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Mit gerunzelter Stirn starrte ich in die Schatten. Wie zur Hölle war ich teleportiert? War das überhaupt der richtige Ausdruck dafür? Schattenreise? Egal, ich musste mich darauf konzentrieren Emilia zu finden. Hoffentlich kam ich nicht zu spät. Rasch zog ich mein Handy aus der Tasche. Laut Peilsender war der Dämon etwa 500 Meter von mir entfernt in einer der Lagerhallen. Kurz ging ich die Optionen durch, dann erklomm ich das Dach des Gebäudes neben mir. Ein Frontalangriff wäre leichtsinnig. Jeder Trottel würde sich einen anderen Eingang suchen. Deshalb würde ich genau das tun, mit etwas so offensichtlichem würden sie wohl kaum rechnen. Ich rannte los, sprang von Dach zu Dach. Mein Puls war ruhig und gleichmäßig, solche Aktivitäten brachten mich schon lange nicht mehr außer Atem. Schlagartig blieb ich stehen. Die nächste Halle war ziemlich demoliert, Teile des Dachs waren eingestürzt. Und es war verdammt ruhig. Der Held eines Actionfilmes hätte gesagt: "Zu ruhig." Ich hielt nicht viel von diesen Klischeesprüchen, aber es war wahr. Was war hier passiert? Hatte Emilia fliehen können? Ich nahm einige Schritte Anlauf, sprang über den drei Meter breiten Abgrund und rollte mich lautlos ab. Direkt vor mir war ein beachtliches Loch im Boden. Was war stark genug um massiven Beton zu durchschlagen? Ich trat an den Rand des Lochs, warf einen kurzen Blick auf einen Stahlträger, nur wenige Meter von mir entfernt, dann riss ich den Arm hoch. Surrend spulte sich der Draht ab und wickelte sich um den Träger. Mit einem kurzen Ruck überprüfte ich die Stabilität, dann ließ ich mich fallen. Sofort drehte ich mich um meine eigene Achse und verlor die Orientierung. Im nächsten Moment spürte ich, wie der Draht vom Träger rutschte. Ich krachte in ein Metallregal, dass unter dem Aufprall zusammenbrach und mich halb begrub. Ein weißes Pulver schwebte durch den Raum. Entweder war das Koks, oder die Kartelle waren auf den Schmuggel von Backpulver umgestiegen. Ächzend und fluchend befreite ich mich aus den Trümmern, wobei ich versuchte flach zu atmen. Zugedröhnt kämpfen wäre vielleicht lustig, aber ich musste mich darauf konzentrieren Emilia zu finden. Ich stand auf und klopfte mir das Kokain von Mantel und Hose. In diesem Moment wurde wenige Meter von mir entfernt eine recht ramponierte Stahltür aufgestoßen und ein junger Mann in gänzlich schwarzer Kampfmontur und Lederjacke trat heraus. Vermutlich ein Söldner. Er hatte kurzes, schwarzes Haar und den harten Gesichtsausdruck eines Mannes der zu viel gesehen hat. In der rechten Hand hielt er eine Pistole, die er auf mein Gesicht richtete. Ich riss den Arm hoch und der Draht wickelte sich um den Lauf der Pistole. Mit einem kurzen Ruck entwaffnete ich ihn. "Du musst Nathaniel sein. Jack flucht vermutlich immer noch. Er meinte Du seist ziemlich stark." "Mir ist egal was du gehört hast. Ich habe keine Zeit für dich." In einer fließenden Bewegung zog ich meine Pistole und drückte zwei Mal ab. Die Kugeln trafen den jungen Mann an der Brust und warfen ihn nach hinten. Rasch steckte ich die Pistole weg und ging zur Tür. Emilia war in der Nähe, ich spürte ihre Anwesenheit. Kaum hatte ich die Hand auf die Klinke gelegt erklang hinter mir eine Stimme. "Jack hatte recht. Du bist wirklich unhöflich." Ich wirbelte herum, die Hand am Messergriff. Der junge Mann zog seine Jacke aus, unter der eine kugelsichere Weste zum Vorschein kam. "Dabei war ich schon neugierig." Der Söldner zog ein langes, schlankes Messer und stürmte auf mich zu. Er war schnell, schneller als jeder Mensch. Aber ich war kein Mensch. Geschickt wich ich seinen Stichen und Hieben aus, dann durchtrennte ich einen der Riemen seiner Weste. Mit drei weiteren, blitzschnellen Schnitten durchtrennte ich die restlichen Riemen und riss ihm die Weste vom Leib. Dann packte ich ihn am Hals, drehte mich leicht und presste ihn an die Wand. Mit einem kurzen Schlag aufs Handgelenk entwaffnet ich ihn. Mein Blick fiel auf seine Brust, wo im Licht des Mondes eine Erkennungsmarke glitzerte. Kein Söldner. Ein Soldat. Aber er war kein Mensch, seine Aura hatte etwas dämonisches. "Tja Marcus.", sagte ich, und benutzte dabei den Namen der auf der Marke stand. "Du solltest deine Feinde sorgfältiger auswählen." Mit voller Wucht rammte ich ihm mein Messer in den Bauch. Zumindest hatte ich das vorgehabt. Stattdessen glitt die Klinge durch ihn ohne auf Widerstand zu stoßen und prallte gegen die Wand, wo sie klirrend zerbrach. Überrascht sah ich nach unten. Dort, wo eigetlich festes Fleisch sein müsste, war lediglich dichter, schwarzer Rauch. Mit der Rückhand versetzte Marcus mir einen Schlag, der mich fast zwei Meter nach hinten warf. Der Soldat ließ die Schulter kreisen, schwarzer Rauch drang aus seinen Fingerkuppen. "Zeig es mir Nathaniel. Zeig mir wie du einen Gegner bekämpfst, den du nicht berühren kannst."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt