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Als ich aus dem Schatten des Hotels trat, schaffte ich es gerade noch so, der Motorhaube auszuweichen, die wie eine Frisbee in meine Richtung flog. Mein Verstand hatte die Situation noch nicht mal verarbeitet, da hatte ich schon meine Pistole gezogen und nahm die Kreatur unter Beschuss. Gleichzeitig ließ ich meine Kräfte in Gladys fließen und verstärkte die Kugeln mit heiligem Licht. Die Kreatur kreischte schmerzerfüllt, stolperte zurück und fiel zu Boden. Eine zweite stürzte vom Himmel, landete neben ihrem toten Artgenossen und bleckte die Zähne. Irritiert sah ich auf den Kaffee in meiner Hand, den ich mir in Luzern noch schnell besorgt hatte. Entweder war in dem Becher irgendeine Droge, oder vor mir hockte tatsächlich ein Affe mit rot glühenden Augen und ledrigen Fledermausflügeln. Und als ich mich umsah, entdeckte ich ein gutes Dutzend dieser hässlichen Mistviecher. Ohne weiter nachzudenken schoss ich dem Affen ins Gesicht, trank einen Schluck Kaffee und rannte zum Eingang des Hotels, wo Emilia gerade ihre Schrotflinte nachlud, während Nero einem am Boden liegenden Affen die Kehle zerfetzte. "Wo kommen die Viecher her?", fragte ich und gab zwei weitere Schüsse ab, weigerte mich aber, meinen Kaffee abzustellen. "Sind einfach aufgetaucht", rief eine junge Asiatin mit langen, schwarzen Haaren und schlitzte einen weiteren Affen mit ihrem Katana auf. "Die Restlichen versuchen die Vans zu zerstören, aber Perry und die anderen kümmern sich darum", ergänzte Emilia, lud ihre Flinte durch und fing an zu feuern. "Es sind eindeutig Dämonen", meinte ich und schoss weiter. "Lyman Baum hat scheinbar mal einen Abstecher in die Hölle gemacht." Mit vereinter Kraft hatten wir die Anzahl der schimpansenartigen Kreaturen stark dezimiert, als zwei gewaltige Affen landeten, die Zähne fletschten und knurrten. Sie hatten eine gewisse Ähnlichkeit mit Gorillas, wenn Gorillas über zwei Meter groß wären, mit knöchernen Platten an den Unterarmen und riesigen Schwingen. Ich steckte Gladys weg, wechselte den Kaffee in die rechte Hand und zog mit meiner Linken Betsy. "Wie heißt du?", rief ich der Asiatin zu. "Asami", erwiderte sie und zog ihr Schwert aus dem Leichnam eines Dämonen. "Emilia! Du und Asami übernehmt den Linken! Nero, du guckst nach den anderen und sorgst dafür, dass sie abfahrbereit sind." Langsam ging ich auf den rechten Gorilla zu, der mich anstierte und mit seinen gewaltigen Fäusten gegen seine Brust schlug. Ich nahm einen Schluck Kaffee und ließ meine Energie in Betsy fließen, ließ die Patronen in heiligem Licht erstrahlen, während Emilia, die jetzt ihr Bokken in Händen hielt, gemeinsam mit Asami an mir vorbei stürmte. "Hey, du hässliches, haariges Biest!", rief ich dem Gorilla zu. Vermutlich beherrschte er nur rudimentäre Grunzlaute, aber eine Beleidigung erkannte man in fast jeder Sprache. Der Gorilla brüllte hasserfüllt, legte die Flügel an und rannte auf mich zu. Seelenruhig zielte ich, ließ ihn näher kommen, ehe in schnell hintereinander drei Schüsse abgab. Die erste Kugel konnte er mit den Knochenplatten an den Armen abwehren, auch wenn sie eine tiefe Kerbe hinterließ, doch die anderen beiden trafen ihn mitten auf die Stirn. Mit einem abfälligen Grinsen nippte ich an meinem Kaffee und wollte mich zu Emilia und Asami umdrehen, als der Gorilla den Kopf schüttelte, seine Flügel ausbreitete und auf mich zu sprang. Fuck. Klar, Gorillas hatten eine verdammt dicke Schädelplatte, manchmal brauchte man selbst mit großkalibrigen Waffen mehrere Kugeln um einen Gorilla niederzustrecken und das Vieh hier war noch dazu ein Dämon. Das heilige Licht schien ihm zwar größte Schmerzen zu bereiten, aber das stachelte ihn nur noch weiter an. Mehr Zeit blieb mir nicht, denn kaum hatte ich einen Schritt nach hinten gemacht, landete der Gorilla und erwischte mich mit einem Rückhandschlag. Toll, jetzt bekam ich schon eine Zuhälterschelle von einem dämonischen Gorilla. Mein Flug wurde abrupt von einem Baum gebremst und ich spürte, wie mir der immer noch ziemlich heiße Kaffee ins Gesicht spritzte. Wütend sprang ich auf, rammte Betsy zurück ins Holster und knurrte: "Jetzt reicht's! Niemand verschüttet ungestraft meinen Kaffee!" Während ich auf den Gorilla zusprintete, beschwor ich meinen Panzerhandschuh und drückte mich vom Boden ab. Der Dämon hatte gerade noch genug Zeit um ziemlich verdutzt zu gucken, ehe meine gepanzerte Faust ihm ein halbes Dutzend Zähne ausschlug. Er duckte sich, versuchte mich mit seinen riesigen Pranken zu packen, als seine Augen sich plötzlich weiteten. Leblos sackte der Gorilla zusammen und gab den Blick frei auf Asumi, über deren Katana kleine Flammen züngelten. "Ah, eine Feuermagierin", stellte ich fest, ließ meinen Panzerhandschuh verschwinden und lud Gladys und Betsy nach. "Falsch", feixte Emilia und warf sich ihre Flinte über die Schulter. "Sie ist eine Kitsune." Ich musterte Asami aufmerksam und sah den roten Ring um ihre bernsteinfarbene Iris. "Interessant", sagte ich. "Du scheinst eine starke Kämpferin zu sein. Außerdem verlässt du dich mehr auf Schnelligkeit und Kraft, als auf deine Magie." Die Kitsune nickte. "Das stimmt, ich habe einige Jahre gebraucht um meine Kräfte zu beherrschen und habe deswegen lange Zeit ausschließlich mit meinem Schwert gekämpft. Aber als Perry erzählt hat, dass ein Krieg bevor steht, konnte ich nicht untätig rumsitzen. Besonders, wenn der schwarze Engel uns anführt." Ich stöhnte und kramte meine Kippen hervor. "Nennt ihr mich wirklich so?" "Nicht nur sie", warf Emilia ein. "Ich habe mich mit ein paar Leuten unterhalten und besonders unter den Vampiren bist du ziemlich gefürchtet, seit du vier der Ältesten getötet hast. Nath, du bist eine Art urbane Legende. Der schwarze Engel. Das Monster, das Monster tötet." Verlegen grinste ich und zog an meiner Zigarette. Mir war es nie um einen Ruf gegangen, ich hatte doch lediglich versucht das richtige zu tun. Bevor das Schweigen wirklich peinlich werden konnte, war Nero schon wieder zurück, mit blutverschmierten Maul, aber einem zufriedenen Lächeln. "Wir konnten den Angriff zurück schlagen. Ein Affe ist entkommen, aber er ist schwer verwundet. Auf unserer Seite gibt es keine Verluste, nur ein paar Verletzte, um die sich bereits die Magier kümmern. Aber wir sollten schnell hier weg, kann nicht lange dauern, bis die Polizei hier ist."
Auf dem Weg zum Wagen sah ich mich suchend um, bis ich Emilias Bokken entdeckte, mit dem sie den Gorilla an die Wand des Hotels genagelt hatte. Die Waffe war dicker geworden und Wurzeln sprengten fast die Fassade. Faszinierend, anscheinend hatte die Cambion das Bokken Wurzeln schlagen lassen, die auch die Organe des Gorillas komplett zerstört hatten. Asami und Nero warfen sich auf die Rückbank. Zeit um zu den anderen zurückzukehren hatte die Kitsune nicht mehr. Ich hörte aus einiger Entfernung Sirenen, doch als sie beim Hotel eintrafen, war unser kleiner Konvoi schon auf dem Highway.
"Also Asami", fing ich an, "wieso warst du nicht bei den anderen?" Die Kitsune rümpfte die Nase und antwortete: "Der LKW stinkt nach Hund, da musste ich weg. Außerdem hatte ich ein interessantes Gespräch mit deiner Katze." "Ich gehöre ihm nicht", motzte Nero. "Und ich bin ein Kater verdammt. Oder was glaubst Du, putze ich mir hier gerade?" Emilia und ich lachten auf, während Asami peinlich berührt aus dem Fenster sah. Ich schnappte mir mein Headset, schaltete es ein und kontaktierte die anderen. Wir würden den ganzen Tag unterwegs sein, nur zwei Pausen waren eingeplant, kurz nach Sonnenuntergang würden wir unser Ziel erreichen, einen kleinen Ort außerhalb von Orlando, wo wir uns sammeln würden um dem Plan den letzten Schliff zu verpassen. Ich warf einen Blick auf meine Umhängetasche, in der ich das Zepter aufbewahrte. Hoffentlich hatte ich die henochische Anleitung richtig verstanden, denn das Artefakt würde über den Ausgang der Schlacht entscheiden. Ich schob den Gedanken an die kommende Nacht beiseite, drehte die Musik auf und drückte das Gaspedal durch. Lächelnd legte ich meine Hand auf Emilias Oberschenkel, ich sollte versuchen meine letzten Stunden auf der Erde zu genießen.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt