellen. Immerhin habe ich ein mächtiges Artefakt in Euer reicht gebracht. Aber jetzt hört ihr MIR zu!" Zum Glück hatte ich beim Kampf nur Curtana benutzt und auf die Idee, das Emilia ebenfalls ein heiliges Schwert tragen könnte, war er nicht gekommen. "Ja, ich habe es Euch verschwiegen. Habt Ihr überhaupt eine Ahnung, wie es auf der Erde aussieht? Dämonen streunen umher, Engel sind auf der Jagd. Die Lage spitzt sich zu und bald wird ein Krieg ausbrechen. Ein Krieg, auf den die Hölle garantiert nicht vorbereitet ist." Mein Ton war immer schärfer geworden, in der eine Art Autorität mitschwang. "Und ich weiß auch, dass die Lage in der Hölle nicht besonders rosig ist. Was wäre wohl, wenn ich offen gesagt hätte, ich würde Curtana und Joyeuse bei mir tragen? Man hätte versucht mir die Schwerter abzunehmen und damit einen Bürgerkrieg anzetteln. Der einzige Weg, wie ich diesen Krieg im Keim ersticken kann, führt über Azazel. Deswegen müssen wir unbedingt zu ihm. Und je eher wir aus der Hölle verschwinden, desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass eine dieser Klingen jemals gegen Euch eingesetzt wird." Baal starrte mich ein, mit einem Ausdruck der eine Mischung aus Verblüffung und Wut war. Natürlich, der einzige dem er Respekt zollen musste, war Luzifer. Alles andere waren nur politische Ränke. Einen solchen Ton von einem vermeintlich Sterblichen hatte er noch nie gehört. Nach einigen Sekunden ließ er schließlich den Schwertgriff los. "Gut", sagte er. "Ich bringe dich zu Azazel. Ich werde nicht hinterfragen, was du wirklich von ihm willst, aber ich habe eine Bedingung. Joe wird euch zum Ausgang begleiten. Und danach wirst du nie wieder einen Fuß in die Hölle setzen. Das wirst du mir schwören." Ich hatte zwar keine Ahnung, wie meine Pläne für die Zukunft aussahen, immerhin wäre es durchaus möglich, dass ich nochmal zurückkehren würde. Entweder um jemanden zu töten oder um Urlaub zu machen. Aber das war ein Problem, um das sich mein zukünftiges Ich kümmern würde. "Ich schwöre es.", sagte ich. Der Fürst nickte zufrieden. "Dann werde ich euch jetzt zu Azazels Werkstatt bringen. Seid ihr bereit?" "Moment noch.", bat ich, öffnete meine Umhängetasche und packte etwa ein Dutzend Muffins ein. Das Rezept befand sich bereits in meiner Hosentasche, ein paar freundliche Worte hatten gereicht, um Winston zu überreden, aber Proviant war nie eine schlechte Idee. Emilia und Jack, die bislang nur schweigend neben Nemira gestanden hatten, traten neben mich. Ohne uns abzusprechen, hatten die beiden einfach mir das Reden überlassen. "Kann losgehen.", sagte ich mit einem breiten Grinsen. Joe gesellte sich zu uns und ihr Vater hob eine Hand. "Nun gut. Azazel wird wissen, dass ich euch zu ihm schicke. Keine Ahnung wie er es macht, aber er weiß über die meisten Dinge in der Hölle bestens Bescheid." Roter Rauch stieg zwischen unseren Füßen auf, hüllte uns ein und raubte mir die Sicht. Ich konnte ein Husten nicht unterdrücken und schloss die Augen. Als der Rauch sich wieder verzogen hatte, standen wir vor einer kleinen Hütte am Rande einer Klippe. Ich versuchte zu erkennen was am Fuße der Klippe lag, aber dichter Nebel versperrte mir die Sicht. Mit schief gelegtem Kopf inspirierte ich die Hütte. Sie war wirklich winzig, vermutlich hätte Nemira drinnen nicht mal genug Platz um aufrecht zu stehen. Ich spürte keinerlei Magie, abgesehen natürlich von der magischen Energie, die diesen Ort bis in den kleinsten Grashalm durchdrang. "Nemira.", sagte ich im Geist. "Du wirst nicht in die Hütte passen. Könntest du hier draußen Wache halten?" "Natürlich. Aber mir gefällt das ganze nicht. Pass auf dich auf." Ich streichelte kurz ihr Vorderbein, dann wandte ich mich an Jack. "Bleib du bitte mit Joe bei Nemira. Sollte es drinnen Probleme geben, komme ich damit schon klar. Außerdem hab ich ja Emilia dabei." Der Dämon nickte, ebenso wie der Succubus. Gemeinsam mit Emilia näherte ich mich der Hütte. "Bist du sicher, dass Azazel da drin ist?", fragte Emilia skeptisch. Ich zuckte mit den Schultern und antwortete: "Keine Ahnung. Aber wenn nicht, werde ich mal ein ernstes Wort mit Baal reden müssen." Ich hob meine Hand um zu klopfen, als die Tür von alleine aufschwang. Drinnen war es stockdunkel, selbst ich konnte nichts erkennen. Ich trat ein, wobei ich mich so positionierte, dass eine mögliche Falle mich treffen würde, satt Emilia und schob gleichzeitig meinen Mantel ein wenig zurück, damit ich meine Pistole im Notfall schnell ziehen konnte. Aber nichts geschah. Als Emilia mir schließlich folgte, fiel plötzlich die Tür hinter uns ins Schloss und der Boden unter unseren Füßen gab nach. Scheiße. Eine Falltür. Emilia gab einen kurzen Schrei von sich, fasste sich aber sofort wieder und klammerte sich an mir fest. Wir fielen einige Sekunden lang, der Wind pfiff in meinen Ohren, dann kam unter uns ein schwacher Lichtschein in Sicht. Langsam erkannte ich, dass wir durch einen breiten Schacht fielen, der nach unten hin schmaler wurde. Recht weit unten erkannte ich massiven Steinboden, kein Zeichen von einer Matratze oder irgendetwas anderem, dass unseren Sturz abbremsen würde. "Halt dich gut fest!", rief ich und beschwor meinen Speer. Ich konzentrierte mich so gut es die Situation zuließ, richtete sie Spitze des Speers auf den Boden und fing an die Luft unter uns zu verdichten und in Bewegung zu bringen. Als Emilia realisierte was ich vorhatte, krallte sie sich noch fester an mich. Hätten wir uns nicht im freien Fall befunden, hätte ich wegen meiner Leichtsinnigkeit bestimmt ein kleine Schimpftirade über mich ergehen lassen müssen. So blieb ihr nichts anderes übrig, als zu hoffen.  Im letzten Moment verstärkte ich die Magie und erschuf einen kleinen Tornado, der unseren Sturz abrupt abbremste. Die Landung war zwar nicht sonderlich elegant, aber das war mir herzlich egal. "Du hättest mich ruhig vorwarnen können.", meinte Emilia, richtete ihre Klamotten und hob ihre Schrotflinte. "Hey, wir leben.", grinste ich, ließ den Speer verschwinden und beschwor meinen Panzerhandschuh. Die Cambion schüttelte den Kopf und sah sich um. "Sieht aus wie eine riesige Lagerhalle." Tatsächlich. In geordneten Reihen standen Metallregale, auf denen sich allerlei Kram stapelte, lediglich in einem Umkreis von zehn Meter waren einzelne Sachen aus den Regalen gefegt worden, vermutlich durch meinen Tornado. Die Regale waren fast fünfzehn Meter hoch und es waren viele. Ich konnte nicht Mal das Ende der Höhle sehen, nur Regale. Neugierig betrachtete ich das Zeug um mich herum. Überall stapelten sich Metallstücke, Teile von Maschinen, Schmuck, Kinderspielzeug, und noch Tausende und Abertausende Dinge. Es sah aus, als befänden wir uns im größten Fundbüro aller Zeiten. Plötzlich hörte ich ein Geräusch hinter mir. "Vorsicht!", rief ich, sprang vor Emilia und riss den Arm hoch. Instinktiv griff ich zu und schaffte es den Speer zu fangen, wenige Zentimeter von meinem Gesicht entfernt. "Beeindruckend.", sagte eine Stimme zwischen den Regalen und ein langsames Klatschen erklang. Ich ließ den Speer fallen und zog mit der Linken meine Pistole. "Wer ist da?", knurrte ich und gab einen Schuss in Richtung Decke ab. "Zeig dich!" Nun war ein leises Lachen zu hören. "Komm schon, sei doch nicht so eine Spaßbremse." Meine Seelenwaffe erschien in meiner Rechten, verkürzt zu einem Gladius. "Letzte. Warnung." Das Lachen erstarb und ein Mann trat zwischen den Regalen hervor. Er war groß gewachsen, trug einfache, praktische Kleidung und hatte schwarzes Haare, mit einigen blonden Strähnen darin. Seine Augen waren braun, mit ein paar schwarzen Punkten darin. Alles in allem keine wirklich beeindruckende Erscheinung, wäre da nicht seine Aura gewesen. "Baal hat schon angekündigt, dass du… sehr überzeugt von dir seist.", sagte der Mann. "Aber das? Steck die Waffen weg, bevor du dir wehtust. Vermutlich weißt du nicht mal wen du vor dir hast." Ich steckte meine Waffen tatsächlich weg, aber nur weil ich nicht die Absicht hatte zu kämpfen. "Du bist der gefallene Engel Azazel.", stellte ich mit nüchterner Stimme fest. "Fürst des Südens, die rechte Hand Satans und der begabteste Schmied des Himmels, der Hölle und der Erde. Der Engel, der den Menschen den Krieg brachte." Azazel klatschte anerkennend. "Also werde ich tatsächlich noch von Sterblichen erkannt." "Deine Aura ist so stark, dass eine Verwechslung ausgeschlossen ist. Aber nachdem ich Baal getroffen hatte, dachte ich du seist… eindrucksvoller." Vielleicht sollte ich langsam anfangen nachzudenken, bevor ich anfing zu sprechen. Denn wenn Azazel wie Baal eher humorbefreit war, wäre das der zweite Fürst der Hölle, den ich verärgert hatte. Und das nur heute. Der gefallene Engel schwieg einige Sekunden, dann lachte er schallend. "Baal liebt es Furcht zu verbreiten. Ich hingegen erschaffe Werkzeuge des Todes, dafür benötige ich keine prunkvolle Rüstung. Der Fürst des Nordens sagte, dass du mich um etwas bitten möchtest. Also los, Sterblicher, du hast fünf Minuten. Überzeug mich, oder ich aktiviere meine Automaten und töte dich." Langsam zog ich Joyeuse und Curtana und bedeutete Emilia Durnedal zu ziehen. Gleichzeitig überlegte ich, wie viel es kosten würde mir ein T-Shirt drucken zu lassen, mit der Aufschrift 'Ich bin unsterblich, also hört auf mir mit dem Tod zu drohen'. Das sollte ich Nero bei meiner Rückkehr auf jeden Fall fragen, jetzt aber musste ich mich um Azazel kümmern, der mit leicht geöffnetem Mund die drei heiligen Schwerter anstarrte. "Sind das…? Aber…", stammelte er. "Das ist unmöglich." Ich unterdrückte ein breites Grinsen und sagte mit ernster Stimme: "Weißt du, irgendwie scheine ich unmögliche Dinge anzuziehen und genau deshalb sind wir hier. Wir brauchen deine Hilfe um die Heilige Lanze neu zu schmieden."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt