#102

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Cambion. Mächtige Hybride aus der Verbindung von Mensch und Dämon. Und Emilia war eine von ihnen. Ich schüttelte den Kopf und nahm einen Zug von meiner Zigarette. „Wer ist dein Vater?", fragte ich sie. „Ach komm schon.", meinte sie. „Ich hatte erwartet, dass du das errätst." Ich spürte, dass sie versuchte mich durch Witzeleien zu beruhigen und immerhin ging es hier um Emilia. Auch wenn sie zur Hälfte Dämon war, ich hätte ohne zu zögern mein Leben in ihre Hände gelegt. Auch wenn ich ja im Prinzip unsterblich war. Also laut dem Tod. Und dessen Assistenten. „Na gut.", murmelte ich. „Eine Naturgottheit. Männlich. Besonderer Einfluss auf Pflanzen." Kurz ging ich die mir bekannten Götter durch und blieb beim griechischen Pantheon hängen. „Pan?", fragte ich mit einem Lachen, das kurz darauf zu einem erstickten Husten wurde, als Emilia nur nickte. „Ich dachte der ist... naja... untenrum Ziege." „Nein!", entgegnete Emilia entrüstet. „Soweit ich weiß hat er nur kleine Hörner, aber das war's auch." „Hast du auch welche?", fragte ich neugierig. „Ich weiß woran du denkst, aber deine Flügel hast du auch erst entdeckt, als du deine Macht ohne nachzudenken entfesselt hast. Und das will ich nicht zulassen. Um ehrlich zu sein habe ich noch nie probiert mein volles Potenzial zu nutzen." „Wieso?", fragte ich. „Weil ich nicht weiß, was dann passiert. Seit meiner Kindheit habe ich meine Kräfte nicht gegen Menschen eingesetzt.", sagte Emilia gedankenverloren. „Was wenn ich die, Kontrolle verliere, so wie..." Erschrocken schloss sie den Mund und sah mich aus großen Augen an. „So wie ich.", beendete ich ihren Satz. Ohne es zu wollen kamen die Erinnerungen an San Salvador zurück. An Eduardo und seine Männer. Das berauschende Gefühl, ihre Leben zu beenden. Natürlich hatte Emilia Angst vor ihren Fähigkeiten. So wie ich vor meinen. Aber war das wirklich das Bild, das sie von mir hatte? „Es tut mir leid, Nath. Das war nicht so gemeint.", flüsterte Emilia. „Was tut dir leid?", fragte ich. „Das du Angst davor hast, so zu werden wie ich? Denkst du wirklich, ich sei unberechenbar und das Töten mache mir solchen Spaß?" Ohne es zu merken wurde ich wütend, redete mich in Rage. „Ich spüre die Emotionen der Menschen um mich herum. Ich spüre den Tod von jedem einzelnen Mann den ich töte. Weil das von mir erwartet wird! Seit ich euch in der Akademie gerettet habe, scheint jeder zu erwarten, dass ich die Verantwortung übernehme. Denkst du es sei leicht? Ich habe nie darum gebeten euch anzuführen. An manchen Tage wünsche ich mir, ich wäre nie von diesem Werwolf angegriffen worden, hätte nie entdeckt was ich bin." Noch während ich sprach, zog ich mich an und stopfte ein Päckchen Kippen in meine Hosentasche. Ich bemerkte nicht mal, wie die Schatten auf mich reagierten und es im Zimmer plötzlich dunkler wurde. „Ich habe weitergemacht, weil ich es tun musste, um unsere Freunde zu rächen und um SOL zu stoppen. Aber vielleicht seid ihr ohne mich besser dran!" Wutentbrannt warf ich mein Handy aufs Bett, öffnete das Fenster und sprang. Mitten im Sprung breitete ich meine Flügel aus und stieg in den Nachthimmel hinauf. Kaum war die Villa außer Sicht, fingen meine Gedanken an zu rasen. Hatte ich falsch reagiert? Vermutlich ja, aber das war mir gerade egal, ich wollte einfach mal den Kopf frei kriegen. Ich flog noch etwa eine halbe Stunde ziellos über Havanna, bis ich schließlich in einer Nebenstraße landete. Jetzt brauchte ich erst mal was zu trinken. Schon nach wenigen Metern entdeckte ich einen Club, der nach mieser Techno-Musik, teuren Drinks und leicht bekleideten Mädels aussah. Genau das, was ich jetzt brauchte. Wie erwartet war der Club voll, aber ohne auf die Protestrufe der Umstehenden zu achten ging ich einfach an der Schlange der Wartenden vorbei, direkt auf den Türsteher zu. In Turnschuhen, Jeans und einem schlichten schwarzen Shirt wurde man eigentlich nicht in ein solches Etablissement gelassen, aber ein 100$-Schein änderte die Meinung des Türstehers sofort. Rücksichtslos drängelte ich mich durch die Menge, quer über die Tanzfläche, bis zur Bar. „Zwei Vodka. Ohne Eis.", sagte ich zum Barkeeper, sobald er mich bemerkte und legte 50$ auf den Tresen. Den ersten Vodka kippte ich einfach runter, dann schnappte ich mir den zweiten und sah mich um. Mehr als hundert Leute tummelten sich auf der Tanzfläche, hauptsächlich Jugendliche in meinem Alter. Es wurde eng getanzt, die Luft roch geradezu nach miesem, betrunkenen Sex auf dem Klo. „Was sucht jemand wie du an einem Ort wie diesem?", erklang eine angenehm raue Stimme hinter mir. Ich drehte mich um und erblickte eine junge blonde Frau, die ein enges, rotes Kleid mit tiefem Ausschnitt und dazu passende High Heels trug. Ich gab dem Barkeeper ein Zeichen und dieser stellte kurz darauf einen Caipirinha vor der jungen Frau ab. Ich betrachtete sie neugierig. Sie war hübsch und ein kurzer Check ergab, dass keinerlei magische Aura hatte. Perfekt. „Also.", setzte sie erneut an, nachdem sie an ihrem Drink genippt hatte. „Was suchst du hier?" Natürlich bezog sich das auf mein Aussehen und mein Verhalten. Ich trug schlichte Kleidung und hatte dem Barkeeper eben ein fettes Trinkgeld gegeben. Das hatte sie neugierig gemacht. Ich ihr in die Augen, trank auch den zweiten Vodka und grinste schief. Kurz dachte ich an Emilia, verdrängte den Gedanken aber sofort wieder. „Für den Anfang?", fragte ich und legte weitere 50$ auf den Tresen. „Jemanden, mit dem ich mich betrinken kann." „Du hast Glück, dass du ausgerechnet mich getroffen hast. Ich heiße Samantha." „Nenn mich Nathan.", antwortete ich und orderte die nächste Runde. „Und was suchst du für später?", fragte Samantha mit einem vielsagendem Lächeln, während ihr Blick über meinen Körper glitt. Immer noch grinsend schob ich ihr ein Shotglas mit Tequila zu und sagte: „Das sehen wir, wenn es so weit ist."


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