Sanft streichelte ich Emilias Haar und drückte ihren leblosen Körper an mich. "Es tut mir leid.", flüsterte ich. Es war meine Schuld. Ich hätte schneller sein müssen, hätte Emilia beschützen müssen. Aber ich hatte versagt und nun lag die Frau, die ich liebte, tot in meinen Armen. Eine tiefe Verzweiflung machte sich in mir breit, gepaart mit Wut und Trauer. In den letzten Wochen und Monaten war mir alles genommen worden, was mir je etwas bedeutet hatte. Ich hatte mein altes Leben aufgegeben, mich an der Akademie auf eine Zukunft als Jäger vorbereitet, bis mir auch diese genommen worden war. Balthasar hatte mir Leonie genommen, und SOL meine Mutter. Vermutlich werde ich sie nie wieder sehen. Ich hatte Freunde verloren, war nah dran gewesen meine Menschlichkeit zu verlieren. Und jetzt war Emilia tot, weil ich nicht gut genug auf sie aufgepasst hatte. Vorsichtig schob ich einen Arm unter ihren Beinen durch, mit dem anderen hielt sie noch immer am Rücken an mich gedrückt und stand auf. Ganz an Rande nahm ich mutierte Leichen wahr, die zwischen den Büschen umherhuschten, es aber nicht wagten sich mir zu nähern. Vorsichtig trug ich Emilia zum Fuß einer riesigen Eiche, faltete meine Flügel zusammen und legte sie ins Gras, das vom Morgentau noch ein wenig feucht war. Ich atmete ein letztes Mal ihren Duft ein, diese faszinierende Mischung verschiedenster Blumen, dann hauchte ich ihr einen letzten Kuss auf die Lippen. "Es tut mir leid.", flüsterte ich erneut, stand auf und drehte mich um. Langsam ging ich auf Balthasar zu, der seine Wunden inzwischen so weit geheilt hatte, dass er wieder aufrecht stand, sein Schwert in den Händen und mich verächtlich musterte. Balthasar, der Emilia entführt hatte. Erst würde ich ihn töten, dann würde ich mir Leviathan vornehmen. Ich hatte nichts mehr zu verlieren, alles was mir jetzt noch blieb war Rache. Mein Blick fiel auf meine rechte Hand, an der einige Tropfen von Emilias Blut klebten. "Sie werden bezahlen, Feuerlöckchen.", knurrte ich und ballte meine Hand zur Faust. In diesem Moment breitete Balthasar seine großen, fledermausartigen Flügel aus und schwang sich in die Lüfte. In der linken Hand hielt er sein Schwert, Blutdorn, die Rechte hatte er auf mich gerichtet. Ich sah ein kurzes Leuchten, dann schoss ein gewaltiger Strahl aus reiner, dämonischer Energie auf mich zu. Wie aus dem Nichts wirbelten goldene Flammen und tiefschwarze Schatten um mich herum. Sie zogen sich entlang meiner Beine mach oben und wo sie meine Haut berührten, bildeten sie einen Überzug, der an eine Rüstung erinnerte. Mit einem Schmerz, der gleichzeitig von der ungeheuren Hitze des Feuers und der unglaublichen Kälte der Finsternis herrührte, drangen Flammen und Schatten unter meine Fingernägel, verbanden sich mit meinem Fleisch und schienen Haut und Knochen zu verstärken. Gleichzeitig spürte ich, wie meine Flügel aus meinem Rücken brachen, sah wie das Gras um mich herum versengt wurde und spürte mein rasendes Herz. Kurz bevor ich getroffen wurde, war die Rüstung vollständig und ich riss den Arm in einer Abwehrbewegung hoch. Ich spürte die Siegel aufglühen, als sie den Angriff absorbierten, dann schlug ich kräftig mit den Flügeln und schoss auf Balthasar zu. Dieser schleuderte weiter Energieblitze und ähnliches nach mir, doch entweder wurden sie von meinen Siegeln absorbiert oder prallten an meiner Rüstung ab. Der Dämon holte verzweifelt mit seinem Schwert aus, doch da war es schon zu spät. Mit voller Wucht traf ihn meine Faust in die Magengrube. Dann packte ich seinen Kopf und rammte ihm mein Knie mitten ins Gesicht. Ich hörte das krachende Geräusch einer brechenden Nase und ließ Balthasar angewidert fallen. Wie ein Stein stürzte er zu Boden und schlug auf der Wiese auf, wobei Erde durch die Gegend spritzte. Ich ließ mich fallen, landete hart neben dem Dämon und ging leicht in die Knie um den Sturz abzufedern, wobei ich nach Balthasars Hals griff und ihn hoch hob. Blutdorns Spitze raste auf mein Gesicht zu, aber ich war schneller. Kaum hatte ich die Bewegung registriert, hatte meine gepanzerte Hand auch schon die Klinge gepackt und soweit verdreht, dass der Dämon sein Schwert loslassen musste. Dabei erhaschte ich einen kurzen Blick auf meine Rüstung, die sich in der polierten Waffe spiegelte. Es handelte sich um eine Art Plattenpanzer ohne Helm, schwarz wie die Nacht und mit zahlreichen, goldenen Verzierungen und Linien, die wie beim Panzerhandschuh an Adern erinnerte. War das die Rüstung von Aurus? Verdorben durch meine Schattenmagie? Was auch immer es war, es bewahrte mich vor jeder magischen Attacke. Achtlos warf ich Balthasars Schwert beiseite, warf den Dämon zu Boden und holte mit meiner klauenbewehrten Hand aus. Und nun, das erste mal seit wir uns begegnet waren, erkannte ich so etwas wie Angst in seinen Augen. Er zischte ein einzelnes Wort und verschwand in einer Rauchwolke, nur um kurz darauf neben seinem Schwert wieder aufzutauchen. Der Dämon lächelte noch immer verächtlich, aber etwas unsicherer als zuvor. Er zog seine Waffe aus dem Boden und schlug erneut mit den Flügel, diesmal aber etwas schwerfälliger als zuvor. Drei Rabisu tauchten um ihn herum auf und zogen lange, schlanke Schwerter. "Das war gar nicht übel.", spottete Balthasar. "Auch wenn ich gehofft habe, deine Freundin hätte sich ein klein wenig mehr gewehrt, denn dann hätte Leviathan mir erlaubt, meinen Spaß mit ihr zu haben." Ein wortloser Schrei drang aus meiner Kehle, als ich auf Balthasar zu flog und mühelos den Klingen der entgegenkommenden Rabisu auswich. Ich schoss zwischen den Kreaturen hindurch, packte Balthasar und schmetterte ihn gegen einen Baum, der durch den Aufprall ein wenig einknickte. Mit einem Feuerstrahl aus meiner Hand brachte ich die Rabisu zum Zurückweichen und ging auf Balthasar zu. Erneut rappelte sich der Dämon auf, wobei er sich auf sein Schwert stützte und die Waffe anschließend auf mich richtete. "Dreckiges Halbblut!", knurrte er. "Mir ist egal, was Leviathan für dich geplant hat. Diesmal werde ich dich nicht davonkommen lassen!" Der goldene Totenkopf an der Parierstange seines Schwertes glühte auf und der Boden um uns herum geriet in Bewegung. Skelettene Hände gruben sich durch das Erdreich und zogen ihre ebenfalls fleischlosen Körper an die Oberfläche. Irritiert machte ich einen Schritt zurück, rief meinen Speer und verkürzte den Schaft soweit, dass ich die Waffe noch mit beiden Händen schwingen konnte. Es dauerte nur wenige Minuten, dann hatten sich um mich herum mehr als vierzig Skelette versammelt, zusammengehalten von Magie und bewaffnet mit rostigen Schwertern und schartigen Äxten. "Tötet ihn!", schrie Balthasar und schlug ein paar mal mit den Flügeln, bis er über mir kreiste. "Reißt ihn in Stücke!" Ich festigte den Griff um mein Schwert, legte meine Flügel an und schlang die Schatten um mich. Dann griff ich an. Meine Klinge war so scharf und ich schwang die Waffe mit solcher Kraft, dass ich die Knochen mühelos zerschneiden konnte. Gleichzeitig benutzte ich die Schatten um mein Schwert zu verlängern oder Angriffe zu blocken. Zum ersten mal dachte ich nicht darüber nach, sondern akzeptierte die Schatten, betrachtete sie als Erweiterung meines Körpers. Im ersten Moment durchtrennten sie den Schädel eines Skeletts, im nächsten lenkten sie den Hieb einer Axt ab. Trotz der schweren Rüstung bewegte ich mich mit einer Eleganz und Geschwindigkeit, die mich selbst überraschte. Ich verdrängte für einen Moment alle Gedanken, lebte von Schwerthieb zu Schwerthieb, ließ mich vom Kampf berauschen und mähte einen Gegner nach dem anderen nieder. Jeder Hieb saß, das Splittern und Brechen der Knochen war Musik in meinen Ohren. Und mit einem Mal war es vorbei. Ich stand schwer atmend in einem Haufen Knochen und sah mich suchend nach neuen Gegnern um. "War das alles?", rief ich Balthasar zu, der immer noch seine Kreise zog. Ich rollte beiseite, als der Dämon einen Blitz nach mir schleuderte und riss den Arm hoch. Eine schwarze Kette aus Schatten schoss auf Balthasar zu und wickelte sich um sein Bein. Die Kette spannte sich und ich verlor fast das Gleichgewicht, doch dann machte ich einen Schritt nach hinten und zog mit einem kräftigen Ruck an der Kette. Mit einem leisen Schrei stürzte Balthasar zu Boden, deutlich hörte ich wie die Knochen in seinem linken Flügel brachen. Mit einem Windstoß katapultierte ich mich neben ihm und trat ihm mit aller Kraft gegen sein Handgelenk. Als er spürte wie sein Handgelenk zersplitterte, ließ der Dämon sein Schwert fluchend los. Ich ließ meinen Speer verschwinden und schnappte mir Blutdorn. Dann bohrte ich meine Klauen in Balthasars Rüstung und hob ihn hoch. Als ich ihn diesmal gegen einen Baum schmetterte, hörte ich einige Wirbel brechen. "Es ist aus.", sagte ich. "Du kannst nicht gewinnen, also stirb wenigstens mit ein wenig Würde, du mieses Stück Scheiße." "Vergiss es, Bastard.", zischte Balthasar. "Ich werde nicht sterben. Du wirst die Tore zur Hölle öffnen, der Krieg wird diese Welt vernichten und ich werde meinen rechtmäßigen Platz als König der Hölle einnehmen." Ich ließ Blutdorn kurz kreisen, dann rammte ich dem Dämon sein eigenes Schwert in die Brust und nagelte ihn an den Baum. Mein Speer erschien wieder in meiner Hand, ich holte aus und zielte auf Balthasars Kehle. "Dein Tod heißt Nathaniel.", knurrte ich und stach zu.
Doch bevor die Spitze meiner Waffe seine Haut durchbohrte, traf mich etwas in die Seite und schleuderte mich mehr als zehn Meter weit. Jegliche Luft wurde mir aus der Lunge gepresst, fast glitt mir mein Schwert aus der Hand. Erst im letzten Moment gelang es mir meine Flügel auszubreiten und halbwegs elegant zu landen. Ohne zu zögern wirbelte ich herum, fuhr meinen Speer zu voller Länge aus und schleuderte die Waffe mit aller Kraft. Diesmal würde er nicht so einfach davon kommen. Die Klinge bohrte sich tief ins Holz und eine Explosion zerfetzte den Baum, doch Balthasar war bereits verschwunden und wurde gerade von zwei Rabisu in Sicherheit gebracht. "Das war... beeindruckend.", erklang Leviathans Stimme, die nun neugierig die Hand nach meinem Speer ausstreckte. Doch als ihre Fingerkuppen den lederumwickelten Griff berührten, ging die Waffe plötzlich in Flammen auf und verschwand. Leviathan wich fauchend zurück, fing sich aber sofort wieder. Ich funkelte die Dämonin an, alles in mir schrie danach sie anzugreifen, auch wenn ich ihr unterlegen war. Am klügsten wäre es, wenn ich mich zurückziehen und zu einem anderen Zeitpunkt angreifen würde. "Weißt du", sagte Leviathan. "Eigentlich hatte ich nicht vor Emilia zu töten. Aber ich wollte unbedingt deinen Gesichtsausdruck sehen, wenn ich die Frau töte die du liebst. Und wenn dieser Krieg erst einmal tobt, werde ich das selbe mit Luzifer machen. Was meinst du wie er reagiert, wenn ich ihm die Leiche deiner Mutter vor die Füße werfe?" Mit einem wütenden Schrei schoss ich Luftklingen auf Leviathan ab und ließ gleichzeitig Schattenketten auf sie zuschnellen. "Du wirst niemanden mehr verletzen!", schrie ich. "Du wirst niemanden mehr töten, der mir etwas bedeutet." Es war an der Zeit, Leviathan musste sterben, ich konnte es beenden, hier und jetzt. Mein Blick glitt zu Emilia, die aussah als würde sie lediglich schlafen. Vielleicht konnte ich Luzifer überzeugen, dass Pan ihre Seele in seinen Hain bringen durfte, um sie mit ihrer Mutter zu vereinen. Ich hob meine Hand, ließ die Schatten zu mir fließen und sich auf Brusthöhe neben mir sammeln. Das hier würde ich für Emilia tun. Ich atmete ein letztes Mal tief ein, dann steckte ich meine Hand in die Schatten. Ich bekam den Griff einer Waffe zu fassen und zog. Wie vorgesehen schaffte ich es das Schwert bis kurz vor der Parierstange aus den Schatten zu ziehen, dann hielten es die Ketten zurück. Als ich sprach, war meine Stimme klar und entschlossen. "Heilige Klinge des Longinus, leih mir deine Kraft. Geschmiedet in göttlichen Flammen, geweiht mit dem Blut des Erlösers und versiegelt mit der Macht des Gefallenen. Gehorche meiner Stimme, meiner Hand, wer auch immer mein Feind ist, das Licht wird ihn verschlingen!" Mit einem leisen Klirren zerbarsten die Kettenglieder und ich zog das Schwert vollends aus den Schatten. Trotz der morgendlichen Sonne war das Leuchten der Klinge klar und deutlich zu sehen, die magische Aura konnte man fast greifen. Als Leviathan realisierte, was ich da in Händen hielt, machte sie einen Schritt zurück. Ein Flimmern lief über ihre Seelenwaffe und im nächsten Moment war aus dem Schwert ein schlichter, archaisch anmutender Dreizack geworden. Sie richtete die Waffe auf mich und sofort setzten sich Rabisu und Mutanten und Bewegung. Entschlossen packte ich das Schwert mit beiden Händen, als das Leuchten der Klinge intensiver wurde. Geblendet kniff ich die Augen zusammen und ließ den Beidhänder vor Schreck beinahe fallen, denn dort, wo das weiße Licht auf den schwarzen Stahl meiner Rüstung traf, bröckelte meine Panzerung. Darunter kam eine weiße Schicht zum Vorschein. Hell und strahlend wie frisch gefallener Schnee, nur unterbrochen von den tiefgoldenen Adern. Es dauerte nur einen kurzen Augenblick, dann war meine gesamte Rüstung weiß und ließ die dämonischen Mutanten zurückschrecken. Ein fast schon diabolisches Grinsen zog sich über mein Gesicht, als ich meine immer noch pechschwarzen Flügel ausbreitete. Ich sah wie Rabisu und Mutanten nervös zurück wichen, kurz davor die Flucht zu ergreifen. Sollten sie doch, ich würde sie dennoch töten. Aber erst nach Leviathan. Die Dämonin musste sterben, sie würde für Emilias Tod leiden. Das alles würde heute noch enden, hier und jetzt. Leviathan breitete nun ebenfalls ihre Flügel aus, grau-blaue, lederne Schwingen und hob ihren Dreizack. Der See hinter ihr geriet in Bewegung, als würde er von Sturmböen aufgepeitscht, während die Dämonin sich in die Lüfte erhob. Mit ein paar kräftigen Flügelschlägen war ich ebenfalls in der Luft, voller Blutdurst. Gleichzeitig schlugen Leviathan und ich mit den Flügeln, schossen aufeinander zu und holten aus. Dann, mit einer Explosion der magischen Energien, prallten unsere Waffen aufeinander.
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...