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Genervt schnippte ich das Zippo auf und zündete mir die nächste Zigarette an. Der Boden um mich herum war gespickt von ausgedrückten Stummeln. Viel mehr konnte ich im Moment ja nicht tun. Seit fast einer Stunde wartete ich auf die Mädchen. Einer der Äste hatte eine Sehne völlig zerfetzt, sodass die Heilung mehr als eine halbe Stunde in Anspruch genommen hatte. Ich konnte zwar wieder laufen, aber ich hatte keine Ahnung wohin ich gehen sollte, ich hatte keine Karte und selbst wenn ich eine gehabt hätte, ich wusste nur, dass ich im Norden Nicaraguas war. Eine Zeit lang war dieses Gebiet bei Backpackern sehr beliebt gewesen, aber die steigende Aktivität der Kartelle hatte dem ein Ende bereitet. Die Regierung hatte Truppen in den Norden geschickt, aber die Armee war schlecht ausgebildet und konnte nichts erreichen. Hier herrschte praktisch Anarchie. Langsam stand ich auf, testete die Belastbarkeit meiner Beine. Ich war wieder fit. Ich richtete meinen Mantel und ging los. Einfach in eine Richtung, das war das sicherste. Leider konnte ich den Mädchen kein Zeichen geben. Aber das würde vermutlich nur Kartelle auf den Plan rufen. Weit über eine Stunde lief ich, um mich herum waren die nur die Laute des Waldes zu hören. Einmal sah ich den Schweif eines Jaguars, der aber schnell das Weite suchte. Generell schienen alle Tiere vor etwas zu flüchten. Meine Nerven waren bis zum zerreißen gespannt, meine Kehle war staubtrocken. Endlich erreichte ich einen Fluss. Das Wasser schien zwar sauber zu sein, aber mir war klar, dass es unzählige Keime enthielt. Am Ende siegte mein Durst und ich nahm einige Schlucke. Immerhin waren meine gebrochen Rippen in weniger als einem Tag verheilt. Da würden mich ein paar Krankheitserreger schon nicht umbringen. Ich wischte meinen Mund ab, da erklang hinter mir ein Knacken. Etwas schweres war auf einen Ast getreten. Wie klischeehaft, schoss es mir durch den Kopf. Ich rollte mich zur Seite, suchte Deckung hinter einem umgestürzten Baum und zog meine Waffe. Vorsichtig lugte ich über den Stamm. Leonie und Emilia kamen langsam auf mich zu. Beiden hatten Waffen im Anschlag. Leonie zielte mit einer Makarov PM, einer russischen, halbautomatischen Pistole, auf den Baumstamm hinter dem ich kauerte, während Emilia eine MP5 im Anschlag hatte. Ich steckte meine Waffe weg, hob meine Hände und stand langsam auf. "Nicht schießen! Ich bins!" Fassungslos ließen beide ihre Waffen sinken. "Nath?", sagten sie wie aus einem Munde. "Jep. Wie habt ihr mich gefunden?" "Die Pflanzen wissen alles.", sagte Emilia geheimnisvoll. "Und die Waffen?" Leonie hob ihr Pistole. "Der Schrott? Sowas benutzt hier die Armee. Und die Kartelle nehmen der Armee die Waffen ab. Wir sind auf einen kleinen Trupp gestoßen. Vier Mann. Nichts besonderes. Wurden von Schlingpflanzen erwürgt, bevor sie uns überhaupt gesehen haben. Was mich eher interessieren würde: Wieso hat die Armee uns abgeschossen?" "Das war nicht die Armee.", sagte ich und zündete mir eine Zigarette an. "Wir sind im Norden. Reserva Natural Cerro Cola Blanca. Ein Naturschutzgebiet. Der Fluss dürfte der Rio Waspuk sein, der größte in der Gegend. Hier hat das Militär keine Macht, Kartelle regieren diesen Landstrich." "Und woher hat ein Katell Waffen die Flugzeuge in 5.000 Meter Höhe abschießen? Sowie ist doch verdammt teuer."
"Das war vermutlich eine Stinger. Normalerweise etwa 3.000 Meter Reichweite. Aber wenn ein Flugzeug in einer geraden Linie fliegt, ohne große Lenkbewegungen ist die Reichweite einer Stinger um einiges größer, bis zu 8.000 Meter." "Toll Du laufendes Lexikon.", sagte Emilia spöttisch. "Und wie soll uns das jetzt helfen?" "Hey, Leonie hat gefragt." Ich nahm noch einen tiefen Zug und dachte nach. "Emilia, wie hast Du mich gefunden?" "Die Pflanzen bilden ein riesiges Netztwerk. Sie kommunizieren. Alle Informationen werden an die Umgebung weitergegeben. Regen, Sonne und auch die Position von Lebewesen. Ich habe einfach nach dir Ausschau gehalten." "Und wie groß ist die Reichweite?" "Wie groß ist der Wald?", erwiderte die Magierin grinsend. Beiläufig drückte ich meine Zigarette aus und sagte:"Eines der Kartelle muss in der Umgebung einen Stützpunkt haben. Wenn wir den finden, können wir uns da ausrüsten und uns ein Transportmittel beschaffen. Also, kannst du das?" "Natürlich.", sagte Emilia, kniete nieder und legte ihre Hände auf den Boden. Mehrere Minuten geschah nichts. Dann sagte sie, mit noch immer geschlossenen Augen:"Ich spüre es. Eine großes Gebäude aus Beton. Eine Art alter Flugzeughangar. Zwanzig Mann." Emilia runzelte die Stirn. "Nein. Neunzehn." Bestürzt öffnete sie ihre Augen. "Achtzehn. Was zur.... Siebzehn. Mein Gott. Irgendetwas schlachtet diese Männer ab."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt