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Leise fluchend rappelte ich mich auf und klopfte mir Staub und Sand von der Kleidung. Wenigstens hatte ich die Geistesgegenwart besessen den Mund zu schließen. Ich griff in eine meiner Innentaschen und zog das komplett zerdrückte Päckchen Kippen hervor. Die meisten waren zerbrochen, aber eine der Zigaretten war einfach nur ziemlich verbogen, aber immerhin noch rauchbar. Ich kramte mein Zippo aus der Hosentasche und zündete sie an. Der heiße Rauch in meiner Lunge trug sehr dazu bei meine Nerven zu beruhigen. Dann sollte ich mal langsam zurück. Ich schloss die Augen und tastete mit meinem Geist nach den Schatten. Verwirrt runzelte ich die Stirn. Etwas stimmte nicht. Ich spürte die Schatten nicht und nun fiel mir auf, dass ich auch den Strom der Magie nicht mehr wahrnahm. Vielleicht wieder eine Nachwirkung der Betäubung oder einer Droge. Ich stieg auf den kleinen Hügel um mir einen Überblick zu verschaffen. Sand und Gestein, soweit das Auge reichte. Dann entdeckte ich etwas, nur wenige Kilometer entfernt. Ein kleines Gebäude. Ein Grinsen stahl sich in mein Gesicht. Ich lief los und nach nicht mal einer Stunde war ich da. Das Gebäude entpuppte sich als Diner und zum Glück hatte es geöffnet, auch wenn nur ein einzelner Pickup davor stand. Immerhin wurde bald die Sonne aufgehen. Ein Glöckchen ertönte, als ich die Tür aufstieß. Es war klein, gerade mal ein halbes Dutzend Tische waren im Raum verteilt, zwei Kellnerinnen wischten die Tische. Eine männliche, vor sich hin summende Stimme war aus der Küche zu hören, wahrscheinlich der Koch. Da ich keinen Schimmer hatte wo ich war, schwieg ich erst mal. "Hallo.", sagte eine der Kellnerinnen, eine hübsche junge Frau mit blonden Locken. Auf englisch, mit einem deutlich amerikanischen Akzent. Ich lächelte freundlich, dann fiel mein Blick auf die Aschenbecher auf den Tischen. "Guten Morgen.", grüßte ich und setzte mich an einen der Tische. "Ich hätte gerne ein Glas Wasser, eine Tasse Kaffe und, wenn ihr welche da habt, ein Päckchen Kippen." Die junge Frau, auf ihrem Namensschild stand 'Maggie', musterte mich kurz und kehrte kurz darauf mit einem Glas, einer Tasse und einer Schachtel Lucky Strike zurück. Das Wasser trank ich auf ex, so ausgedörrt war meine Kehle. Dann nahm ich einen Schluck Kaffe und zündete mir eine der Luckys an. "Also.", setzte Maggie an. "Was führt jemanden wie dich an den Arsch der Welt, ohne Wagen und mit staubiger und blutverschmierter Kleidung." Ich überlegte kurz, dann sagte ich: "Um ehrlich zu sein erinnere ich mich nicht. Das letzte was ich weiß ist, dass ich betäubt und verschleppt wurde. Und vor knapp einer Stunde bin ich hier in der Nähe aufgewacht." Ein derbes Lachen drang aus der Küche und eine Minute später kam der Koch an meinen Tisch. Er war klein, fast einen Kopf kleiner als ich und hatte ein Bäuchlein, aber seine Oberarme zeugten von jahrelanger, körperlicher Arbeit. Lächelnd stellte er einen Teller mit Rührei und gebratenen Würstchen vor mir ab. "Geht aufs Haus.", sagte er freundlich. "Du bist nicht der erste und sicherlich nicht der letzte, den Vegas in den Arsch fickt. Entweder haste ein Casino ausgenommen, oder viel zu hoch verloren. Du bist noch in Nevada, aber einige Autostunden nördlich von Las Vegas. Aber egal, iss erst mal." Ich kramte in einer Manteltasche und zog ein Geldbündel hervor. "Kommt nicht in Frage.", sagte ich bestimmt und legte eine 20$-Note auf den Tisch. "Meine Mum hat mal in 'nem Diner gearbeitet. Ich weiß wie hart das sein kann." Wieder lachte der Koch und zündete sich eine Zigarette her, während ich mich hungrig über das köstliche Essen her machte. Dann sagte ich: "Danke, aber ich glaube ich sollte langsam los." Maggie lächelte mich an, dann verschwand sie im Hinterzimmer und kehrte kurz darauf mit einem dunkelgrünen, etwas verschlissenem Rucksack zurück, den sie neben mich stellte. "Das Zeug hat meinem Ex gehört. Er war ein Arsch, aber die Sachen dürften passen. In dieser Kleidung solltest Du nicht in die Öffentlichkeit gehen." Ungläubig sah ich sie an. "Wieso?", fragte ich. Die junge Frau zuckte mit den Schultern. "Du wirkst nett. Ich habe schon einige Arschlöcher getroffen, aber Du gehörst nicht dazu. Egal was du getan hast. Im Vorratsraum kannst du dich umziehen." Dankbar lächelnd stand ich auf, schnappte mir den Rucksack und ging durch die Tür, auf die Maggie gezeigt hatte. Im Rucksack befand sich ein schlichtes schwarzes Shirt und eine leicht verschwaschene, graue Jacke. Als ich mich umzog fiel etwas aus meinem Mantel. Es war die Kette mit dem Rabenanhänger. Ich betrachtete sie kurz, dann legte ich mir die Kette um und schlüpfte in Shirt und Jacke. Zu meiner Überraschung passten mir die Klamotten wie angegossen. Den Mantel und das schmutzige Shirt faltete ich zusammen und stopfte die Sachen in den Rucksack. Obendrauf kam das Holster und meine 1911er. Ich wollte gerade zurück gehen, als mein Blick auf ein Fenster in Kopfhöhe fiel. Ohne zu zögern schnappte ich mir zwei Flaschen Wasser und einige Schokoriegel, warf ein paar Geldscheine auf den Boden, dann kletterte ich aus dem Fenster. Ich schulterte den Rucksack, dann lief ich los. Noch war es dunkel, das würde meine Flucht verschleiern und sollte SOL hier aufkreuzen, würde das meine Spur zumindest ein wenig verwischen. Ich war vielleicht eine Stunde unterwegs, als hinter mir Motorengeräusche erklangen. Besser gesagt das Schnurren eines V8 Motors. Ich drehte mich um und erblickte einen pechschwarzen 67er Impala, bedeckt vom Staub der Straße. Ich wollte weitergehen, als der Wagen neben mir stehen blieb. Das Fenster wurde runtergekurbelt und eine bildhübsche junge Frau musterte mich lächelnd. Ihre Augen waren grün, mit einem faszinierenden blauen Ring um die Iris und ihre Haare hatten fast die selbe Farbe wie ihr Wagen, nur ohne Staub. "Wohin des Weges?", fragte sie in einem spöttischen Tonfall. "Kommt drauf an wo du hinfährst.", sagte ich. "Süden. Über Las Vegas nach Los Angeles." Vegas. Die Stadt der Sünde. Irgendwie passend. "Ich heiße Nath.", sagte ich, während ich einstieg. " Ich bin Kendra.", erwiderte die junge Frau, dann gab sie Gas. Das konnte ja lustig werden.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt