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In allerletzter Sekunde sprang ich beiseite und schaffte es um Haaresbreite Leonies Angriff zu entgehen. Der Blitz schlug hinter mir in einen Baum ein, dennoch standen mir die Haare zu Berge. "Du musst schneller werden.", kommentierte Leonie und sprang auf mich zu. Geschickt lenkte ich die Spitze ihres Rapiers ab, verkürzte den Schaft meines Speers und rammte ihr den Knauf in den Bauch. Zumindest versuchte ich es. Leonie drehte sich blitzschnell, verpasste mir einen kleinen Schnitt am Oberarm und sprang zurück. Wir kämpften nun schon seit einer halben Stunde, aber irgendwie schaffte ich es nicht, mir einen Vorteil zu verschaffen. Als Leonie nach dem Mittagessen gefragt hatte, ob ich Lust hätte auf ein kleines Sparring, war ich neugierig geworden. In ihren Erinnerungen hatte ich gesehen, dass sie tagelang trainiert hatte, nur unterbrochen von kurzen Pausen zum Schlafen oder Essen. Wenn mich jemand lehren konnte meine Kräfte als Wirt besser zu nutzen, dann sie. Aber langsam wurde es frustrierend. Ich hatte meine Engelskräfte verloren, konnte weder die Schatten kontrollieren, noch meine  Flügel nutzen. Anders gesagt: Ich war unterlegen. Hätte Leonie ernst gemacht, wäre dieser Kampf schon nach fünf Minuten zu Ende gewesen. Ich richtete meine Waffe auf die Wirtin und ein gewaltiger Feuerstrahl schoss auf sie zu. Wieder wich Leonie aus, ohne das geringste Zeichen von Anstrengung. Wütend rammte ich die Klinge in den Boden und ein halbes Dutzend Säulen aus Feuer explodierten um Leonie herum. Rauch vernebelte meine Sicht, der Geruch nach verbrannter Erde hing in der Luft. Ich zog das Schwert wieder aus der Erde und drehte mich langsam. Wo war Leonie? Hatte ich sie getroffen? Die Wahrscheinlichkeit war gering, aber es wäre durchaus möglich. In dem Moment, als ich die Schwertspitze siegessicher ein paar Zentimeter sinken ließ, wurde meine linke Seite von einer gepanzerten Faust getroffen, mit der Wucht eines Meteoriten. Ich krachte schmerzhaft gegen einen Baum und spuckte Blut. Fuck, ich hatte mir auf die Zunge gebissen. Fluchend rappelte ich mich auf und sah mich um. Keine Spur von Leonie, dazu war der Rauch zu dicht. Langsam wurde es mir zu bunt. Mit ein paar gezielten Windstößen fegte ich die Rauchwolken weg und ließ mein Schwert kreisen. Leonie stand nur wenige Meter entfernt, das Rapier auf mich gerichtet. Ihr blondes Haar wehte im Wind und ein schelmisches Grinsen umspielte ihre Lippen. "Das, Nath, ist die Macht eines Wirtes. Dafür habe ich so hart trainiert." Leonies Körper war von einer silbernen Rüstung ohne Helm umhüllt, filigran, figurbetont und doch robust. "Wie hast du das geschafft?", fragte ich staunend. "Das erste Mal habe ich es geschafft sie zu beschwören, als mich eine Hydra in der Hölle angriff. Der Kampf hat ewig gedauert und ich war kurz davor Fenrir zu beschwören, als eine gewaltige Menge Energie durch meinen Körper strömte. Und plötzlich trug ich diese Rüstung. Wenn ich sie trage, bin ich schneller und stärker." "Bring es mir bei!", forderte ich. "Im Grunde ist nicht schwer. Ich habe mich auf Fenrir konzentriert, auf seine Macht, die ich entfesseln wollte. Aber das reicht nicht. Beim ersten Mal lässt es sich nicht erzwingen. Du musst es instinktiv machen, darfst nicht darüber nachdenken." Ohne ein weiteres Wort griff sie an. Ich wollte mein Schwert hochreißen um zu parieren, aber Leonie war zu schnell. Sie schlug mir die Waffe aus der Hand und trat mir gegen das rechte Knie, sodass ich einknickte. Dann richtete sie die Spitze ihres Schwertes auf meinen Hals und stach zu. Alles geschah wie in Zeitlupe, ich spürte einen stechenden Schmerz, spürte auflodernde Flammen. Ich spürte die Hitze in mir, das göttliche Feuer von Aurus. Aber da war noch etwas anderes. Ein tiefe, unglaublich mächtige Dunkelheit. Die Dunkelheit schien das Feuer verschlingen zu wollen, war ihm mehr als ebenbürtig. Instinktiv richtete ich meinen Geist auf diese Kräfte in mir aus, zwang sie dazu sich zu verbinden. Mit einer Bewegung, so schnell, dass sie kaum zu sehen war, riss ich den rechten Arm hoch und packte die Klinge von Leonies Rapier. Meine rechte Hand und ein Großteil des Unterarms waren nun in einen tiefschwarzen, mit Stacheln gespickten Panzerhandschuh gehüllt, der wirkte als sei er teilweise mit meinem Arm verschmolzen. In den Handrücken war ein flammend rotes Juwel eingelassen, von dem aus sich feine, goldene Linien über den Panzerhandschuh zogen, fast wie Adern. Die Finger endeten in Klauen, kurz genug um noch präzise greifen zu können, aber lang genug um schwere Wunden zufügen zu können. Mein Schwert erschien in meiner linken Hand und während ich Leonie ihre Waffe aus der Hand riss, schleuderte ich sie mit einem Windstoß nach hinten. Ich wechselte meine Waffe in die gepanzerte Hand und sah Leonie an. Sie blickte mich mit leicht geöffnetem Mund an, als wäre sie erstaunt über meinen raschen Erfolg. "Du hast es geschafft Partner.", erklang die Stimme von Aurus in meinem Kopf. Ich grinste und sah dabei zu, wie Leonie sich aufrappelte. Ihr Schwert erschien wieder in ihrer Hand und Blitze zuckten über ihre Rüstung. "Bist du bereit für Runde zwei?", rief sie und hob die Hand, in der augenblicklich ein Blitzstrahl erschien. "Bereit wenn du es bist.", erwiderte ich grinsend. Das würde verdammt lustig werden.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt