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Gelangweilt saß ich auf einem Hausdach und rauchte etwa meine zehnte Zigarette, während ich den Ghulen bei ihrem Mitternachtsschmaus zusah. Beiläufig warf ich einen Blick auf die Uhr an meinem Handgelenk. Keine zwei Minuten mehr, bis die Männer von SOL hier sein würden. Es war an der Zeit loszulegen. Ich stand auf, klopfte mir den Staub von der Hose und warf einen kurzen Blick auf die Stadt hinter mir. Alamo als Stadt zu bezeichnen wäre mehr als übertrieben, der Ort hatte gerade mal um die 1.000 Einwohner. Und war ungefähr 100 Kilometer von Area 51 entfernt. Als ich das Dröhnen eines Motors hörte, schnippte ich meine Kippe weg und sprang vom Dach. Beim Landen beschwor ich meinen Speer und ging auf die Ghule zu, die ich mit Jacks Hilfe hier hergelockt hatte. Crystal Springs, eine Geisterstadt, die nur wenige Meilen entfernt lag,  hatte sich bei der Suche nach geeigneten Orten als ein wahres Nest von diesen Aasfressern herausgestellt. Also hatten wir sie hergelockt, an einen Ort wo sie fröhlich nach Knochen buddeln konnten und hatten einen anonymen Anruf getätigt. Danach war Jack zu den Anderen teleportiert und wartete auf den nächsten Teil unseres Plans. Und ich durfte jetzt ein wenig Spaß haben. Flammen züngelten über den Speer, als ich mit einem kalten Lächeln auf die Ghule zurannte. Die ersten Beiden starben, noch bevor die Restlichen mich bemerkten. Die heiße Klinge durchtrennte mühelos Fleisch und Knochen der Kreaturen, ihre Klauen und Zähne kamen nicht mal in meine Nähe, dazu war ich zu schnell. Der Kampf dauerte keine zehn Sekunden, dann ließ der letzte Ghul den Knochen fallen, aus dem er eben noch das Mark gesaugt hatte, und rannte weg. Mit aller Kraft schleuderte ich meinen Speer, der den Nacken des Ghuls durchbohrte und ihn an einen Baum nagelte. Wie enttäuschend. In diesem Moment hörte ich einen Wagen mit quietschenden Reifen bremsen. Ich zog einen kleinen Gegenstand von der Größe einer Kopschmerztablette aus meiner Tasche, warf ihn mir in den Mund und schluckte. Dann drehte ich mich langsam um und beobachtete, wie vier bewaffnete Männer aus einem Humvee stiegen und auf mich zukamen. Sie trugen sandfarbene Tarnkleidung und hatten sich Sturmhauben über die Gesichter gezogen. "Das hat ja lange gedauert.", sagte ich, während der Speer wieder in meiner Hand erschien. "Die Arbeit hier ist getan. Eigentlich könnt ihr wieder gehen." "Wer sind Sie?", fragte einer der Männer und hob seine Schrotflinte. "Oh, wie höflich. Meistens werde ich Kleiner genannt. Bastard. Oder Abschaum." Ich lächelte immer noch kalt und rammte den Speer in den Boden. "Man könnte doch meinen bei euch wüssten inzwischen alle wie ich aussehe. Immerhin habe ich Dutzende von euch getötet." Einer der Männer stutzte. "Jim, ist das nicht... Du weißt schon, das Halbblut das angeblich Anderson getötet hat." Der, den er Jim genannt hatte richtete die Schrotflinte nun auf mein Gesicht. Hoffentlich würde er nicht voreilig abdrücken, auf große Narben im Gesicht hatte ich ehrlich gesagt keine Lust. "Sanders, hol das Betäubungsgewehr.", sagte Jim. "Du kennst die Anweisungen wenn wir auf Black treffen." Perfekt, es lief alles nach Plan. Der nächste Schritt war einfach: So tun als würde ich mich wehren und mich betäuben lassen. Während einer der Männer zum Wagen rannte, machte ich einen raschen Schritt nach vorne und sprang beiseite, als Jim abdrückte. Eine Schrotkugel erwischte mich an der Schulter, aber das war nur ein Streifschuss. Dennoch tat es verdammt weh. Ich sprang auf, tat als wolle ich flüchten und stolperte absichtlich. Im nächsten Moment spürte ich einen Einstich im Hüftbereich und meine Beine versagten den Dienst, wie auch der Rest meines Körpers. Der Kiesweg näherte sich meinem Gesicht, schneller als es mir lieb war. Der schnellen Wirkung nach zu urteilen, handelte es sich um Etorphin oder ein ähnliches Betäubungsmittel. Dank meiner Natur blieb ich noch lange genug bei Bewusstsein um mitzukriegen, wie sie mir Arme und Beine fesselten und mich in den Humvee schleiften, während sie etwas von einer Gehaltserhöhung sagten. Idioten. Ich brachte gerade noch ein müdes Grinsen zustande, eher bei mir die Lichtern ausgingen.

Als ich wieder aufwachte, lag ich auf einer Pritsche aus Metall und mehrere Neonröhren leuchteten mir voll in die Fresse. Klar, vermutlich wussten sie, dass ich durch die Schatten reisen konnte und wollten nicht das kleinste bisschen Schatten in meiner Zelle zulassen. Langsam schwang ich meine Beine über eine Seite der Pritsche und setzte mich auf. Mein Schädel schien zu explodieren, ich fühlte mich als hätte man mir eine Flasche Vodka eingeflößt und mich anschließend mit ebenjener Flasche verprügelt. Mein Mund war völlig ausgetrocknet, aber hier war nicht mal ein Waschbecken, nur eine Toilette aus Edelstahl. Mit wackeligen Knien stand ich auf und überwand die knapp andernthalb Meter bis zu der dicken Glasscheibe, mit der die Zelle verschlossen war. Meine Zelle befand sich an an einem langen Gang, zusammen mit etwa fünfzehn weiteren Zellen. In jeder saß eine andere Kreatur, von Werwölfen, über Vampire bis hin zu einigen Dämonen. Die meisten trugen Verbände, anderen fehlten sogar Gliedmaßen. Was zur Hölle war hier los? War Area 51 am Ende wirklich eine Forschungseinrichtung? Aber woran wurde hier bitte geforscht? Bevor ich mein lädiertes Hirn weiter anstrengen konnte, trat eine junge Frau in einem weißen Kittel vor meine Zelle. Mausbraune Haare umrahmten ihr eher unauffälliges Gesicht und auf ihrer Nase saß eine Hornbrille, durch die sie mich mit intelligenten, braunen Augen ansah. "Du bist also der Nephilim.", sagte sie mit einer gewissen Aufregung in der Stimme. "Ich kann es kaum erwarten dich genauer studieren zu können."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt