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Auf Anraten meiner Testleser:

Bitte nicht nachmachen. Eure Wunden heilen nicht so schnell wie Naths. Und wenn ich schon dabei bin: Bitte lasst euch nicht von einem Werwolf angreifen, vermeidet Kämpfe mit Engeln und Dämonen und versucht nicht herauszufinden ob ihr unsterblich seid.

Mit schnellen, präzisen Bewegungen sprayte ich die letzte Rune auf den Boden, dann warf ich die Spraydose weg und betrachtete mein Werk. Nachdem ich Emilia auf dem Dach des Empire State Buildings abgelegt hatte, war ich kurz durch die Schatten gereist und war in den Bereich der Security teleportiert, wo alle konfiszierten Gegenstände aufbewahrt wurden. Als ich zwölf war, hatten meine Mum und ich fast zwei Jahre in New York gelebt und ich war allein mit meiner damaligen Schulklasse vier Mal hier gewesen, daher kannte ich mich gut aus. Und da man eben erst das Chaos im Central Park entdeckt hatte, war das Empire State Building geschlossen und schrille Sirenen übertönten die typischen Geräusche der Stadt. Kaum hatte ich mir eine volle Dose mit weißer Farbe geschnappt, war ich aufs Dach zurück gekehrt und hatte begonnen ein Pentakel um Emilia herum zu ziehen. Einen fünfzackigen Stern, der von einem Kreis umgeben war, welcher jeden Zacken berührte. Für die meisten war es ein Zeichen des Satanismus, allerdings war das Pentakel deutlich älter und wurde damals Drudenfuß genannt. Ein mächtiges Symbol um Geister, Dämonen und ähnliches fern zu halten. Waren sie draußen, konnten sie das Pentakel nicht betreten, waren sie drinnen, war es ihnen unmöglich den Kreis zu verlassen. Ich warf noch einen kurzen, kontrollierenden Blick auf die nordischen Schutzrunen, mit denen ich den Drudenfuß ergänzt hatte, dann trat ich in das große Fünfeck in der Mitte, schob Emilia ein wenig beiseite und setzte mich neben sie. Langsam zog ich mein Messer und betrachtete die scharfe Klinge, mit der man sich mühelos hätte rasieren können. Ich schluckte kurz, dann streckte ich den Arm aus und griff nach der Flasche, die neben mir stand. Brennend rann der billige Tequila meine Kehle hinunter. Ich verzog das Gesicht, nahm aber einen weiteren, großen Schluck. Ich spürte die Wirkung ziemlich schnell, so sehr war mein Körper am Arsch. Aber es würde helfen. Ich gab Emilia einen leichten Kuss auf die Stirn, dann hob ich das Messer an mein rechtes Handgelenk. Für den Bruchteil einer Sekunde zögerte ich. Lebensgefährliche Verletzungen hatte ich schon mehrfach erlitten, Selbstmord hingegen war eine ganz andere Sache. Aber ich hatte keine andere Wahl, ich war unsterblich und verzweifelt. Das hier war meine einzige Chance, also nahm ich noch einen weiteren Schluck Tequila und setzte das Messer an. Mit einer überraschenden Leichtigkeit glitt die Klinge durch mein Fleisch, schnitt mühelos durch Haut und Hauptschlagader. Sofort floss Blut, tropfte auf Shirt, Mantel und Hose. Vorsichtig setzte ich das Messer ab, bevor ich mir eine Sehne durchtrennte und wechselte es in die rechte Hand. Der nächste Schnitt war schwieriger, meine Hand wurde langsam taub und war glitschig von all dem Blut. Für einen kurzen Moment zitterte meine Hand und ich schnitt tiefer als geplant, bis auf den Knochen und verursachte eine hässliche, leicht gezackte Wunder. Das Blut spritze geradezu hervor und durchnässte meine Klamotten vollends. Ich sank zurück, legte mich neben Emilia und wartete. Die gewaltigen Kräfte, die mich vor einer halben Stunde noch durchströmt hatten,  waren gewichen, selbst das Schattenreisen war mir schwer gefallen. Meine Selbstheilungskräfte würden das hier vermutlich schnell heilen, aber es musste genügen, sonst musste ich zu drastischeren Mitteln greifen. Ich spürte bereits wie ich müde und schwach wurde, mein Sichtfeld war bereits etwas eingeschränkt. Es dauerte nicht lange, keine fünf Minuten und dank des Alkohols spürte ich kaum etwas. Dann blieb die Zeit um mich herum stehen, der Lärm der Sirenen verstummte und meine Seele löste sich von meinem Körper. Ich konnte jetzt schon spüren, wie das Ankh mich zurückzog, aber ich wehrte mich mit aller Kraft dagegen. Selbst ohne das Ankh würde ich hieran nicht sterben, aber es reichte um an die Schwelle des Todes zu treten. Ich musste keine Minute warten, da erschien Tod vor mir, in seiner normalen Gestalt, mit Kapuzenmantel und Sense. Es war schwer seine Mimik zu deuten, da er im Grunde keine hatte, aber seine Augen funkelten vor Wut, die zwei Sterne, die in den Tiefen seiner Augenhöhle lagen, waren zu Supernovas geworden. Er hob eine knöcherne Hand und meine körperlose Seele wurde gegen den hohen Maschendrahtzaun der Aussichtsplattform gedrückt. "ihr seid alle gleich!", sagte Tod mit vor Wut bebender Stimme. "Anfangs seht ihr die unsterblichkeit als geschenk, doch sobald ihr jemanden verliert, der euch am herzen liegt, wird sie zu eurem fluch." Ich wollte Tod unterbrechen, etwas erwidern, doch ich kam nicht zu Wort. "Hast du eine ahnung wie viel leid du verursachst? Es könnte mir egal sein, jeder muss sterben. ich bin die letzte instanz, für menschen, engel und dämonen, aber ihr unsterblichen reißt alles um euch herum in den Abgrund, unschuldige müssen euretwegen leiden. Ich beobachte das seit vielen tausend jahren und es ist immer das gleiche." Er machte eine kurze Bewegung mit seiner Sense und die durchscheinende Gestalt eines kleinen Mädchens erschien. Das Mädchen aus dem Diner. Ich schluckte und sagte: "Ich weiß. Es ist meine Schuld gewesen. Ich hatte so viele Gelegenheiten, aber habe es nicht geschafft, Balthasar zu töten." Tod schnippte mit den Fingern und ich fiel zu Boden. Dann legte der Sensenmann eine Hand auf die Schulter des kleinen Mädchens und die Gestalt begann zu verblassen. Bevor sie vollständig verschwunden war, richtete sie den Blick auf mich und lächelte. "Es ist nicht deine Schuld", flüsterte sie mit einer Stimme,  die… leer klang. Gleichzeitig, wie die eines kleinen Kindes und die, der körperlosen Gestalt, die sie jetzt war. "Er war ein böser Mann. Und Mami sagt immer, dass böse Menschen irgendwann ihre gerechte Strafe bekommen." Sie verschwand und ich spürte einen Kloß im Hals, obwohl das gar nicht möglich sein sollte. "weißt du, warum ich dir das gezeigt habe?", fragte Tod. Ich nickte, ballte die Fäuste und erwiderte: "Ja, ich soll meine Kämpfe immer zu Ende bringen, denn meine Feinde sind zu allem bereit, nur um mir zu schaden." Ich atmete tief durch und fragte: "Was geschieht mit der Seele des kleinen Mädchens?" Der Sensenmann zögerte einen Moment, dann sagte er: "normalerweise müsste ich ihre seele in den himmel oder in die hölle bringen. Die meisten kinder kommen in den himmel, schließlich haben sie keine schwerwiegenden sünden begangen, aber es gibt immer wieder spezielle fälle, wie den von der kleinen mary. Sie ist rein, aber trotz ihres jungen alters schon voller zweifel. was ihr zugestoßen ist, hat sie nicht verdient, es geschah deinetwegen. ich werde für sie eine ausnahme machen, sie bekommt eine zweite chance. das letzte mal ist das vor über dreihundert jahren passiert, aber ich werde ihrer seele einen neuen körper geben, ein neues leben bei einer neuen familie, ohne all diese schrecklichen erinnerungen." Meine Gedanken überschlugen sich fast. Eine Wiedergeburt war also möglich? Tod hatte tatsächlich Kontrolle über die Seelen der Toten. Wenn er Emilias Seele noch nicht in die Hölle gebracht hatte, gab es also eine Chance sie… Meine Gedanken wurden von Tod unterbrochen,  der auf das Pentakel und auf meinen und Emilias Körper deutete, die regungs- und leblos in der Mitte lagen. "ich weiß,  warum du mich sehen wolltest", meinte Tod. "du willst sie zurück haben, aber das geht nicht. ihre seele ist von geburt an befleckt. ich kann und werde ihr keine wiedergeburt schenken." Ich schüttelte den Kopf. "Darum geht es mir nicht. Ich will ihre Seele in ihrem eigenen Körper.  Ich will die Frau wieder, die ich liebe. Und dafür möchte ich einen Pakt mit dir schließen." Tod legte den Kopf schief, sah mich ein paar Sekunden lang an und brach dann in schallendes Gelächter aus. "du scherzt, oder? das hat wirklich noch niemand versucht. aber du hast mich neugierig gemacht, was hast du denn zu bieten?" Entschlossen antwortete ich: "Was auch immer du willst, solange ich Emilia zurück kriege." Der Sensenmann nickte nachdenklich und kratzte sich am Kopf, was ein grausiges Geräusch verursachte. "du hast wenig, was für mich von bedeutung wäre. irdische besitztümer und macht interessieren mich nicht. allerdings…" Er ging hinüber zu meinem Körper und hob mein Shirt an, bis das Ankh zu sehen war. "je weniger unsterbliche es gibt, desto besser. Mehr von euch bedeuten tod und verderben und somit mehr arbeit für mich." Tod schlug mit dem Griff seiner Sense auf den Boden. "So sei es. nathaniel black, im austausch für die seele dieser frau verlange ich, dass du deine unsterblichkeit aufgibst."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt