"Das kann doch nicht dein verdammter Ernst sein!" Emilia sah mich vollkommen fassungslos an, genauso wie Marcus, Kiara und Leonie. Nur Nero, Jasmin und Jack blieben ruhig, immerhin waren die drei in meinen Plan eingeweiht. "Doch", erwiderte ich ruhig. "Es ist der einzige Weg. Niemand anderes kann die Splitter der heiligen Lanze zusammen fügen." "Aber du bist ein Magnet für übernatürliche Probleme. Besonders für Dämonen", warf Kiara ein. "Du bist ein Nephilim, jeder Dämon wird deine Präsenz spüren, sobald du nur einen Fuß in die Hölle gesetzt hast." Ich gab Jasmin ein Zeichen und sie reichte mir einen kleinen Beutel, aus dem ich ein Amulett zog, dass an einem ledernen Band hing. "Deswegen habe ich Jasmin um das hier gebeten", erklärte ich. "Das Amulett unterdrückt meine Aura und verstärkt gleichzeitig die von Aurus. So werde ich zumindest weniger Aufmerksamkeit erregen. Und gleichzeitig wird es die Aura der heiligen Schwerter unterdrücken." "Das ist dein Plan?", fragte Leonie. "Ihr marschiert in die Hölle, sucht die Werkstatt von Azazel, die, nur so am Rande, besser versteckt ist als Balthasars Pornosammlung, und bittet ihn die Heilige Lanze neu zu schmieden?!" Ich zuckte mit den Schultern und nahm einen Schluck Kaffee. "Plan wäre übertrieben. Aber ja, so habe ich mir das vorgestellt. Wenn auch nicht so einfach wie du es darstellst." Nun gab ich Nero ein Zeichen, der eine Taste an meinem Laptop drückte und den Projektor einschaltete. "Alter!", kam es von Marcus. "Hast du allen Ernstes eine PowerPoint Präsentation vorbereitet?" Emilia seufzte nur. "Nath hat einen Hang zu PowerPoint. An der Akademie hat er mal 75 Stunden am Stück in der Bibliothek verbracht und war so übermüdet, dass er allen ernstes eine fünfzigseitige Präsentation darüber gemacht hat, wer in einem Kampf zwischen Peter Pan und dem Weihnachtsmann gewinnen würde." Jack sah mich interessiert an und fragte: "Hast du die Präsentation noch?" "Ich kann dir das ganze verkürzen", antwortete ich grinsend. "Natürlich der Weihnachtsmann. Klar, Peter Pan kann fliegen und ist verdammt geschickt mit dem Schwert, aber entweder hat der Weihnachtsmann Rentiere, die mit 3000-facher Schallgeschwindigkeit fliegen können und somit Peter Pan im Bruchteil einer Sekunde zerfetzen würden, oder er kann die Zeit kontrollieren und hätte es somit noch leichter. Egal wie man es dreht, der Weihnachtsmann würde gewinnen." Jasmin räusperte sich deutlich. Ich stand auf, ging zum Laptop und klappte ihn wieder zu. "Sorry, Nero", sagte ich mit ehrlichem Bedauern in der Stimme. "Nächsten Mal darfst du die Präsentation auf jeden Fall machen, versprochen." Ich stellte meine Tasse hin, zog ein zweites Amulett aus dem Beutel und hielt es hoch. "Nein, nicht nur Jack und ich werden in die Hölle gehen. Emilia, ich würde dich gerne darum bitten uns zu begleiten. Marcus und Kiara fallen weg, diese Amulette können nur Auren verstärken und damit andere überdecken. Aber ihr beide würdet sofort als Menschen enttarnt werden. Jasmin ist zwar eine mächtige Hexe, aber nicht sonderlich kampferprobt. Und Nero… Naja, du bist ne Katze. Also bleibst nur du übrig, Emilia." Die Cambion überlegte kurz, wobei sie an ihren Haaren rumspielte, dann nickte sie. "Alles klar. Aber wie kommen wir in die Hölle?" Nero sprang auf den Wohnzimmertisch. "Das hättet ihr gleich in der Präsentation gesehen, aber dann eben auf die altmodische Art. Es gibt einige Eingänge zur Hölle, viele sind mit einem besonderen Ritual verbunden, das jede Menge schwarze Magie und literweise Blut beinhaltet. Aber es gibt auch kleine Pfade, über die Dämonen in die Welt der Sterblichen gelangen. Solche Pfade nutzen Leviathan, Blathasar und auch Jack. Und genau das ist unser Glück. So winzige Risse kann ein so mächtiger Dämon wie Leviathan nicht benutzen, ohne sich zu schwächen. Deshalb leben wir alle noch. Aber diese Pfade sind schwer zu finden und werden inzwischen vermutlich von Leviathan bewacht. Das Haupttor scheidet ebenfalls aus, da nur tote Sünder es passieren können und es von Zerberus bewacht wird. Klar, aufgrund meiner neuen Gestalt bin ich Hunden gegenüber allgemein etwas misstrauischer, aber mit dem Köter solltet ihr euch nicht anlegen." Der Kater machte eine kurze Pause, leckte sich über seine Pfote und brachte ein paar Härchen an seinem linken Ohr wieder in Position. "Aber nach vielen Stunden Recherche bin ich auf etwas gestoßen. Die Legende von Orpheus. Ein griechischer Held, der in die Unterwelt gegangen ist um seine Frau zu retten. Klar, er hat dabei versagt, aber es ist ein Hinweis über einen versteckten Eingang zur Hölle. Und nach langem Suchen und der Hilfe von Jasmin hab ich ihn gefunden. Ursprünglich war der Eingang in Griechenland, aber die Magie in dieser Welt ist in einem Zustand der ständigen Veränderung. Und wir haben ihn aufgespürt." "Und?", fragte Jack neugierig. "Wo ist er?" Nero verzog die Lefzen zu einer Art Grinsen. "Ayers Rock, in Australien." Marcus meldete sich zu Wort. "Schön und gut, aber wie wollt ihr dahin kommen? Wenn ihr teleportiert, kann man das zurückverfolgen." "Da hätte ich eine Idee", sagte Jack. "Nath, du solltest unbedingt mit dem Höllenhund reden. Er scheint…" "Sie", korrigierte ich. "Nemira." "Sie…", fuhr Jack fort und rollte mit den Augen. "Sie scheint ein ziemlich mächtiger Höllenhund zu sein. Und wenn Nemira tatsächlich aus dem siebten Kreis stammt, oder vielleicht sogar noch stärker ist, beherrscht sie das Schattenreisen." Überrascht sah ich den Dämon an. "Es gibt außer mir noch andere Wesen, die das können?" Jack nickte. "Es ist eine Fähigkeit von Luzifer und so mächtige Höllenhunde stammen meist von Zerberus ab, dem Luzifer sein eigenes Blut zu trinken gegeben hat. Also ja, es besteht die Möglichkeit, dass Nemira uns helfen kann." Ich trank meinen Kaffee aus, stellte die Tasse ab und sagte: "Gut. Ich gehe nach draußen. Jack, Emilia, ihr macht euch fertig, wir treffen uns in zwanzig Minuten draußen. Bringt bitte die Schwerter und die Umhängetasche aus meinem Zimmer mit. Emilia, dass Amulett gebe ich dir in Australien. Auf dich könnte es noch eine andere Wirkung haben, deshalb würde ich gerne noch warten. Jasmin, Leonie, Kiara ihr sichert das Haus, solange wir weg sind, hat Marcus das Kommando." Ohne es zu wollen, nahm meine Stimme einen befehlsgewohnten Ton an. "Nero, ich habe dir am Laptop ein paar Notizen hinterlassen. Es gibt noch ein paar andere Sachen, die du für mich herausfinden könntest. Wir reden sobald ich zurück bin." Mit diesen Worten ging ich in die Küche und verließ das Haus durch den Hinterausgang. Nemira lag hechelnd im Schatten und fraß ein überraschend fettes Schwein. Keine Ahnung, wo sie das her hatte, aber sie wedelte glücklich mit dem Schwanz. Ich erinnerte mich an Jacks Worte von unserer Sauftour. Höllenhunde brauchten nicht viel Nahrung, sie fraßen nur etwa einmal im Jahr, aber das Töten lag ihnen im Blut. Wie mir. Ich ging rüber zu Nemira und kraulte sie hinterm Ohr. Sofort ließ sie von dem Schwein ab und drückte mir ihren Kopf entgegen, was mich beinahe von den Füßen warf. "Na, Kleine?", fragte ich in Gedanken. "Wie geht es dir?" "Es tut gut wieder frische Luft zu atmen", antwortete die Hündin. "Selbst die Luft in der Hölle ist besser als in diesem Käfig. Danke, Nathaniel. Danke, dass du mich befreit hast." Ich ließ mich neben sie sinken und lehnte mich an ihre Seite. So saßen wir einige Minuten da, bis ich die Stille unterbrach. "Nemira, ich muss dir eine Frage stellen und dich vielleicht um etwas bitten." Nemira fletschte die Zähne und gab ein Geräusch von sich, das wie eine Mischung aus Husten und Knurren klang. Ich brauchte einen Moment um zu begreifen, dass sie lachte. "Nathaniel, ich habe zwischen uns ein telephatisches Band geknüpft. Deine Frage leuchtet so hell wie ein Leuchtfeuer. Ja, ich kann durch die Schatten reisen. Und ja, ich werde euch zum Eingang zur Hölle bringen. Und ich werde mitkommen." "Nemi", protestierte ich. "Ich habe dich vor kurzem befreit. Darum würde ich dich nie bitten." Sanft schob mich die Hündin beiseite, stand auf und schüttelte sich. "Ich weiß", sagte sie entschlossen. "Aber ich bin stärker als du glaubst." Lachend sprang ich auf, legte meine Hand an Nemiras Vorderbein und sah Emilia und Jack, die soeben aus dem Haus kamen. "Alles klar", sagte ich, gleichzeitig in Gedanken und mit meiner Stimme. "Auf nach Australien."
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...