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Energisch rubbelte ich meine Haare trocken und warf einen Blick auf die Dusche. Die braune Brühe, die vor wenigen Minuten noch klares Wasser gewesen war und Blut, Staub und Dreck von meinem Körper gespült hatte, hatte eine Kruste an dem Keramik der antiken Wanne hinterlassen. Egal, darum würde ich mich später kümmern. Im Grunde wollte ich nur noch ins Bett fallen und nie wieder aufstehen. Ein Blick in den Spiegel bestätigte mich in meinem Vorhaben. Ich hatte tiefe, unschöne Augenringe und trotz der vielen Zeit im Freien war meine Haut so blass wie eh und je. Wann zur Hölle hatte ich das letzte Mal mehr als acht Stunden am Stück geschlafen? Musste lange her sein. Und meine Haare sollte ich vielleicht mal schneiden lassen. Aber bei meinem Glück würde sich der Frisör als verstörender Krebs-Scheren-Dämon entpuppen, also wäre das wohl erst mal keine gute Idee. Als ich mir die Haare aus dem Gesicht strich, fiel mir etwas auf. Kleine, goldene Flecken die meine tiefblaue Iris spickten, wie Kendra gesagt hatte. Kendra. Ich hatte sie einfach so in Las Vegas zurück gelassen. Hoffentlich ging es ihr gut, in ein paar Stunden würde sie nach L.A. aufbrechen, weit weg von mir und möglichen Gefahren. Kopfschüttelnd schob ich den Gedanken beiseite, schlüpfte in eine Boxershorts und ein Shirt und ging zurück in mein Zimmer. Ich zündete mir gerade eine letzte Zigarette vor dem Schlafengehen an, als es klopfte und Emilia ins Zimmer lugte. "Nath?", fragte sie leise. "Hast du ein paar Minuten?" Ich spürte Unsicherheit bei ihr, fast schon Angst. "Klar.", sagte ich und bot ihr mit einer vagen Handbewegung an, sich aufs Bett zu setzen. Emilia huschte in mein Zimmer, ließ sich auf dem Bett nieder uns spielte mit ihren Haaren, wobei sie meinen Blick mied. "Was ist los?", fragte ich. Die junge Magierin kaute auf ihrer Unterlippe, als versuche sie sich die Worte im Mund zurecht zu legen. "Lass es einfach raus.", ermunterte ich sie. "Nicht nachdenken. fang einfach an, der Rest kommt schon von alleine, was auch immer es ist, du darfst es nicht in dich reinfressen." Fuck, hatte ich das gerade wirklich gesagt? Immerhin behielt ich selbst mehr als genug für mich. Emilia schüttelte leicht den Kopf. „Ich wollte dir das schon länger erzählen.", setzte sie an. "Eigentlich schon in Guatemala, aber spätestens seit du mich vor Alessia gerettet hast" Sie redete weiter, ohne mich anzusehen. "Meine Mutter wurde ermordet als ich vier Jahre alt war. Sie, meine zwei Halbschwestern und mein Stiefvater." Sprachlos starrte ich Emilia an. Ein großer Teil von mir wollte sie einfach bin den Arm nehmen, aber ich blieb einfach stehen und hörte weiter zu, zu deutlich spürte ich, wie sehr sie darüber reden wollte. "Es waren Einbrecher.", fuhr sie fort, mit leiser Stimme. "Drei Mann, bewaffnet. Als sie ins Haus eindrangen versteckte meine Mutter mich im Wandschrank und befahl mir da zu bleiben. Sie schnappten sich meinen Stiefvater und meine Schwestern, hielten ihnen Waffen an die Köpfe und zwangen meine Mutter dazu ihnen all unser Geld zu geben, sonst würden sie die drei töten. Sie gehorchte, trotzdem töteten die Männer sie und meine ganze Familie. Ohne zu zögern, ohne Grund, einfach nur weil sie es konnten. Und ich saß nur im Schrank und sah dabei zu wie sie meine Familie abschlachteten. Bis sie mich fanden. Damals sind meine Kräfte erwacht, damals habe ich das erste Mal getötet. Ich habe die Rosen meiner Mutter benutzt um die Männer in Stücke zu reißen. Danach rannte ich einfach weg. Wir wohnten in Spanien auf dem Land, also rannte ich in die Wälder, wo ich monatelang lebte. Wann immer ich etwas brauchte, die Natur schenkte es mir. Essen, trinken, einen warmen Platz zum Schlafen. Dann, irgendwann, gelangte ich nach Barcelona, wo mich ein Mann namens Elijah fand und aufnahm. Er zog mich auf wie seine Tochter und obwohl er selbst kein magischen Fähigkeiten besaß, brachte er mir bei mich zu kontrollieren und meine Kräfte zu nutzen. Eines Tages offenbarte er mir, dass er für eine geheime Organisation arbeite und rekrutierte mich, zu dem Zeitpunkt war ich sieben." Emilias Stimme stockte für einen Moment. "Die Akademie war im Grunde alles was ich hatte. Es war mein Zuhause. Und Alessia hat es zerstört." "Und dafür wird sie bezahlen.", sagte ich ruhig und dachte an den Kampf gegen den Engel zurück. "Emi?", fragte ich. "An der Akademie waren viele junge Magier und wir haben seit dem noch weitere getroffen. Aber niemand von denen hätte es so gegen Alessia aufnehmen können wie du es getan hast. Nicht Eric, nicht Kiara und auch nicht Marcus. Wie?" Imme noch mied sie meinen Blick. "Es tut mir Leid.", flüsterte sie. "Was tut dir leid?" Sie hob den Kopf, sah mir tief in die Augen und schloss für einen Moment die Lider. Als sie sie wieder öfnete, war das smaragdgrün ihrer Iris einem eisigen Blau gewichen. Nun gab es keinen Zweifel mehr. Instinktiv trat ich zurück und konzentrierte mich auf die Schatten. "Ich hätte es dir früher sagen sollen." "Das du ein Dämon bist?", knurrte ich. "Nicht ganz.", antwortete Emilia. "Meine Mutter war ein Mensch. Mein Vater war einst ein Gott, wurde aber wie die anderen Götter ohne Wirt in die Hölle verbannt. Früher hätte man mich Demigott genannt. Aber für dem Himmel bin ich etwas, das fast so schlimm ist wie ein Nephilim. Ich bin ein Cambion. Ein Halbdämon."


Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt