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Alles erschien mir wie in Zeitlupe, jedes einzelne Detail stach mir ins Auge. Die Angst in Kendras Gesicht, die grausamen, gelben Augen der Bestie und ihre langen, gebogenen Zähne. Das leichte Glühen zwischen den Schuppen auf ihrer Brust, während sich die Flammen einen Weg nach draußen bahnten. Ich spreizte meine Flügel und erhob mich in die Luft. Gleichzeitig leuchtete die Rune auf meiner Hand auf. Direkt hinter Kendra landete ich, zog die junge Frau dicht an mich und legte meine Flügel um sie, wie ein Kokon aus Federn. Eine goldene Aura ging von der Rune aus, hüllte mich gänzlich ein, gerade als die Wyvern Feuer speite. Das Inferno teilte sich an meinen Flügeln, ohne uns Schaden zuzufügen. Gedämpftes Licht drang durch meine Flügel, überdeutlich sah ich Kendra, die mich mit großen Augen und leicht offenem Mund anstarrte. "Deine Augen... ", hauchte sie. "Du hast goldene Flecken in den Augen und Flügel. Bist du ein Engel?" Ich lächelte sie an. "Höchstens dein spontaner Schutzengel." Die Wyvern klappte ihr Maul zu und sofort erstarben die Flammen. Ich ließ Kendra los und faltete meine Flügel zusammen. Wie gewohnt verschwanden sie einfach. "Geh zum Wagen.", sagte ich ruhig und stand auf. "Aber mach keine raschen Bewegungen. Ich lenke die Wyvern ab." Während ich auf die Wyvern zulief beschwor ich meinen Speer. Die silbernen Symbole am Schaft waren etwas verblasst und auch von der Macht Kusanagis war kaum noch etwas zu spüren. Aber die goldene Aura umgab mich noch, das sollte reichen. Die Bestie kauerte sich zusammen, während ihr Schwanz durch den Sand peitschte, wie bei einer Katze. Ihre Zunge leckte kurz über die spitzen Zähne, kosteten die Luft. Dann wirbelte sie herum und stieß mit dem Stachel nach mir. Statt zurückzuweichen riss ich den Arm hoch und packte ihren Schweif, kurz hinter dem Stachel und verkürzte meine Waffe. Die Klinge beschrieb einen weiten, glühenden Bogen und die Kreatur brüllte schmerzerfüllt auf, als heißes Blut aus dem Stumpf spritzte. Die Wyvern knurrte und schnappte nach mir, blitzschnell sprang ich zurück und zog meine Klinge quer über ihr hässliches Gesicht. Das leicht grünliche Blut tropfte in den Sand, wieder versuchte sie mich zu beißen. Ich rollte beiseite und stach nach ihrem Hals. Die Wyvern zischte, zog sich zurück und schlug mit den Flügeln. Erst dachte ich, sie wolle fliehen, aber dann flog sie auf Kendra zu, die auf halbem Weg zum Wagen stehen geblieben war. Sofort schleuderte ich mein Schwert, dass sich tief in das Bein der Kreatur bohrte. Die Wyvern ließ das kalt, dazu war sie zu wütend. Sie schlug ein paar mal mit den Flügeln, schwebte nun knapp vor Kendra und bog den Kopf nach hinten. Ich sah, oder fühlte viel mehr, wie das Feuer in der Bestie aufstieg. Ohne nachzudenken hob ich den Arm. Schatten krochen an mir hoch, über meinen Körper bis zu meiner Hand und formten eine Kette, die auf die Wyvern zuschoss. Sie wickelte sich um den Hals der Kreatur, die einen verwirrten Laut von sich gab. Ich stemmte mich gegen den sandigen Boden und zog. Physikalisch gesehen war es zwar unmöglich, aber die Gesetze der Natur machten für mich eh öfters eine Ausnahme. Die Wyvern wehrte sich, kurzerhand ließ ich den Stachel fallen, packte die Kette mit beiden Händen und zog noch fester. Wütend brüllend stürzte die Wyvern zu Boden, wobei sie einen ihrer Flügel unter sich zerquetschte. Mit drei kräftigen Flügelschlägen war ich bei ihr. Die Wyvern riss das Maul auf um Feuer zu speien. Blitzschnell hob ich die Hand und verpasste ihr einen wuchtigen Faustschlag. Fuck, ich hatte gerade tatsächlich eine riesige, feuerspeienden Echse geboxt. Ihr Kopf schoss vor, mit einer Rolle nach vorne wich ich aus, schnellte hoch, zog mein Schwert mit einer fließenden Bewegung aus ihrem Bein und drehte mich um. Ein Feuerstrahl badete mich in Flammen, dank der Aura konnte er mir nichts anhaben, aber es reichte um mich zu blenden. Urplötzlich erstarben die Flammen, aber ich brauchte einige Sekunden, bis ich endlich wieder etwas sehen konnte. Ungläubig starrte ich auf das Bild, das sich mir bot. Schwer atmend stand Kendra neben der leblosen Wyvern, der Stachel ,den ich hatte fallen lassen, steckte nun tief im linken Auge der Echse. "Sieht aus, als wäre ich jetzt DEIN Schutzengel.", sagte sie und lächelte. Dann verdrehte sie die Augen und wurde ohnmächtig.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt