#103

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Ich wachte auf mit dem schlimmsten Kater meines Lebens. Mein Kopf fühlte sich an als würde er gleich platzen und mein Mund war so trocken, als hätte ich einen Sandkasten ausgeleckt. Schmerzerfüllt blinzelte ich in das grelle Licht der mittaglichen Sonne und hob den Kopf. Miese Idee. Stöhnend griff ich mir an den Kopf und drei Fragen kamen mir in den Sinn. Wo war ich? Was war verdammt noch mal passiert? Und wo zur Hölle war meine Hose?!? Fuck, hatte ich mich abgeschossen, seit meiner letzten Hausparty hatte ich mir diese Fragen nicht mehr gestellt. Ich hatte einen totalen Filmriss, aber auf Frage Nummer 3 fand ich recht schnell die Antwort. Meine Hose lag auf dem Fußboden, zusammen mit meinen restlichen Kleidungsstücke. Während ich mich anzog, betete ich, dass mir niemand auf die Kleidung gekotzt hatte. Dann sah ich mich um. Ich war in einem kleinen Hotelzimmer mit Doppelbett und geschmacklosen Platzdeckchen. Mein Blick wanderte zum halboffenen Fenster und über die Gebäude draußen. Dem Baustil und den lauten Stimmen nach, war ich wohl in der Altstadt Havannas. Ich ging kurz ins Bad, wusch mein Gesicht und trank, und zwar so viel wie im Hahn war. Als ich das Hotel verließ, musste ich mich immer wieder kurz abstützen, da ich sonst zusammengeklappt wäre. Ich versuchte einen klaren Gedanken zu fassen, aber das einzige, woran ich gerade denken konnte, war ein heißer Kaffee und eine Kippe. Ich ließ meinen Blick schweifen und entdeckte ein kleines Eckcafé mit einem Außenbereich. Ohne weiter nachzudenken ging ich rüber und setzte mich an einen der kleinen Holztische und nur wenige Sekunden später stand ein junger Kellner vor mir. Er hatte einen Drei-Tage-Bart, trug eine hochgeschobene Sonnenbrille, ein breites Lächeln und war meiner Einschätzung nach stockschwul. Was mir eigentlich herzlich egal war, aber so wie er sich kleidete und benahm, fiel mir das einfach auf. Der Kellner musterte mich und legte eine Speisekarte auf den Tisch. „Ich nehme einen Kaffee.", sagte ich auf spanisch, was den Kellner zu freuen schien. Diesen Tipp hatte ich schon früh gelernt. Die Menschen waren meistens viel netter, wenn man ihre Landessprache sprach. „Ohne Milch. Zwei Stück Zucker." Ich legte einen Geldschein auf den Tisch und fügte hinzu: „Und außerdem die Sonnenbrille und das Päckchen Camel in Ihrer Brusttasche." Als ich seinen überraschten Gesichtsausdruck sah, sagte ich mit einem verlegen Lachen: „Ich habe den Kater meines Lebens und habe meine Zigaretten wohl alle weggeraucht. Wäre echt cool, wenn sie mir aushelfen würden, mein Schädel fühlt sich an, als würde eine Blaskapelle durch marschieren." Der Kellner lachte auf und reichte mir kopfschüttelnd Sonnenbrille und Zigaretten. Das Geld ließ er unbeachtet liegen. Netter Kerl. Als er ein paar Minuten später mit meinem Kaffee zurück kam, war ich bereits bei Kippe Nummer 3. In Verbindung mit Koffein trug das Nikotin sofort dazu bei, meine Kopfschmerzen zu lindern und gab mir die Gelegenheit endlich mal nachzudenken. Was war gestern nur passiert? Ich erinnerte mich an einen Streit mit Emilia, danach war ich... abgehauen. Hatte mich betrunken. Und zwar mit... verdammt, wie war noch mal ihr Name gewesen? Irgendwas mit S. Sandra? Sonja? Nein, Samantha. Also wahrscheinlich. Was war aus ihr geworden? Hatten wir...? Naja, ich bin nackt in einem Hotelzimmer aufgewacht, also musste ich mir diese Frage wohl gar nicht stellen. Aber wieso war sie einfach abgehauen? Naja, um ehrlich zu sein, hatte ich so was auch schon gebracht, aber nie aus einem Hotelzimmer. Beim Verlassen des Zimmers war mir die Verpackung eines Kondoms aufgefallen, also hatten wir wohl genug Verstand gehabt um aufzupassen. Scheiße, ich musste erst mal meinen Kater auskurieren. Ich stand auf und stellte die inzwischen leere Tasse auf den Schein. Das würde für den Kaffee, die Zigaretten, die Sonnenbrille und ein ordentliches Trinkgeld reichen. Ohne mich von meinem schwulen Kellner zu verabschieden verschwand ich in eine Seitengasse, in der die Schatten tief genug waren. Gerade als ich meine Kippe wegschnippste und in die Schatten treten wollte, packten mich zwei kräftige Hände, drehten mich um und pressten mich gegen die Backsteinmauer. Ein Mann im mittleren Alter knurrte mich an und starrte mich aus blutunterlaufenen Augen an. Er fauchte und schlanke Fangzähne glitten aus seinem Zahnfleisch. Einer der wahnsinnigen Killer, die es nicht mal aushielten bis zum Einbruch der Dunkelheit zu warten und von Schatten zu Schatten huschten um ihren ewig währenden Hunger zu stillen. Aber da hatte er sich das falsche Opfer ausgesucht. Idiot. Ich packte seine Handgelenke, verdrehte sie und stieß den Vampir zurück. Dann griff ich in die Schatten und zog ein schlankes, waberndes Kurzschwert hervor. „Sorry.", sagte ich. „Aber du solltest deine Mahlzeiten sorgfältiger auswählen." Stammelnd starrte die Kreatur auf die Waffe in meiner Hand. „Du...? Wieso...? Schattenmagie!" „Ah, da hat wohl jemand als Kind am Kleber geschnüffelt.", meinte ich und hob die Klinge. „Nein.", sagte der Vampir. „Ich weiß wer du bist! Sie nennen dich den „schwarzen Engel". Auf dich wurde ein Kopfgeld ausgesetzt." Ich legte den Kopf schief und ließ mein Schwert sinken. Tja, war ja eigentlich nur eine Frage der Zeit gewesen. Aber für Verblüffung tat mein Kopf zu sehr weh. „Wer?", fragte ich. Kurz und knapp. Das sollte sogar dieses Prachtexemplar verstehen. „Kann ich dir nicht sagen, ich weiß es nicht. Aber ich kenne einen sicheren Ort. Sicher für... Wesen, die von vielen gehasst werden. Geh zum Hexer, er kann dir vielleicht weiterhelfen." Wesen, die von vielen gehasst werden... Dazu zählte ich wohl auch. Der Vampir zog etwas aus seiner Hosentasche und warf es auf den Boden. Eine Visitenkarte. Aber kaum hatte ich mich gebückt um sie aufzuheben, war der Vampir verschwunden. Diese Halsnuckler waren einfach verdammt schnell. Auf der Karte war ein verschnörkeltes Symbol zu sehen und auf der Rückseite stand eine Adresse. Außerdem ein Name, Haytham. Ich ließ meine Waffe verschwinden und legte den Kopf in den Nacken. Warum konnte ich nicht mal meinen Kater auskurieren, wie ein ganz normaler Teenager? Aber was war bei mir schon normal? Darum würde ich mich als erstes kümmern. Scheiß drauf, Haytham musste bis heute Abend warten.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt