"Kannst Du bitte aufhören mit deinem Zippo rumzuspielen? Das Klicken fängt an zu nerven." Schuldbewusst blickte ich auf, steckte das Feuerzeug weg und richtete meinen Mantel. Wir standen vor einem kleinen Motel, nahe der Stadt Estelí, etwa vierhundert Kilometer von dem Hangar entfernt, den wir am Vormittag in die Luft gejagt hatten. Mehrere Stunden hatten wir gebraucht um von den kleinen Pfaden zu kommen, die meist nur aus parallelen Reifenspuren bestanden, zumal wir drei mal Patrouillien des Militärs ausweichen. Inzwischen neigte sich der Tag dem Ende zu, wir beide brauchten eine Pause. Da Emilias militärisch anmutende Kleidung und meine zerfetzte, von Blut verkrustete Jeans und mein ebenfalls verkrustetes T-Shirt, das obendrein Einschusslöcher hatte, nicht besonders unauffällig waren, hatten wir in einer Kleinstadt namens Rosita Halt gemacht und frische Kleidung gekauft. Ich hatte mir eine schwarze Jeans und ein paar weiße T-Shirts gekauft während Emilia jetzt helle Shorts und ein grünes Top trug. Ich schulterte den Seesack und wir betraten das Motel. Von außen hatte es schlicht aber sauber gewirkt, diesen Eindruck erweckte es auch von innen. Hinter der Rezeption saß eine ältere Dame, mit unzähligen Lachfältchen. "Buenas noches.", begrüßte sie uns strahlend. "Mein Name ist Esmeralda, kann ich euch helfen?", sagte sie auf englisch, aber mit starkem Akzent. Um ihr eine Freude zu machen wechselte ich ins Spanische. "Das können sie. Mein Name ist John, das ist meine Freundin Vanessa, wir suchen ein Zimmer für eine Nacht." Esmeralda kramte in einer Schublade und zog einen Schlüssel heraus. "Natürlich, folgt mir.", sagte sie strahlend. Dieses Phänomen kannte ich, vor allem aus Frankreich. Einheimische waren meistens sehr viel hilfsbereiter, wenn man zumindest einige Worte in ihrer Muttersprache rausbrachte. Die alte Dame führte uns eine schmale Treppe hoch und blieb vor einer einfachen Holztür stehen. Sie schloss auf und schaltete das Licht ein. Eine einzelne nackte Glühbirne erhellte das kleine Zimmer mit Doppelbett, zwei Sesseln und einem kleinen Tisch. Eine offene Tür erlaubte den Blick in ein spartanisch eingerichtetes Badezimmer. Eine kleine Dusche, eine Toilette und ein Waschbecken. "Gracias.", sagte ich zu Esmeralda. "Ich würde gerne im Vorraus zahlen. Wir müssen morgen sehr früh los." Bevor sie mir einen Preis nennen konnte zog ich eine 100$ Note aus meinem Mantel und drückte sie ihr in die Hand. Ungläubig starrte die Frau den Schein an. Natürlich war es viel zu viel, aber das Leben in Nicaragua war hart geworden, der Tourismus würde bald erliegen. Außerdem war sie mir sympathisch und es würde sie vielleicht davon abhalten über uns zu tratschen. "Es wäre schön, wenn uns heute Nacht niemand stören würde.", sagte ich, während ich den Arm um Emilia legte. Das hatten wir vorher besprochen. Es war am sichersten als Pärchen aufzutreten. Esmeralda zwinkerte. "Die frische Luft hier bringt dir Liebesgeister in Schwung. Das geht den meisten Touristen so." Sie drückte mir den Schlüssel in die Hand und verließ das Zimmer. Ich schloss ab, dann zog ich meinen Mantel aus und ließ mich aufs Bett fallen. "Ich geh als erstes duschen.", verkündete Emilia und verschwand im Badezimmer. Langsam stand ich auf, zog das Schulterholster aus, entfernte das Magazin aus der 1911 und legte alles auf den Tisch, daneben mein Messer. Dann zog ich eine Kippe aus einem neuen Päckchen, öffnete das Fenster und lehnte mich hinaus. Während ich den Rauch in meiner Lunge genoss und Richtung Sonnenuntergang blies, ließ ich meine Gedanken schweifen. Ich schmiedete Pläne, verwarf sie wieder und versuchte schließlich einfach einen freien Kopf zu kriegen. Nachdenklich betrachtete ich die Rune auf meinem Handrücken. Anders als meine Siegel war die Rune nicht verschwunden, sondern hatte sich lediglich schwarz verfärbt. Ich würde mir Handschuhe besorgen müssen. "Wehe Du drehst dich um!", ertönte Emilias Stimme hinter mir. Ich hörte das Rascheln von Stoff und stellte mir unwillkürlich vor, wie das Handtuch von Emilias noch nassem Körper rutschte. Mit aller Macht schob ich diesen Gedanken beiseite und konzentriere mich auf die Rune auf meinem Handrücken, die langsam wieder an Farbe gewann. "So, fertig." Als ich mich umdrehte saß Emilia halb angezogen auf dem Bett. "Hey, das ist mein Shirt!", sagte ich gespielt entrüstet. "WAR dein Shirt wolltest Du wohl sagen.", erwiderte sie lachend. Es tat gut über etwas anderes zu reden, das spürten wir beide deutlich. Mit einem leisen Seufzen ging ich ins Bad. Rasch duschte ich und zog mich an. Ich vermied den Blick in den Spiegel, ich wusste auch so, das ich extrem fertig aussah und noch mehr Narben hatte als vorher. Beim atmen spürte ich sogar die Kugeln. Dagegen sollte ich vielleicht mal was machen. Als ich aus dem Bad kam schlief Emilia bereits. Ohne es zu merken lächelte ich. Dann deckte ich sie vorsichtig zu. Leise schob ich die Sessel zusammen und schnappte mir die Decke aus dem Seesack. Die Sessel waren nicht sonderlich bequem, trotzdem schlief ich innerhalb weniger Minuten ein.
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...