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Herrin des Westens? Wer war das schon wieder? Der Dämon ging zum Altar und zog einen Kelch aus den Tiefen seiner Kutte, den er mit dem Blut des Priesters füllte. Dann ging er zurück zu den Rissen und begann das Blut auf die Erde zu gießen, während er in einer mir unbekannten Sprache vor sich hin murmelte, vermutlich eine magische Formel. Es klang wie ein wütender, knurrender Wolf mit Kehlkopfkrebs und Raucherlunge. Schließlich war der Kelch leer und der Dämon trat zurück. "Verzeih mir junger Jäger, leider kann ich nicht bleiben und dir beim sterben zusehen. Balthasar streut Gerüchte über einen Nephilim, allerdings will er ihn selber erledigen. Das kann ich nicht zulassen. Wenn ich meiner Meisterin diesen Bastard bringe wird sie mich reich belohnen. Viel Spaß mit ihren Söhnen." Er schnippste mit den Fingern und verschwand, bevor ich ihn darauf hinweisen konnte, dass besagter Nephilim genau vor ihm lag. War vielleicht besser so, denn in diesem Moment drang ein hellgrünes Glühen aus den Rissen und je ein Paar skelettene Hände tasteten nach den Rändern. Ich stieß einen Fluch aus, bei dem Jack vor Scham noch röter geworden wäre als ohnehin schon und kroch in Richtung meiner Knarre. Bei dem Anblick der sich mir bot hielt ich aber gebannt inne. Stück für Stück zogen sich drei menschliche Skelette an die Oberfläche, schüttelten sich schließlich die Erde von den vergilbten Knochen und starrten mich aus ihren leeren Augenhöhlen an. Ich konnte beobachten wie sich Muskeln über die blanken Knochen zogen, bis schließlich drei Männer mit gräulichem Fleisch vor mir standen. Sie trugen zusammengewürfelte Rüstungen aus diversen Epochen und hielten schartige Langschwerter in ihren Händen. Jeder von ihnen war fast einen Kopf größer als ich und ihre Augen glühten in einem unheimlichen Gelb, als sie langsam auf mich zukamen. Ihre Bewegungen wirkten noch etwas ungelenk, dass konnte ich vielleicht zu meinem Vorteil nutzen. Schwankend stand ich auf, versuchte den stechenden Schmerz in meinem Bein zu ignorieren. "Aurus", sagte ich, während ich meinen Speer beschwor. "Jetzt wäre ein guter Zeitpunkt um dein Schweigen zu brechen und vielleicht meine Schmerzen zu blockieren. Was sind das für Dinger? Von sowas habe ich noch nie gelesen." Sofort ließ der Schmerz nach und eine Sekunde später erklang die Stimme des Gottes in meinem Kopf: "Ich weiß es nicht. Selbst ich habe nur Legenden über sie gehört." "Was sind 'sie'?", fragte ich, während ich mich langsam zurück zog, bis ich eine Wand im Rücken hatte. "Soldaten, erschaffen aus den Zähnen eines Drachen." Einer der Krieger sprang auf mich zu und schwang sein Schwert. Ungelenk am Arsch. Elegant wich ich aus und rammte ihm die Speerspitze in den Hals. Mit einem gespenstischen Grinsen packte der Soldat den Schaft des Speers und stach nach mir. Diesmal gelang es mir nur um Haaresbreite seinem Angriff zu entgehen. Mit einem kräftigen Ruck entriss ich ihm meine Waffe und sprang beiseite, wobei ich fast in meinem eigenen Blut ausrutschte. Gerade noch rechtzeitig, denn im selben Moment prallten die Schwerter der anderen laut klirrend gegen die Wand, genau da, wo eben noch mein Kopf gewesen war. Langsam ging ich durch die Bankreihen, darauf bedacht alle drei im Blick zu behalten. Dann hob ich den Speer und ein gewaltiger Feuerstrahl verschlang einen von ihnen. Das schien die Kreatur nur noch wütender zu machen, brüllend rannte sie auf mich zu. Nahezu unzerstörbare Soldaten, entstanden aus eingepflanzten Zähnen der 'ewigen Schlange'? Irgendwo hatte ich sowas ähnliches doch schon gelesen. Ich rannte dem Krieger entgegen, wirbelte meinen Speer über den Kopf und schlug ihm mit einem wuchtigen Hieb das Bein ab. Die anderen beiden rannten auf mich zu, rasch wich ich zurück. Doch statt mich anzugreifen, stellten sie sich schützend vor ihren Kameraden, der knurrend am Boden lag. Das Bein zerfiel zu Staub, der in Richtung des Stumpfes schoss und sich wieder zu einem intakten Bein zusammensetzte und im nächsten Moment stand der Soldat wieder. "Gib auf.", sagte er mit einer krächzende Stimme, bei der mir ein Schauer über den Rücken lief. "Selbst der Träger der göttlichen Flamme hat nicht die Macht uns zu vernichten. Wer uns sät, der beschwört einen unaufhaltbaren Sturm." Säen. Natürlich, warum war ich nicht gleich darauf gekommen. Ein griechischer Epos handelte von Cadmus, dem König von Theben. Mr. McRoys Worte vielen mir wieder ein: 'Jede Legende enthält einen wahren Kern.' Cadmus hatte einen Drachen getötet und dessen Zähne ausgesät, aus denen nahezu unbesiegbare Krieger gewachsen waren. Die Sparten. Der Dämon hatte zwar von den Zähnen einer Schlange gesprochen, aber die antiken Griechen hatten da vermutlich keinen großen Unterschied gemacht. Soweit ich mich erinnerte hatte Cadmus ein Juwel zwischen sie geworfen hatte, woraufhin sich die Sparten gegenseitig getötet hatten. Tja, die Wahrscheinlichkeit, dass ich in dieser Kirche ein Juwel finden würde war nicht sonderlich groß, eher würde ein Vampir auf Tomatensaft umsteigen. Außerdem beschlich mich das ungute Gefühl, dass dieser Teil der Legende nicht ganz stimmte. Mit erhobenen Waffen kamen die Sparten auf mich zu, zwei von ihnen machten einen Bogen, um mich in die Zange zu nehmen. So langsam sollte ich mir etwas einfallen lassen.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt