Als wir aus den Schatten des Kühlschrankes traten, hörten wir die Stimmen der Anderen. Besonders Jack, Marcus und Emilia waren lautstark am diskutieren. "Ihr habt doch keine Ahnung!", sagte Emilia. "Wir brauchen ein kleines Team, schwer bewaffnet. Wir gehen rein, bleiben unauffällig und pusten Leviathan das Hirn Weg." "Vergiss es", sagte Marcus. "Das ist die wichtigste Nacht seit Jahrhunderten. Du denkst doch nicht, dass Leviathan alleine sein wird, oder? Du denkst wie eine Jägerin, aber das wird keine Jagd, sondern eine Schlacht. Wir brauchen eine Strategie. Wir brauchen mehr Leute." Mit gerunzelter Stirn trat ich ins Wohnzimmer. "Eine Schlacht?", fragte ich. "Erst mal sollten wir rausfinden wo Leviathan das Tor öffnen wird." Als Jack mich sah, sprang er auf. "Hast du das Ding?", fragte er mit einem breiten Grinsen. Mit einem ebenso breiten Grinsen klopfte ich auf meine Tasche und erwiderte: "Jep. Der Ausflug war ein voller Erfolg." Nero stellte die Ohren auf und sah mich neugierig an, genauso wie Jasmin, aber ich fuhr fort: "Das Zepter hat eine ziemlich heftige Aura, ich bin mir relativ sicher, dass man es spüren kann, wenn man gezielt danach sucht. Und Leviathan ist alt genug um diese Aura zu kennen. Gehen wir kein Risiko ein." Hexe und Kater ließen die Köpfe hängen. "Wie sieht's aus?", hakte ich nach. "Das Tor zur Hölle. Wo soll die Party stattfinden?" Emilia, die schon bedeutend erholter aussah, deutete mit ausdruckslosem Gesicht auf den Couchtisch, wo eine große Karte ausgebreitet lag. Mit schiefgelegtem Kopf betrachtete ich die Karte, die mir irgendwie bekannt vorkam. Wie etwas, dass ich vor vielen Jahren mal gesehen hatte. Etwas, dass Erinnerungen an lange Warteschlangen und Zuckerwatte in mir weckte. Schließlich fragte ich ungläubig: "Das ist doch nicht… etwa?" "Disneyworld", beendete die Cambion meinen Satz und konnte sich ein Kichern nicht verkneifen. "Der finale Krieg zwischen Himmel und Hölle soll in Disneyworld beginnen." Na gut, es war nicht absurder als alles andere in meinem Leben. "Aber wieso ausgerechnet Disneyworld?", fragte ich, mehr an mich selbst gerichtet. Dennoch sprang Nero auf die Karte und antwortete auf meine Frage. "Auf der ganzen Welt gibt es Orte, die von dunkler Magie durchdrungen sind, Orte die für Rituale geeignet sind, die man sich nicht mal ausmalen will. Aber der Mensch ist von Natur aus nur auf Profit aus, egal zu welchem Preis. Ich meine... Praktisch ein ganzes Land auf Indianerfriedhöfen bauen und hoffen, dass alles gut geht?" Der Kater lachte laut auf. "Idioten. Naja, wie dem auch sei. Dieser Ignoranz ist es zu verdanken, dass an einem Ort, wie er verdorbener kaum sein könnte, erfüllt von dunklen Ritualen und finsteren Mächten, ein Freizeitpark errichtet wurde, der jedes Jahr Millionen von Menschen anlockt." Wieder betrachtete ich die Karte, wobei ich den Kater ein wenig beiseite schon. "Millionen von Menschen", murmelte ich und dachte an den Central Park zurück. Leviathan hatte dort das Potenzial eine Armee aufzustellen, noch bevor ihre Truppen aus der Armee eintreffen konnten. Mit Filzstift war ein kleines X eingezeichnet, beim Magic Kingdom Themenpark. "Da wird die Schlampe das Tor öffnen?", fragte ich Nero. "Genau. Die Magie im Park bündelt sich ziemlich genau auf den Platz vor dem Cinderella-Schloss." Und wieder fiel mir auf, wie surreal das ganze war. Ich hatte wieder die Vision vor Augen, die Haytham mir gezeigt hatte. Brennende Städte, sterbende Menschen. Engel und Dämonen, die ganze Städte in Schutt und Asche legten. Aber ich hatte immer gedacht, es würde in einer solchen Stadt beginnen, nicht in einem Freizeitpark. In einem Freizeitpark mit diversen Seen und einer Fläche von mehr als 15.000 Hektar. "Wir sind zu wenige", sagte ich mit nüchterner Stimme. "Selbst wenn wir uns auf Magic Kingdom konzentrieren, das sind immer noch 43 Hektar." Ich sah Marcus an. "Du bist Ex-Soldat. Du hast recht, wir brauchen eine Strategie. Was meinst du, wie viele Leute wir brauchen? Dabei sollten wir bedenken, dass wir so lange wie möglich unentdeckt bleiben müssen. Das heißt, keine Teleportation, bis wir fast am Ziel sind. Natürlich müssen wir Leviathan stoppen, aber als erstes sorgen wir dafür, dass die Menschen in Sicherheit sind. Dazu muss ich das Zepter hierhin bringen." Ich markierte einem Punkt auf der Karte, einige Dutzend Meter vom Haupteingang entfernt. "Haben wir das erst geschafft, können wir unsere Kräfte voll entfesseln." Ich versuchte grob zu erklären, wie das Zepter funktionierte, aber Henochisch war eine sehr bildhafte Sprache, voller Vergleiche und Metaphern, deshalb gab ich es schnell auf. "Es reagiert einfach auf mich, das ganze hängt von meiner Willenskraft ab", schloss ich das ganze Thema ab und richtete das Wort wieder an Marcus. "Also: Wie viele Männer?" Der Typhokinetiker nahm sich einen zweiten Stift, zeichnete ein paar Markierungen ein und kaute auf seiner Unterlippe rum. Schließlich antwortete er: "Etwa fünfzig. Am besten bewaffnet. Je mehr Männer, desto leichter können wir uns eine Taktik zurechtlegen." "Also gut", sagte ich und stand wieder auf. "Wenn ich noch ein paar Leute auftreibe, kannst du schon mal Strategien zurechtlegen?" Der Magier nickte und Leonie fragte: "Nath, woher willst du spontan fünfzig Kämpfer auftreiben?" Ich grinste schwach und erwiderte: "Ich kenne da einen Hexer, der ganz in der Nähe allen möglichen Kreaturen die Möglichkeit bietet sich auszutoben. Und ich bin mir ziemlich sicher, dass einige davon scharf darauf sind mal wieder Blut zu vergießen." Jasmin schnappte nach Luft. "Ein Hexer?! Nath, bist du wahnsinnig? Diese Wesen sind gefährlich, sie sind nur noch der Abklatsch eines Menschen, gesteuert von verrückten Geistern." Mein Grinsen wurde eine Spur breiter. "Tja, vielleicht bin ich ein bisschen wahnsinnig. Aber der Hexer ist harmlos. Er wird nicht an unserer Seite kämpfen, aber er wird uns auch nicht im Weg stehen. Und die Männer und Frauen da, sind verdammt gute Krieger." Ich wandte mich an Jack und Leonie. "Ihr beiden müsst Weihwasser besorgen. Treibt ein paar Kanister auf. Sucht ein paar Kirchen aus. Jack, du solltest zwar den Kontakt mit Weihwasser meiden, aber wenn du mit Leonie teleportierst, geht es schneller. Meidet Amerika." Ich wollte mich schon in Richtung Treppe umdrehen und meine Waffe holen, als mir noch etwas einfiel. "Ach ja, falls ihr welche findet, Funkgeräte wären auch noch ganz praktisch. Am besten vier oder fünf." Dann lächelte ich Emilia an. "Na Feuerlöckchen, bist du fit genug für einen Ausflug?" Die Cambion lächelte breit, sah auf ihr Shirt und ihre Jeans und sagte: "Gib mir zehn Minten. Ich ziehe mich schnell um, dann können wir los."
Eine Viertelstunde später traten wir in die Kneipe über der Arena. Sie war genauso versifft und rauchverhangen wie beim letzten Mal, mit den gleichen, wild gemischten Gästen. Und wie beim letzten Mal richteten sich alle Blicke auf mich, mit einem kleinen Unterschied. In den Gesichtern der Männer und Frauen war eine Art Respekt zu sehen und sie starrten mich an, während wir uns an einen der Ecktische setzten. Noch während ich Mel, der Werkatze ein Zeichen gab, trat eine kleine Gestalt an unseren Tisch. "Nath!", rief Perry mit dröhnender Stimme. "Hätte nicht gedacht, dass wir uns wiedersehen." Der Kampfmagier drehte sich um und rief "Hey, Mel, bring den beiden Bier", ehe er sich zu uns an den Tisch setzte. "Also Champ, was führt dich her?" Emilia blickte fragend von Perry zu mir, unsicher was sie von der ganzen Sache halten sollte. Perry bemerkte diesen Blick und sagte: "Ah, du hast deiner Freundin wohl nichts von deinem Kampf erzählt." Emilia stubste mich an und fragte lachend: "In was für Sachen hast du dich wieder reinziehen lassen?"
Während Perry ihr von meinem Kampf gegen Taio erzählte, brachte Mel unser Bier und ich leerte den halben Krug, während ich mir die Worte zurecht legte. Als der Magier zu Ende erzählt hatte, trank ich mein Bier aus und sagte: "Perry, wir brauchen deine Hilfe." Nun hatte ich sein Interesse geweckt. "Worum geht es?", fragte er neugierig. "Um das Ende der Welt." Scheiße, ich sollte das ganze vielleicht etwas langsamer angehen. Aber jetzt war es auch zu spät. "Es gibt da einen Dämonin, Leviathan. Sie will einen Krieg provozieren, indem sie die Tore zur Hölle aufreißt. Engel und Dämonen würden ihre Schlachten auf der Erde austragen und ziemlich viele Leute würden deswegen draufgehen. Und das wollen wir verhindern, brauchen dazu aber eure Hilfe." Okay, ich war wirklich verdammt schlecht im überbringen von schlechten Nachrichten. Früher hatte ich ein Medizinstudium angestrebt, aber bei meinem Feingefühl... Ich konnte es mir ausmalen, irgendwann wäre ich auf einen Frau zugegangen und hätte gesagt: "Es tut mir sehr Leid, ihr Mann ist während der OP verstorben. Ist aber eigentlich halb so schlimm, es hat sich nämlich rausgestellt, dass sein Hirntumor doch inoperabel ist. Vermutlich wäre er in zwei Monaten eh gestorben." Perry riss mich aus meinen Gedanken, als er mit großen Schlucken seinen praktisch vollen Krug leerte und sagte: "Ich glaube, wir sollten unten weiter reden. Haytham sollte von der Sache erfahren, er hat das alles aufgebaut." Ohne ein weiteres Wort stand er auf, bedeutete uns mitzukommen und ging auf die kleine Tür zu, hinter der sich die Treppe verbarg. Ich war verhältnismäßig entspannt, Haytham war beim letzten Mal ziemlich vernünftig gewesen. Auserdem hatten wie gemeinsame Interessen, schließlich hingen die meisten hier an ihrem Leben. Und nichts machte das Leben komplizierter als ein Haufen Dämonen und Engel, davon konnte ich ein Lied singen. "Hey, Emilia", flüsterte ich der Cambion zu, die bislang ziemlich still geblieben war. "Was immer du tust, sprich Perry weder auf seinen Namen, noch auf seine Größe an. Ich hab beides getan, fand er nicht so lustig." Sie lachte leise, während der Kampfmagier die Tür öffnete. "Keine Sorge, Klugscheißer. Wir regeln das schon." Ihre Stimme klang dabei so zuversichtlich, dass ich fast ein wenig neidisch wurde. Denn es war egal wie gut wir uns vorbereiten würden, es war egal wie viele wir sein würden. Haytham hatte es gesehen. Es war mir vorherbestimmt die Tore zu öffnen. Es war meine Bestimmung diesen Krieg zu entscheiden. Also war jegliche Vorbereitung Nebensache, letzten Endes würde es auf mich ankommen. Und ich war nicht sicher, ob ich auch nur ansatzweise in der Lage war diesem Schicksal gerecht zu werden.
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...