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Mit Haaren im Mund und einem tauben linken Arm wachte ich auf. Aus irgendeinem Grund lag ich im Bett, Emilia hatte sich an mich geschmiegt und ihr Kopf ruhte auf meinem Oberarm. Ein Duft nach Nachtblumen ging von ihr aus und ich ertappte mich bei dem Gedanken ihr durchs Haar zu streichen. Ich wusste nicht recht wie ich auf die Situation reagieren sollte, also zog ich mir die Haare aus dem Mund und tat so, als würde ich noch schlafen. Nach einigen Minuten spürte ich, wie Emilia sich regte. Sie streckte sich, wobei sie sich noch enger an mich drückte, dann stand sie vorsichtig auf, wohl bemüht mich nicht zu wecken, und verschwand im Bad. Langsam stand ich auf und bewegte jedes Körperteil einzeln. Mein Körper hatte sich vollständig regeneriert, lediglich die Kugeln in meiner Brust schienen herumzukullern. Ich schlüpfte in meine Klamotten und legte meine Ausrüstung an. Draußen war es noch dunkel, die Sonne würde in frühestens zwei Stunden aufgehen. Emilia kam angezogen aus dem Bad. "Ich wollte dich gerade wecken. Wir sollten los. Das Militär und die Kartelle werden als nächstes in diese Richtung kommen." Ohne ein weiteres Wort verließen wir das Motel, stiegen in den Hilux und fuhren los. Nach etwa einer halben Stunde fragte ich:"Wie bin ich ins Bett gekommen?" Ohne den Blick von der Straße abzuwenden antwortete Emilia:"Du hast die Sessel auseinander geschoben, lagst am Boden und hast gezittert. Du hast vor dich hingemurmelt immer wieder gezückt, als hättest Du einen schlimmen Alptraum, also hab ich dich ins Bett geholt. Als ich klein war hatte ich auch oft Alpträume und meine Mutter hat das selbe gemacht." Ich hatte einen Witz machen wollen, aber als Emilia ihre Mutter erwähnte, ging eine unglaubliche Traurigkeit von ihr aus, deshalb schwieg ich immer. "Wo sollen wir jetzt hin? Nach Kuba?", fragte ich stattdessen. "Ein ehemaliger Agent der Organisation wohnt nicht weit von hier. Er hat bei einem Eisatz für kurze Zeit den Vestand verloren, deshalb hat man ihn frühzeitig in Rente geschickt. Er war mein Ausbilder. Wenn uns jemand helfen kann, dann er." "Wo wohnt er?" "In San Salvador. Er ist ein wenig exzentrisch, aber er dürfte jede Menge Jäger-Ausrüstung haben. Unsere haben wir ja leider beim Absturz verloren. Wir müssen uns auf Vampire und Dämonen vorbereiten. Weihwasser, Silber, Eisen, UV-Munition, das volle Programm." Schweigend fuhren wir weiter, die Grenze nach Honduras überquerten wir ohne Probleme, wir wurden einfach durchgewunken. Über die CA1 fuhren wir in Richtung El Salvador. Gegen Mittag kauften wir uns an einem Stand am Straßenrand etwas zu essen und setzten unsere Reise sofort fort. Keiner von uns wollte lange an einem Ort bleiben. Aus den Augenwinkeln beobachtete ich Emilia. Konzentriert starrte sie auf die Straße und kaute auf ihrer Unterlippe rum. "Ein Penny für deine Gedanken.", scherzte ich. "Nichts besonderes.", erwiderte sie. "Es ist nur so, dass das hier vermutlich größer ist, als alles mit dem ich bis jetzt zu tun hatte. Früher war alles zu einfach. Ich hatte ein Ziel, jagte und erlegte es. Und jetzt kämpfen wir gegen SOL und hochrangige Dämonen. Um ehrlich zu sein wünschte ich manchmal, wir hätten Zachaires Angebot angenommen und ein neues Leben begonnen." Ich deutete auf einen Feldweg, der auf einen Hügel führte, der sich über die Wipfel der Bäume erhob. "Fahr da hoch." Emilia sah mich fragend an, folgte aber meiner Anweisung. An der höchsten Stelle des Hügels hielt sie an. Ich bedeutete ihr mir zu folgen, stieg aus und kletterte aufs Dach des Hilux. Einige Sekunden lang saßen wir einfach nur nebeneinander. Um uns herum breitete sich der Wald aus, wie ein smaragdgrünes Meer, die selbe Farbe wie Emilias Augen. "Sieh dir den Wald an.", brach ich das Schweigen. "Seine Schönheit und seine Vielfalt. Du kennst all das besser als ich. SOL führt nicht nur Krieg gegen die Organisation. Das vermehrte Auftauchen von Dämonen ist kein Zufall. Etwas großes bahnt sich an. Wenn es zu einem Krieg zwischen Engeln und Dämonen kommen sollte, wird dieser Kampf auf der Erde ausgefochten. Dieser Krieg würde all das hier vernichten. Wir haben besondere Fähigkeiten, die wir nutzen müssen um das richtige zu tun. Große Stärke bringt große Verantwortung." Emilia schubste mich halbherzig. "Das ist aus Spiderman!" "Stimmt.", lachte ich. Dann wurde ich wieder ernst. "Aber auch Dante Aligheri sagte einst:'Die heißesten Plätze der Hölle sind für jene reserviert, die in Zeiten moralischer Krisen nicht Partei ergreifen.' Es ist unsere Pflicht. Deshalb habe ich mich der Organisation angeschlossen. Ich wollte etwas bewirken, etwas sinnvolles tun. Das hier ist vielleicht keine perfekte Welt, aber mir gefällt sie. Sie ist es wert beschützt zu werden." Lange Zeit schwieg Emilia. Dann sagte sie leise:"Ich habe Angst. Du hast Recht, trotzdem habe ich Angst. Wir wurden nie auf einen potenziellen Krieg vorbereitet. Was wenn ich nicht stark genug bin?" Die selbe Frage hatte ich mir auch schon gestellt. Aber daran durfte ich jetzt nicht denken. Zuversichtlich legte ich meinen Arm um sie. "Keine Sorge. Was auch passiert, ich werde dich beschützen. Ich lasse nie wieder zu, dass die Leute die mir am Herzen liegen verletzt werden." Emilia legte den Kopf auf meine Schulter und mehrere Minuten lang saßen wir einfach nur da, reglos und ohne etwas zu sagen. Schließlich löste sich Emilia von mir, sprang vom Dach und sagte:"Lass uns weiterfahren. Bis zum Abend können wir in San Salvador sein."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt