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Meine Gedanken rasten. Als ich Leonie das letzte mal gesehen hatte, hatten wir unsere Klingen gekreuzt. Sie hatte mir gesagt, das wir einander eines Tages bis zum Tod bekämpfen würden, da wir verfeindeten Götter in uns trugen. Und nun war die Wirtin Fenrirs wieder da und bat mich um Hilfe. Ich war verwirrt und wütend, wollte sie zur Rede stellen, aber der Lindwurm kam immer näher. "Na gut.", sagte ich. "Aber wenn das eine Falle ist, wirst du es bereuen." "Ja ja.", erwiderte Leonie, streckte den Arm aus und beschwor ihr Rapier. "Wie gesagt: Ich erkläre es dir später, aber glaub mir, ich war und bin auf deiner Seite." Die Kugeln in meiner Brust waren zwar ein ziemlich gutes Gegenargument, doch mir blieb keine Zeit. Die Rune auf meinem Handrücken glühte auf und mein Speer erschien. Wie ein eingespieltes Team rannten Leonie und ich auf den Lindwurm zu. Die Wirtin schleuderte einen Blitz nach der Kreatur, der wirkungslos abprallte, den Lindwurm aber kurz blendete, was mir die Gelegenheit zum Angriff bot. Die flammende Klinge grub sich in tief in das Vorderbein der Echse. Schmerzerfüllt brüllte der Lindwurm auf und wirbelte herum, wobei er den Speer aus seinem Fleisch riss. Sein mit Stacheln gespickter Schweif raste auf mich zu und ich bereitete mich auf den Aufprall vor. Im letzten Moment sah ich aus dem Augenwinkel Blitze und ich wurde beiseite gerissen. "Du hast nachgelassen.", meinte Leonie grinsend. Ich schüttelte ihre Hand ab ich schoss einen Flammenstrahl ab, vor dem der Lindwurm mit einem Fauchen zurück wich. Ich erhielt den Strahl aufrecht, während der Lindwurm sich zusammenkauerte und den Kopf hin und her wiegte, wobei er immer wieder knurrte und zischte. "Ich lenke ihn ab.", sagte ich zu Leonie. "Sobald er auf mich fixiert ist, versuchst du unter ihn zu gelangen, unter dem linken Vorderteil solltest du mit deinem Rapier leichtes Spiel haben. Das Herz ist kaum zu verfehlen. Aber pass auf seinen giftigen Atem auf." "Woher weißt du das alles?", fragte Leonie staunend. Mit der linken Hand schleuderte ich einen Feuerball, um den Lindwurm auf seiner Position zu halten und erwiderte. "Ich habe die Zeit an der Akademie tatsächlich genutzt um etwas zu lernen. Was deine Absichten waren, werden wir nachher klären. Also, auf mein Kommendo." Ich machte mich gerade bereit den Lindwurm zu attackieren um das Ablenkungsmanöver zu starten, als der Erdboben unter der Echse nahezu explodierte. Mannsdicke Wurzeln schossen aus der Erde, packten die Gliedmaßen des Lindwurm, schlangen sich um seinen Körper und hoben ihn hoch. Er konnte gerade noch ein letztes, fast schon mitleiderregendes, Brüllen von sich zu geben, bevor er von den Wurzeln in Stücke gerissen wurde. Ich machte einen Sprung nach hinten, wobei ich Leonie mit mir zog. Dort, wo wir eben noch gestanden hatten, spritzte das Blut der Kreatur auf den Boden, wo sie sich wie Säure ins Erdreich ätzte. Ich drehte mich um und sah meine Vermutung bestätigt. Emilia stürmte auf uns zu, barfuß, lediglich mit Jeans und einem meiner T-Shirts bekleidet. Ihre Augen glühten eisblau und eine grüne Aura umgab ihren Körper. Also sie Leonie erkannte, riss sie den Arm hoch. Einige Wurzeln schossen auf die Wirtin zu, die beiseite sprang und die Wurzeln mit ihrem Rapier durchtrennte. Dünne, blaue Blitze zuckten über die Klinge. "Geh beiseite Nath!", rief Emilia, zog im Vorbeilaufen ein Bokken aus einem Baum und legte an Tempo zu. "HALT!". Noch während ich schrie, stieß ich meinen Speer in den Boden. Eine Flammenwand loderte empor, genau zwischen Emilia und der Wirtin. "Leonie, wie mit dem Schwert! Sofort! Emilia, lass dein Bokken sinken. Wir sollten ihr zumindest die Gelegenheit geben sich zu erklären." "Ist das dein Ernst?", fragte die Cambion aufbrausend. "Wie kannst du ihr vertrauen? Vermutlich hat sie den Lindwurm hierher gelockt!" Leonie lachte und ließ ihr Rapier in einem Blitz verschwinden. "Entspann dich Feuerlöckchen. Hätte ich euch töten wollen, hätte ich euch ein paar Garuda auf den Hals gehetzt und nicht Balthasar und Leviathan verraten." Garuda? In Leviathans Armee befanden sich sogar einstige Hindu Gottheiten? Interessant. Bevor ich mich aber mit solchen Dingen befassen konnte, musste ich aufpassen, dass Emilia und Leonie sich nicht die Köpfe einschlugen. "Leonie!", sage ich mit scharfer Stimme. "Pass auf was du sagst. Wir wissen nicht warum du uns verraten hast und was du hier willst. Also wirst du uns einen verdammt guten Grund liefern müssen, warum wir dich am Leben lassen sollten." "Weil ihr jede Hilfe gebrauchen könnt. Ich weiß was ihr vorhabt, ich weiß, dass ihr bereits zwei der heiligen Schwerter habt. Aber Leviathan weiß das auch, deshalb hat sie ihre besten Krieger losgeschickt. Rabisu, gefallene Engel mit dem Blut der Vampire in sich, die grausamsten Krieger der Hölle, sie fühlen keine Angst, keinen Schmerz." Während Leonie sprach, kamen auch die anderen aus dem Haus. Marcus sah wütend aus und er hielt die Hand von Kiara, deren Gesicht kreidebleich war. "Emilia, pass kurz auf Leonie auf. Beim kleinsten Anzeichen für einen Angriff oder eine Flucht, gehört sie ganz dir." Die Cambion nickte grimmig und richtete ihr Bokken auf Leonie. Ich senkte die Wand aus Feuer wieder und als ich auf die anderen zuging, trat Marcus an mich ran. "Was ist los?", fragte ich. "Jack wollte Eric holen, aber der war nicht da. Und auch von Lyra gab's keine Spur. Schließlich hat er eine kurze Nachricht gefunden. Die beiden sind abgehauen und haben Kiara's Schwester Nuala mitgenommen. Sie wollen nach Europa und hoffen da in Frieden leben zu können. Sie hatten genug von all den Kämpfen." Ich sah Marcus und Kiara kurz an. "Für Nuala ist es wahrscheinlich das Beste, sie wäre nur unnötig in Gefahr gewesen. Und ich verstehe auch Eric und Lyra. Was an der Akademie geschehen ist, hat uns alle schwer getroffen. Und Eric hat auch noch seinen Bruder verloren. Lasst uns hoffen, dass sie in Europa glücklich werden." Kiara brachte ein schwaches Lächeln zustande und auch Marcus nickte. Dann viel sein Blick auf Leonie. "Ist das nicht die Kleine, die dir zwei Kugeln in die Brust verpasst hat?" "Jep." "Und was macht die hier?" "Das werde ich jetzt herausfinden." Ich drehte mich wieder um und ging zurück zu Leonie und Emilia. "Du bist also hier um zu helfen?", richtete ich das Wort an die Wirtin Fenrirs. "Ja.", antwortete sie mit fester Stimme. "Damit das klar ist: Ich bereue nicht, was ich getan habe. Aber jetzt bin ich auf eurer Seite. Das schwöre ich bei den alten Göttern." Ich überlegte. So sehr ich ihr auch glauben und vertrauen wollte, ich konnte es einfach nicht, dazu war zu viel vorgefallen. "Leonie", fragte ich. "Das hier ist eine Zwickmühle. Du hast recht, wir können jede Hilfe gebrauchen, aber wir können dir nicht einfach wieder vertrauen, nur weil du es sagst. Es gibt nur eine Möglichkeit. Ich muss meine Engelssinne einsetzen um deine Erinnerungen zu überprüfen." Eine lange Pause entsandt und mit jeder Sekunde war ich mir sicherer, das es gleich zum Kampf kommen würde. Aber schließlich lächelte Leonie müde, schloss die Augen als ich meine Hand auf ihre Stirn legte und sagte: "Na gut. Sei vorsichtig beim durchforsten meiner Erinnerungen, die meisten sind nicht sonderlich schön, aber es sind meine eigenen. Und urteile nicht zu voreilig über das was du siehst. Leg los, betrachte das Leben von Leonie van Helsing." Ich schloss ebenfalls meine Augen, suchte in mir den Punkt um meine Kräfte zu aktivieren. Dann konzentrierte ich mich und tauchte in den Strom der Erinnerungen ein.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt