Seufzend rubbelte ich meine Haare trocken, warf das Handtuch über einen Stuhl und legte mich auf die mit schwarzem Stoff bezogene Couch. Ich warf einen kurzen Blick auf mein Handy, anscheinend hatte Jack auf meine SMS geantwortet. Als Emilia und ich uns endlich hatten voneinander lösen können, hatte ich eine kleine Auszeit vorgeschlagen. Nicht lange, nur ein paar Stunden für uns alleine. Balthsar war halb tot, Leviathan war ebenfalls verwundet, also drohte erst mal keine Gefahr. Und Emilia war diese Hütte eingefallen, mitten in den Rocky Mountains, eine Art Notfall-Versteck für Jäger der Organisation, die die Cambion vor einigen Jahren während eines Einsatzes benutzt hatte. Also hatte ich Jack kurzerhand eine SMS geschrieben.
"Sind in Ordnung, brauchen nur ein paar Stunden für uns. Sehen uns heute Abend.
-Nath
P.S.: Erinner Nero an den Zettel auf dem Schreibtisch, wir haben einiges zu planen."
Als Antwort hatte ich lediglich den Kackhaufen-Emoji bekommen, allerdings vermutete ich, dass Textnachrichten Jack noch ein wenig verwirrten. Aber da er die Nachricht offensichtlich erhalten hatte, schaltete ich mein Handy aus und legte es auf den Tisch. Im Nebenzimmer hörte ich Emilia, die ein paar Schränke durchwühlte und kurz darauf mit einer großen Flasche Wein und zwei Gläsern ins Wohnzimmer kam. Auch sie hatte geduscht, sich Blut und Dreck vom Körper gewaschen. Sie war barfuß, trug ein Höschen, dass sie in einem der Kleiderschränke gefunden hatte und eines der beiden Ersatz-Shirts, die ich in der Umhängetasche gehabt hatte. Grinsend füllte sie die Gläser bis zum Rand und drückte mir eines davon in die Hand. Ich nahm einen kleinen Schluck, genoss den süßen, fruchtigen Geschmack und schloss lächelnd die Augen. "Ein italienischer Merlot.", schmunzelte ich. "Etwa zehn Jahre alt." Als ich die Augen wieder öffnete, sah mich Emilia mit hochgezogenen Augenbrauen an. "Du kennst dich mit Wein aus?", fragte sie. "Ist das so verwunderlich?", konterte ich lachend. "Naja... Irgendwie schon. Ich dachte eigentlich, dass du eher ein Fan von… härteren Sachen bist." Ich stellte mein Glas wieder ab und grinste schelmisch. Dann deutete ich auf die Flasche und erwiderte: "Erwischt. Das stand alles auf dem Etikett." Die Cambion lachte, setzte sich zu mir auf die Couch und küsste mich. Einige Minuten lang saßen wir nur da, nippten an unserem Wein und genossen die Aussicht aus dem riesigen Panoramafenster. Die Sonne stand hoch über den Baumwipfeln, seit dem Frühstück in Québec waren keine zwei Stunden verstrichen und hier war es gerade mal Mittag. "Nath?", unterbrach Emilia Stimme die Stille. Die Cambion hatte ihr Glas abgestellt und sah mich an. "Du hast mir immer noch nicht erklärt, warum wir auf diesem Dach waren und ich in einem Pentakel aufgewacht bin." Ihre Stimme wurde leiser und sie griff nach meiner Hand. "Ich habe die Narben an deinen Handgelenken gesehen. Nath, ich war tot! Leviathan hat meinen Lungenflügel durchbohrt, ich bin an meinem eigenen Blut erstickt. Und trotzdem sitze ich jetzt hier, ohne auch nur eine kleine Narbe davon getragen zu haben. Was hast du getan?" Ich atmete tief ein, leerte mein Glas und stellte es beiseite. Dann zog ich den Kragen meines Shirts nach unten, bis ein Teil der Narbe zu sehen war, wo vor kurzer Zeit noch das Ankh gewesen war. "Weißt du noch, als ich von SOL entführt wurde und ihr keine Ahnung hattet wo ich bin?", fragte ich vorsichtig. Das würde einiges an Fingerspitzengefühl erfordern. Emilia nickte und ich fuhr fort: "Nun… Ich bin Ihnen entkommen und nach Las Vegas gefahren, da ich kurzzeitig keine Kontrolle über meine Kräfte hatte und weil ich jemandem helfen musste. Jedenfalls bin ich in Vegas dem Erzengel Raguel begegnet. Wir haben gekämpft und er hat mich getötet. Aber als der Tod meine Seele ernten wollte, stellte sich raus, dass sie durch das Symbol auf meiner Brust an meinen Körper gebunden war. Allerdings beschloss ich, euch erst mal nichts von meiner Unsterblichkeit zu erzählen, das hätte nur alles viel komplizierter gemacht. Und als Leviathan dich…", meine Stimme stockte kurz, es fiel mir schwer das auszusprechen. "Als sie dich getötet hat, habe ich mir die Adern aufgeschnitten um mit Tod zu sprechen. Er hasst mich zwar, war aber bereit einen Handel abzuschließen. Meine Unsterblichkeit gegen deine Seele. Ich habe das Ankh auf meiner Brust zerstört und Tod hat dich zurück geholt." Emilia sah mich mit großen Augen an, vollkommen sprachlos. Verdammt, so viel zu Fingerspitzengefühl, das war mehr die Holzhammermethode gewesen. "Du… aber…", stammelte Emilia und ertastete durch das T-Shirt die wulstige Narbe. "Wieso?" Sie musste die Frage nicht mal vollständig stellen, ich spürte sie überdeutlich in ihren Gedanken und Gefühlen, dennoch holte Emilia Luft und fragte: "Wieso hast du deine Unsterblichkeit geopfert?" Ich beugte mich vor, legte eine Hand in ihren Nacken und küsste sie sanft. "Ich hatte keine andere Wahl. All meine Macht, das ewige Leben, das wäre alles völlig bedeutungslos ohne dich. Du weißt nicht wie es war, als ich dich habe sterben sehen. Dieser Hass in mir, er hat die Kontrolle übernommen, ich wollte nur noch töten, wollte deinen Tod rächen. Aber danach… wäre ich zerbrochen, wäre ausgebrannt gewesen." Emilia lächelte mich an und ich sah kleine Tränen in den Augen, dann fiel sie mir in die Arme. Einige Zeit lang saßen wir da, eng umschlungen, bis Emilia sich schließlich von mir löste und sagte: "Ich weiß was du meinst. Als meine Familie starb, war ich am Ende. Ich hatte kein Ziel, keinen Willen zu überleben. Bis mich Elijah fand." Wir schwiegen eine Weile, dann fragte Emilia leise: "Du hast Angst, oder?" Ich zögerte mit meiner Antwort, wusste nicht was sie genau meinte. "Angst vor Leviathan?", hakte ich nach. "Angst dich wieder zu verlieren?" "Das auch.", erwiderte die Cambion. "Aber ich habe mich in letzter Zeit oft gefragt, ob du Angst vor deinen Fähigkeiten und deiner Macht hast." Unwillkürlich ballte ich meine rechte Hand zur Faust, betrachtete die Siegel an meinen Armen und die Rune auf meinem Handrücken. Dann lachte ich nervös. "Manchmal schon.", erklärte ich. "Erinnerst du dich an San Salvador? Da habe ich diesen Drogenbaron namens Eduardo getötet. Ihn und sechs seiner Männer. Damals habe ich das erste mal die Kontrolle verloren, der Engel in mir hat übernommen. Sieben Menschen, die ich auf brutale Art und Weise abgeschlachtet habe, nicht nur weil sie es verdient haben, sondern weil es mir gefiel. Und genauso war es bei Anderson. Mir gefiel es ihn leiden zu sehen, ihm Schmerz zuzufügen." Ich unterbrach mich, griff nach Emilias Hand und fuhr fort: "Ja, ich habe Angst vor dieser Dunkelheit in mir, ich wäre ein Dummkopf wenn es anders wäre. Aber solange ich etwas habe, wofür es sich zu kämpfen lohnt, werde ich sie kontrollieren können." Ich griff nach meinem Weinglas, leerte es mit großen Schlucken und stellte es wieder ab. Emilia tat es mir gleich, dann schmiegte sie sich an mich. Ich spürte die beruhigende Wirkung des Alkohols, merkte wie ich lockerer wurde. Ich hatte zwar ordentlich gefrühstückt, seitdem aber auch einiges an Blut verloren. Aber vermutlich hatte mein Körper den größten Teil davon schon wieder regeneriert. Emilias Atem streichelte meinen Hals und mein Ohr und ihre Finger streichelten über meine Brust, meine Arme und meinen Bauch. Als ich unter ihrer Berührung erschauderte, kichterte sie leise. Mit einem Mal spürte ich mit aller Deutlichkeit, wie sie ihre Brüste gegen meinen Arm presste. Plötzlich stand mein Körper unter Strom, ich packte Emilia, drückte sie runter auf die Couch und küsste sie leidenschaftlich. Die Cambion erwiderte meine Kuss, grub die Hände in meine Haare und streckte mir mir einem Keuchen die Hüfte entgegen. Ich löste mich kurz von ihren Lippen und zog mein T-Shirt aus, als Emilia mit einem verschmitzten Lächeln sagte: "Weißt Du, oben steht ein großes Himmelbett. Da hätten wir etwas mehr Platz." Ich sprang auf und half Emilia aufzustehen. "Na dann los, Feuerlöckchen.", erwiderte ich grinsend und zog sie in Richtung Treppe, während wir uns gegenseitig auszogen.
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...