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"Wirklich Nath? Schon wieder?" Überrascht blickte ich auf. Leonie stand vor mir, die Hände in die Hüften gestemmt. "Wie oft hast Du die Waffe inzwischen auseinander genommen?" Nachdenklich betrachtete ich den halb zusammengebauten Colt vor mir auf dem Tisch. "Ich weiß nicht. Vielleicht drei-vier mal. Man sollte seine Waffe kennen." Camael hatte uns eine Hawker 800 XP organisiert, ein Kleinflugzeug mit 8 Sitzplätzen, samt Pilot. Seit zwei Stunden waren wir unterwegs, in etwa vierzig Minuten würden wir landen. Fast schon routiniert setzte ich die Waffe wieder zusammen, lud sie und schob sie in mein Schulterholster. Natürlich gesichert. Während meiner Zeit bei der Akademie hatte ich gesehen wie ein angehender Jäger mit einer ungesicherten Waffe gespielt hatte. Das Ergeniss war ein relativ großes Loch in seinem Fuß gewesen. Deswegen achtete ich immer darauf meine Waffe zu sichern. "Zieh dich lieber schon mal an. Und sag auch Emilia bescheid. Sobald wir landen müssen wir los. SOL überwacht inzwischen vermutlich alle größeren Flughäfen und die Beamten in Nicaragua sind zum Großteil korrupt." Während Leonie in den vorderen Teil der Flugzeugs ging, schlüpfte ich in den Mantel den ich von Camael geschenkt bekommen hatte. Er war aus einer Art schwarzem Stoff, fühlte sich an wie Segeltuch, war aber stabiler und auch dünner. Das beste waren die vielen kleinen Innentaschen. In einer davon steckte ein Päckchen Zigaretten und mein anderes Geschenk von Camael. Ein goldenes Zippo mit kleinen Kerben darauf. Laut Camael war es verzaubert, sodass es immer zu mir zurück kommen würde. Ich überprüfte nochmal den Sitz des Armschützers an meinem rechten Arm und des Messers auf meinem Rücken, dann ließ ich mich wieder in den weichen Sitz sinken. Langsam kamen Leonie und Emilia nach hinten und setzen sich zu mir. "Wie sollen wir vorgehen?", fragte Emilia. Es erstaunte mich ein wenig, dass die viel erfahrenere Magierin mir das Kommando überließ, fügte mich aber in meine neue Rolle. "Wir suchen nach den Kartellen. Das heißt, wir sollten zu den Behörden gehen. Dieses Land ist eher arm, ein wenig Geld dürfte uns alle Türen öffnen". In diesem Moment ging die Tür des Cockpits auf und der Pilot, ein Mann im mittleren Alter mit einem beeindruckenden Schnauzbart schrie:"Rakete! Wir stehen unter Beschuss." Bevor Emilia oder Leonie überhaupt realisiert hatten, war ich schon über den Sitz gesprungen. Wie von alleine rannte mein Körper nach hinten zu den Falschirmen. Ich warf den Mädchen je einen zu, der Pilot trug schon einen. Gerade als ich nach einem weiteren Schirm griff wurde der vordere Teil des Flugzeugs, samt Pilot, von einer Explosion weggefetzt."SPRINGT", schrie ich. Emilia und Leonia drückten sich ab, zogen sich nach draußen, bis sie sich schließlich im freien Fall befanden. Der verblieben Teil der Kabine trudelte in die Tiefe und warf mich durch die Gegend. Ich streckte meine Hand nach dem Fallschirm aus, als ich aus dem Wrack geschleudert wurde. Ohne Fallschirm. Ich wurde um meine eigene Achse gewirbelt, verlor jegliche Orientierung. "GOTTVERDAMMTE SCHEISSE!" Panisch begann ich mit den Armen zu rudern. Ich würde sterben. Wenn ich schon ein beschissener Halb-Engel sein musste, warum konnte ich dann nicht wenigstens Flügel haben? Nichts spektakuläres, nur ein Paar einfache Flügel. Aber nein, ich konnte nur Magie aufsaugen und Schatten durch die Gegend kriechen lassen. Plötzlich raste etwas an mir vorbei. Es war der Pilot. Ein schweres Stück Metall steckte in seinem Kopf, den Fallschirm trug er noch immer auf dem Rücken. Die Chance war gering, aber sie war vorhanden. Mit dem Kopf voran folgte ich der Leiche der Piloten, die Arme dicht angelegt. Ich erreichte den toten Körper und mir gelang es ihm den Schirm abzunehmen. Wieder begann ich zu trudeln. Relativ weit über mir sah ich Emilia und Leonie, die beide ihre Fallschirme schon geöffnet hätten. Dann warf ich einen Blick nach unten. Nur noch etwa 600 Meter. Das würde knapp werden. Meine Finger waren vor Kälte fast taub, dennoch gelang es mir den Fallschirm anzulegen und die Schnallen zu schließen. Dann zog ich an der Reißleine. 300 Meter. Langsam öffnete sich der Fallschirm. 200 Meter. Mit einem Ruck öffnete sich der Schirm endgültig und mein Fall wurde abrupt abgebremst. Dennoch war ich viel zu schnell. Unwillkürlich begann ich zu rechnen. Meine Fallgeschwindigkeit hatte etwas mehr als 180 km/h betragen. Bei der Landung würde ich immer noch etwa 50 km/h draufhaben, was einem Sturz aus 10 Meter Höhe glich. Sehr beruhigend. Und unter mir war nichts als die dichten Baumwipfel. Entweder würden sie mich aufspießen, oder mich abbremsen. Die Wipfel waren nur noch wenige Meter entfernt. Ich zog meine Beine an und hoffte. Der Aufprall tat trotzdem weh. Äste brachen, die nun spitzen Enden bohrten sich tief in mein Fleisch, brachen erneut ab und zerfetzten meine Beine geradezu. Schließlich verfing sich der Schirm und ich hing etwa vier Meter über dem Boden. Ich atmete tief ein, versuchte den Schmerz auszublenden und öffnete die Schnalle. Der Aufprall war mehr als schmerzhaft. Mein linker Knöchel knackste leise und ich fiel auf meine zahlreichen Wunden. "FUCK!", knurrte ich. "Ta ma de!" Ich merkte gar nicht, wie ich ins Mandarin wechselte. Dann zog ich mich zu einem Baum. Während ich mir die Aststücke aus den Beinen zog fluchte ich in etwa einem halben Dutzend Sprachen, besonders schlimm war ein mehr als fingerlanger Splitter, der sich tief in meine Wade gebohrt hatte und dort nochmal zerbrochen war. Fast zehn Minuten brauchte ich um ihn zu entfernen. "Porca puttana!", fluchte ich leise als ich den letzten Splitter entfernt hatte. Nun hieß es warten. Auf meine Freunde und das Verheilen meiner Wunden.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt