#154

3.1K 346 33
                                    

Ich zögerte nicht eine Sekunde und antwortete: "Deal. Meine Unsterblichkeit, gegen Emilias Leben. Was soll ich tun?" Tod grinste. Naja, eigentlich grinste er immer, doch nun schien dieses Grinsen noch eine Spur breiter geworden zu sein. "kehr zurück in deinen körper, dann erkläre ich es dir." Mit einem Gefühl, als würde ich mir einen großen Stachel aus dem Fleisch ziehen, gab ich dem Ankh nach. Meine Seele wurde geradezu in meinen Körper gerissen und mit einem Keuchen richtete ich mich auf und hustete. Notdürftig wischte ich meine blutverschmierten Hände an meiner Hose ab und stand auf. "Legen wir los", sagte ich. Die Sense in Tods Hand leuchtete grell auf, schrumpfte und verwandelte sich in einen schlanken, reich verzierten Dolch. Er reichte mir die Waffe und ich packte das mit Runen versehte Heft. "Ich muss es rauschneiden?", frage ich leicht verunsichert. Und wieder wurde Tods Grinsen breiter und, auch wenn es schwer zu deuten war, glaubte ich Schadenfreude darin zu erkennen. "nicht ganz. Das ankh würde einfach… nachwachsen, sich erneuern. meine sense kann es zwar vernichten, aber nicht indem du es rausschneidest. Du musst die linien nachritzen, durch alle hautschichten und sei genau. nur der träger kann es tun, es muss eine willentliche entscheidung sein." Skeptisch betrachtete ich den Dolch in meiner Hand, es war eine hübsche Waffe, aber für das, was ich tun musste, eher ungeeignet. "Mit dem Zahnstocher hier wird das nichts", stellte ich fest. "Ich brauche etwas anderes, ein Jagdmesser zum Beispiel. Und wenn wir schon dabei sind, kannst du dich nicht auch verwandeln, wie letztes Mal?" Tod seufzte resigniert, dann schnippte er zwei mal mit den Fingern. Beim ersten Schnippen wurde die Klinge des Dolches kürzer und breiter, die Verzierungen verschwanden und ich hielt ein einfaches Jagdmesser mit bläulich schimmernder Schneide in der Hand. Beim zweiten schrumpfte Tod, der Kapuzenmantel wurde zu einem weißen Kleidchen und Fleisch, Muskeln und Haut wuchsen über die Knochen, bis ein brünettes Mädchen vor mir stand. Nur die Augen waren gleich geblieben, zwei funkelnde Sterne in leeren Augenhöhlen. "Besser?", fragte Tod mit der selben Stimme wie in Vegas. Die Stimme einer alten Frau klang absurd und surreal aus dem Mund eines kleinen Mädchens, aber was war in meinem Leben schon normal? "Zumindest ein wenig", erwiderte ich und zog mein T-Shirt aus. Dann holte ich tief Luft und setzte die Messerspitze an. Leichter als erwartet drang die Waffe ein, fast schon schmerzlos. Das musste ich ausnutzen. Mit schnellen, präzisen Bewegungen ritzte ich die Linien nach, schnitt durch meine Haut, bis ins Fleisch. Langsam setzte der Schmerz ein, nicht nur körperlich, auch seelisch. Ich spürte, wie sich das Ankh von mir löste und sich mit aller Kraft dagegen wehrte. Dann blieb nur noch die waagrechte Linie, ein letzter Schnitt, um Emilia zu retten. Ich biss die Zähne zusammen, bohrte das Messer in meine Haut und vernichtete das Ankh. In der selben Sekunde verspürte ich einen brennenden Schmerz und ein Gefühl, als würde man mir mein Herz aus dem Leib reißen. Das Messer glitt mir aus der Hand, doch bevor es den Boden berührte, flog es zurück in Tods Hand, wo es sich wieder in eine Sense verwandelte, nur dass sie nun viel zu groß wirkte. Ich fiel auf die Knie und presste meine Hände auf die Wunde an meiner Brust. Es dauerte einige Minuten, dann ließ der Schmerz nach und die Wunde begann zu heilen. Wenige Sekunden später war nur noch eine rötliche Narbe zu sehen, die mehr wie ein zu tief gestochenes Tattoo wirkte. Schwankend stand ich auf, am ganzen Körper zitternd. Langsam zog ich mein Shirt wieder an und sah Tod an. "Es ist getan", sagte ich. "Der Zauber ist gebrochen. Jetzt bist du an der Reihe." Tod nickte, streckte eine Hand aus und ein kleiner, rosa Barbie-Rucksack erschien. "Guck nicht so blöd", sagte der Sensenmann. "In meiner normalen Gestalt ist das ein Seesack. Aber du bist ja von meinem natürlichen Teint irritiert." Er streckte die freie Hand raus und zog eine tennisballgroße Kugel hervor, die aus reinem Licht zu bestehen schien, eine wabernde Mischung aus strahlendem weiß und hellgrünen Lichtfäden. Das war also Emilias Seele. Tod hob die Kugel auf Augenhöhe, was für mich gerade mal auf Höhe meiner Brust war und flüsterte: "Reddo, qui a te adimebatur." Die Kugel schoss auf Emilia zu, verharrte kurz über ihrer Brust und drang ein. Die Cambion riss die Augen auf, stieß einen kurzen Schrei aus und sackte wieder zurück. Ich stürzte los, wurde aber von Tod zurück gehalten. Trotz dem zierlichen Körper, war sein Griff fest wie ein Schraubstock. "Halt!", sagte er. "Das ist ein komplexer Vorgang, du darfst ihn nicht stören. Wenn es Komplikationen gibt, könnte es deine Freundin zerreißen. Gib ihr Zeit, in ein paar Minuten wird es ihr besser gehen." Ich riss mich von Tod los, blieb aber stehen und sah zu, wie die Wunde an Emilias Brust begann zu heilen. Der Sensenmann nahm wieder seine ursprüngliche Gestalt an, schulterte die Sense und sah mich eindringlich an. "das ist nicht das letzte mal, dass wir uns sehen. denk immer dran, du schuldest mir was. vielleicht wirst du mir eines tages einen gefallen tun müssen." Ich nickte, mehr war nicht nötig. Der Sensenmann warf mir einen letzten Blick zu, betrachtete Emilia und drehte sich um. "und eins noch: richte leviathan aus, dass ich mich darauf freue ihre seele zu ernten." Dann war er weg, kein Rauch, kein Lichtblitz, der Tod verschwand einfach. Alles in mir schrie danach zu Emilia zu rennen, aber ich musste warten. Unruhig lief ich auf und ab, etwas torkelnd, aber ich konnte nicht einfach still dastehen und abwarten. Rasch untersuchte ich meine Handgelenke, die Schnitte waren gut verheilt, aber die Narben waren dick und wulstig, ich würde einiges erklären müssen. Ich kramte mein Zippo hervor und tastete nach meinen Zigaretten, fand aber nichts. Suchend sah ich mich um, bis ich das Päckchen entdeckte, zwei Meter entfernt am Boden liegen. Bei meinem Gespräch mit Tod musste es mir aus der Tasche gefallen sein. Ich ging rüber, wobei ich, ohne es zu bemerken, das Pentakel verließ. Ich bückte mich und streckte die Hand nach meinen Kippen aus, als mich etwas packte und gegen die Wand drückte. "Das war ja höchst interessant", zischte der Rabisu mit gebleckten Fangzähnen. Er hatte seine blutbefleckten Schwingen ausgebreitet und grinste mich diabolisch an, während er mich an der Kehle gegen die Wand drückte. Meine Füße baumelten knapp über dem Boden und ich versuchte angestrengt meinen Speer zu beschwören. Aber ich war so geschwächt, hatte so viel Blut verloren, dass ich gerade mal ein paar jämmerliche Funken zustande brachte. "Meine Herrin wird hoch erfreut sein, dass du das Ankh nicht mehr trägst", fuhr der Rabisu fort und ich erkannte Kardashiel, den Rabisu aus dem Diner. Hungrig betrachtete er das getrocknete Blut an meinen Armen und meiner Kleidung. "Weißt du, ich könnte dich verwandeln", sagte Kardashiel. "Ich könnte den Menschen in dir töten, dich von deinen Emotionen befreien." "Willst du das wirklich?", fragte ich leise. "Wenn du meine menschliche Seite tötest, werde ich zu deinem schlimmsten Alptraum. Keine Furcht, keine Wut, keine Angst vor dem Tod. Ich würde dich jagen, jeden deiner Art. Euch töten und euch Schmerzen zufügen, die ihr nicht mal in den tiefen des Fegefeuers verspüren könntet." Meine Stimme war kalt und schneidend geworden. "Alles was mir noch bliebe, wäre den Schmerz zu rächen, den ihr mir zugefügt habt. Und wenn ich dazu den Himmel einreißen und die Hölle in Schutt und Asche legen müsste." Für einen Moment schien der Rabisu verunsichert, dann grinste er wieder überheblich. "Ich glaube kaum, dass es dazu kommen wird.", sagte Kardashiel und riss den Mund auf. Doch bevor er zubeißen konnte, drang eine Klinge aus seiner Brust. Überrascht sah Kardashiel nach unten und ließ mich los. Mit einem widerlichen Schmatzen wurde die Klinge aus seinem Körper gerissen und der Rabisu zerfiel zu Staub. Hinter ihm stand Emilia, die ein ellenlanges Messer in Händen hielt. Es bestand scheinbar aus Obsidian, war leicht asymmetrisch geformt und war so schwarz wie es nur möglich war, das Fehlen jeglichen Lichts. Emilia ließ die Waffe fallen und stürzte auf mich zu. Ich zog sie an mich, schlang meine Arme um sie und drückte ihren Kopf gegen meine Brust. Ich spürte wie Tränen meine Wangen hinabrollten, während ein Sturm aus Gefühlen in mir tobte. Dann hob ich Emilias Kinn und sah ihr tief in die Augen. Die Cambion stellte sich auf die Zehenspitzen, ihre Augen leuchteten geradezu. Ich presste meine Lippen auf ihre und küsste sie leidenschaftlich. Als wir uns voneinander lösten, waren wir beide außer Atem. Ich verlor mich in Emilias waldgrünen Augen, sah wie ihr ebenfalls einige Tränen übers Gesicht liefen und wischte sie mit dem Daumen weg. Sanft streichelte ich Emilias Wange und strich ihr die Haare hinters Ohr. "Es tut mir leid", flüsterte ich. "Ich hätte das schon viel früher tun sollen." Ich hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen, lächelte und sagte: "Ich liebe dich, Feuerlöckchen." Die Cambion strahlte und antwortete: "Ich liebe dich auch, mein kleiner Löwe."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt