Vorsichtig drehte ich mich auf den Bauch, hustete Blut und begann mich langsam aufzurappeln. Azrael, der mich lediglich vorwurfsvoll angesehen hatte, verblasste und im nächsten Moment war Jack da und half mir auf die Füße. Mit seiner Hilfe hievte ich mich auf eine Bank und begutachten die Wunde an meinem Bauch. Sie war bereits dabei zu heilen, aber es würde wohl noch einige Minuten dauern bis ich mich wieder halbwegs normal bewegen könnte. Jack, dessen, mit Handtüchern notdürftig verbundene, Wunde ebenfalls anfing zu heilen, hielt mir eine Karte hin, augenscheinlich ein Stadtplan. "Hier", sagte er mit düsterer Stimme. "Das hat Balthasar auf einen der Tische gelegt." Ich faltete die Karte auseinander und breitete sie auf dem Tisch aus. "New York", stellte ich mit tonloser Stimme fest. "Leviathan ist im Central Park." Schwankend stand ich auf, wobei ich mich ein wenig am Tisch abstützen musste. "Was wird das?", fragte Jack. "In deinem Zustand kannst du niemandem helfen. Lass uns zu den anderen gehen und einen Plan ausarbeiten. Alles andere wäre Selbstmord, wir können alleine nichts ausrichten." "Du unterschätzt mich", knurrte ich. "Und ich werde nicht zulassen, dass noch jemandem etwas passiert. Deswegen gehe ich alleine. Du wirst Nemira holen und zur Villa reisen. Verteidigt sie, zieht Bannkreise, macht sie zu einer magischen Festung. Leviathan will zwar mich, aber es wäre ihr zuzutrauen, dass sie versucht alle zu töten die mir wichtig sind." "Das kannst du vergessen", sagte Jack entschlossen. "Dann komme ich mit dir." Ich machte einen Schritt auf ihn zu, sah ihm in die Augen uns sagte leise: "Du wirst zu den anderen gehen. Erzähl ihnen, dass wir etwas erledigen müssen. Und verteidige sie. Bitte." Der Dämon zögerte einen Moment, dann nickte er er kurz, hob seine Axt und ging Richtung Tür. "Bleib nicht zu lange hier, bald sollten die Polizisten eintreffen. Und… Kleiner?" Ich hob den Kopf und sah Jack an, der zögerlich lächelte. "Mach dir keine Sorge, deinem kleinen Feuerlöckchen geht es gut. Du kannst es schaffen, da bin ich mir sicher. Viel Glück." Mit diesen Worten stieß er die Tür auf und stapfte hinaus in den Schnee. Ich atmete tief ein, bereute es aber sofort. Der metallene Geruch von Blut stieg mir in die Nase, gemischt mit dem Duft von Frühstück. Einen Moment lang kämpfte ich mit meinem Magen um die Pancakes, aber nach einigen Sekunden hatte ich mich wieder im Griff. Langsam stand ich auf, zog meinen Mantel an und beschwor meinen Speer. Ich betrachtete die Leichen, quer verteilt im ganzen Diner, teilweise waren diese Menschen wohl über die leblosen Körper ihrer Freunde und Nachbarn geklettert, in der Hoffnung dieses Massaker zu überleben. Fast schon sanft senkte ich die Speerspitze, bis sie die Stirn eines Toten berührte. Sofort ging die Leiche in Flammen auf. Sobald sie restlos verbrannt war, würde das Feuer auf den nächsten überspringen. Mehr konnte ich nicht für sie tun. Ich konzentrierte mich auf meine Wut, bündel meine Kraft und ging auf die Wand hinter dem Tresen zu. Die Schatten aus dem Raum flossen zusammen, sammelten sich an der Wand und dünne, tentakelartige Auswüchse strecken sich in meine Richtung. Auf dem letzten Meter fing ich an zu rennen und sprang in das Portal.
Im Schatten des American Museum of Natural History tauche ich wieder auf, sah mich kurz um und rannte über die Straße, wobei ich fast von einem Taxi angefahren wurde. Der Fahrer brüllte mir ein paar Beleidigungen in einer arabischen Sprache zu, erweckte aber nicht den Eindruck als wolle er langsamer werden oder gar anhalten. Natürlich, ich hatte gerade mitten im Berufsverkehr versucht eine Straße zu überqueren. Ich lief weiter in den Central Park rein. Kaum hatte ich die ersten Bäume passiert, wurde es leise. Nicht ein wenig leiser, sonder komplett still, was unmöglich war bei einer Stadt wie New York. Es war nicht mal neun Uhr morgens, dennoch waren die Straßen und Wege des Parks vollkommen leer, ich sah nicht mal irgendwo Obdachlose, die auf einer Bank ihren Rausch ausschliefen und das obwohl der Central Park voller Menschen sein sollte. Kinder die hier spielten, Sportfanatiker beim Training für den Marathon und Eltern die hier mit ihren Kindern spielten. All das hätte meinen inneren Alarm zum durchdrehen bringen müssen, aber ich konnte mich nur auf eine Sache konzentrieren. Balthasars Aura, die ich spürte, seit ich den Park betreten hatte. Ich ließ alle Vorsicht fallen und rannte los. Der Dämon hatte auf der Karte einen Punkt beim Jacqueline Kennedy Onassis Reservoir markiert, einem See mit fast 43 Hektar Fläche, ungefähr da, wo das Tennis Center sein sollte. Der Weg würde nicht lange dauern, bei meinem Tempo vielleicht um die zehn Minuten. Doch nach nicht mal zwei Minuten erklang links von mir ein Knurren. Ich wich nach rechts aus, näher in Richtung See. Ich hatte jetzt keine Zeit für niedere Dämonen, ich hatte den Prinz der Hölle zu töten. Doch je näher ich dem See kam, desto lauter wurde das Knurren, bis ich sicher war, dass es aus mehreren Kehlen stammen musste. Als noch ein Schaben, Keuchen und Jaulen dazu kam, kamen die Geräusche nicht nur von links, sondern auch von hinten und vorne. Egal was sie waren, sie wollten mich in einen Hinterhalt locken. Auf einer großen Rasenfläche, nur wenige Meter von See entfernt, blieb ich stehen, beschwor Panzernhandschuh und Speer, verkürzte den Schaft und drehte mich um. Mehrere Gestalten schleichen in den Büschen rings um die Wiese umher, ihre Zahl war schwer zu schätzen, aber es konnten kaum mehr als dreißig sein. In meiner M1911 befand sich ein verlängertes Magazin mit neun Patronen, zwei weitere dieser Magazine steckten in den Innentaschen meines Mantels. Machte genau 28 Schuss, die ich zur Verfügung hatte. Aber ich beschloss Munition zu sparen, stattdessen ließ ich mein Schwert kreisen, schob den rechten Fuß ein wenig zurück und begab mich in Kampfhaltung. Und dann sah ich sie, die fehlenden Menschen, beziehungsweise das, was sie nun waren. Ihre Haut war unangenehm blass geworden und ihre Zähne waren zu langen Reißzähnen geworden. Ihre Fingernägel waren länger und dicker, fast wie Klauen und bei den meisten waren sie blutverkrustet. Viele hatten merkwürdige Auswüchse, ich sah einige mit kleinen Hörnern und Stacheln und eine Frau hatte sogar winzige, verkümmerte Flügel. Aber zu meiner Überraschung spürte ich bei keiner dieser Kreaturen auch nur einen Funken Leben, alles was sie antrieb war dämonische Magie und ein tiefer Hass auf alles Lebendige. Zögerlich kamen sie näher, erst langsam, dann immer schneller und fingen an mich zu umzingeln. "Kommt doch!", knurrte ich. "Denkt ihr, ihr könntet mich besiegen? Ich sollte mir einen Arm auf den Rücken binden, dann wäre es vielleicht ansatzweise fair!" Aber Fairness war mir gerade egal, hier ging es um Emilias Leben. Bevor die Kreaturen den Kreis schließen konnten, sprang ich vor und schwang mein Schwert. Die goldene Klinge spaltete den Körper der ersten Kreatur, von der rechten Schulter bis zur linken Hüfte. Kaltes Blut spritzte mir entgegen und nicht einmal die Tatsache, dass es sich um einen Teenager gehandelt hatte, hielt mich noch zurück. Ich geriet in einen Blutrausch. Mein Schwert bewegte sich unaufhörlich, raubte ein untotes Leben nach dem anderen. Ich wirbelte herum, duckte mich unter dem Hieb einer klauenbewehrten Hand weg, enthauptete ein weiteres Biest und schleuderte einen Feuerball in die Dämonenmenge. Die Wut in meinem Körper stieg immer weiter an, jedes dieser Viecher stand zwischen mir und Emilia. Meine Hand umfasste den Griff meines Schwertes, als silberne Symbole auf der Klinge erschienen. Ein wütender Schrei drang aus meiner Kehle, und ich schwang mein Schwert mit einer Geschwindigkeit, die mich selbst überraschte. Die restlichen Bestien wurden praktisch gleichzeitig von Lufklingen zerfetzt und gingen kurz darauf in Flammen auf. Leicht außer Atem ließ ich mein Schwert sinken und warf einen flüchtigen Blick auf die Toten. Männer, Frauen, Kinder. Sie waren mutiert, aber vor kurzem waren sie noch Menschen gewesen. Und dennoch hatte ich sie ohne Skrupel getötet. "Das war gar nicht übel", erklang eine Stimme hinter mir. Balthasar. Ich wirbelte herum, schätzte im Bruchteil einer Sekunde den Schmerz ab und katapultierte mich mit einem Windstoß in seine Richtung. Der Dämon stolperte überrumpelt zurück und griff nach seinem Schwert. Blitzschnell verlängerte ich meine Waffe wieder zu einem Speer und schleuderte diesen mit aller Kraft. Die glühende Spitze zerfetzte Balthasars Schwerthand und mit einem schmerzerfüllten Schrei ließ er die Waffe fallen. Gleichzeitig landete ich kurz vor ihm, rollte mich geschickt ab und donnerte ihm meine gepanzerte Faust mitten ins Gesicht. Balthasar flog durch die Luft, krachte gegen einen Baum und sackte zu Boden. Rasch hob ich sein Schwert und meinen Speer auf und rannte zu dem Dämon. Gerade als er versuchte sich aufzurappelt, holte ich aus und trieb den Speer mitten durch Balthasars Brust, bis tief in den Boden. Wieder schrie der Dämon und schleuderte einen Blitz nach mir. Meine Siegel glühten kurz auf, dann packte ich Balthasars Schwert mit beiden Händen und nagelte seinen Arm am Boden fest. "Du mieser, kleiner Bastard, dafür werde ich dir die Eingeweide ausreißen lassen! Wie kannst du es wagen Blutdorn, mein eigenes Schwert, gegen mich zu benutzen? Ich werde dir die Haut abziehen lassen." Mit einem weiteren Faustschlag brachte ich den Prinzen der Hölle zum Schweigen und packte den Speer mit beiden Händen. "Wo ist Emilia?", fragte ich mit kalter Stimme. Balthasar lachte dreckig und spuckte einen Zahn ins Gras. "Du wirst sie nicht finden, Bastard." Ich schlug ihm erneut ins Gesicht, dann ließ ich die Klinge aufglühen, sofort fing der Dämon wieder an zu kreischen und der Geruch von verbranntem Fleisch stieg mir in die Nase. "Wo ist Emilia?", fragte ich erneut und begann den Speer zu drehen, sodass er die Wunde in Balthasars Brust vergrößerte. Dieser ließ den Kopf ins Gras sinken und ich machte mich schon bereit die Hitze erneut zu steigern, als ein glockenhelles Lachen erklang. Kampfbereit, aber unbewaffnet drehte ich mich um, während meine Hand schon in Richtung Schulterholster glitt. Doch kaum sah ich wer da vor mir stand, ließ ich die Pistole stecken. "Nathaniel Black", schmunzelte Leviathan, die Emilia wie einen Schutzschild vor sich hielt und ihr ein langes, schlankes Messer an die Kehle hielt. "Der schwarze Engel. Ich wusste du würdest kommen. Für deine Freunde würdest du alles tun." Die Fürstin des Westens trug die selbe Uniform wie letztes Mal und streichelte Emilia sanft übers Haar. "Lass Emilia gehen!", rief ich und überlegte fieberhaft. Mit einem Ruck riss ich den Speer aus Bathasars Körper und verpasste ihm einen Tritt gegen den Kopf, der ihn ins Reich der Träume beförderte. "Schließ dich mir an!", rief Leviathan. "Du bist nicht nur Luzifers Sohn und der Wirt von Aurus, du besitzt auch die Kräfte von Ziz, einem der großen Drei. Du hast Macht über die Winde, kannst Orkane, Sturmwinde und Tonados beschwören. Und ich gebiete über das Meer und alles was darin lebt. Die Welt würde vor uns erzittern. Stell dir nur vor, was wir alles tun könnten! Wir könnten den Krieg in einem einzigen Tag beginnen und gewinnen!" Langsam lief ich auf die Dämonin zu. Möglichst bald sollte mir ein Plan einfallen, sonst würde das knapper werden als gedacht. "Ich nehme nicht an, dass du den Film 'Sharknado' gesehen hast, oder?", erwiderte ich um Zeit zu gewinnen. Leviathan runzelte missmutig die Stirn und der See hinter ihr geriet in Unruhe. "Ich weiß nicht was deine Antwort bedeuten soll", meinte sie. "Aber ich vermute mal, du weigerst dich immer noch dich mir anzuschließen." Ich zögerte mit der Antwort, doch dann sah ich in Emilias Augen. Die Cambion sah müde aus, angekämpft, vermutlich hatte sie versucht gegen Leviathan zu kämpfen und dafür große Schmerzen erdulden müssen. Aber ihre waldgrünen Augen strahlten eine Wärme und Zuversicht aus, ihre ganze Körperhaltung war noch immer so kämpferisch. Ich musste es schaffen, ich musste Leviathan besiegen. Ich schloss die Augen, konzentrierte mich auf Emilias Augen, auf meine Gefühle für sie und verdrängte alles andere aus meinem Kopf. Nichts anderes war jetzt wichtig, nur Emilia. Als ich die Augen wieder öffnete, war das linke pechschwarz und das rechte golden. Mitternachtsschwarze Schwingen brachen aus meinem Rücken und ich schoss auf Leviathan und Emilia zu. Gerade als ich mich abstieß, trat Emilia der Dämonin vors Schienbein und versuchte sich aus ihrem Griff zu winden. Kurz bevor ich sie erreicht hatte, geschah es. Leviathan riss Emilia an den Haaren zurück, drehte sie um und stieß ihr das Messer tief in die Brust. Noch in der selben Sekunde war ich bei ihnen, schleuderte Leviathan mit einem Windstoß hinaus auf den See und fing Emilia, wobei ich den Speer fallen ließ. Vorsichtig landete ich und hielt Emilia in meinen Armen. Die Cambion hustete, wobei ein Schwall Blut über ihre Lippen kam. Sie machte den Anschein als wolle sie etwas sagen, aber ich brachte sie zum Schweigen und fing sofort an einen Heilzauber zu wirken. "Nicht sprechen, Süße. Keine Sorge, wir schaffen das." Ich verstärkte den Zauber, aber es half nicht. Das Blut wurde immer mehr und die Wunde ließ sich einfach nicht schließen. "Es tut mir leid", brachte Emilia mühsam hervor. "Ich hätte kämpfen sollen." Sie hustete wieder und noch mehr Blut drang über ihre Lippen. "Es wird alles gut", log ich, wobei mir dir ersten Tränen die Wange hinunter rollten. Emilia versuchte ein leichtes Lächeln zustande zu bringen und hauchte mit letzter Kraft: "Nathaniel Black, ich…" Ihre Augen schlossen sich und ihr ganzer Körper wurde schlaff. "Ich dich auch, Emilia Cruz…", flüsterte ich und drückte ihren Körper an mich, wobei Tränen auf ihr Gesicht tropften. Ich hatte versagt. Dank meiner Engelsinne hatte ich es so deutlich gespürt, als sei ich an ihrer Stelle gewesen. Emilia war tot.
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Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...