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Unschlüssig starrte ich auf die schmutzige Metalltür auf der anderen Straßenseite. Das Schild darüber war so alt und verdreckt, dass man die Buchstaben nicht mal mehr erkennen konnte, dafür war in die linke untere Ecke ein verschnörkeltes Symbol geritzt. Die Schatten wurden immer länger, der Tag neigte sich dem Ende zu. Ich warf einen letzten Blick auf die Visitenkarte in meiner Hand, bevor ich sie zurück in meine Hose steckte und mich von der Wand abstieß, an der ich gelehnt hatte. Den größten Teil des Nachmittags hatte ich damit verbracht durch die Gegend zu spazieren, meinen Kater zu kurieren und diese Adresse zu finden. Währendessen hatte ich Aussschau nach Dämonen und Engeln gehalten, oder wenigstens ein paar Jägern von SOL, aber nichts. Vielleicht hätte ich mich darüber freuen sollen, aber zu sehr erschien mir das Ganze wie die Ruhe vor dem Sturm. Langsam drückte ich die Klinke der Tür nach unten und runzelte die Stirn. Entgegen meiner Erwartung quietschte sie nicht und war schwerer und massiver als gedacht, mindestens 15 Zentimeter, hochwertiger, kugelsicherer Stahl. Und das entsprach gar nicht dem Bild das sich mir bot. Ich stand im Schankraum einer kleinen, rauchverhangenen Kneipe, in der eine feucht-fröhliche Stimmung herrschte, mit der unterschwelligen Agression, die in jeder billigen Kneipe zu spüren war. Dies war kein Ort für die Mittel- oder Oberklasse. Das hier war eine Schnapsbude für einfache Arbeiter, die sich nach der Arbeit noch ein paar Bier mit Freunden gönnen wollten. Dennoch saßen an den Tischen nicht nur Kerle mit breitem Kreuz und schwieligen Händen , sondern auch Männer in feinen Anzügen. Das alles passte doch nicht zusammen. Mit einem leisen Klicken fiel die Tür hinter mir ins Schloss und schlagartig lagen alle Blicke auf mir. Während ich meinen Blick unauffällig schweifen ließ, ging ich zur Bar und setzte mich. Der Barkeeper, ein Kerl mit einem Allerweltsgesicht, fing an den Tresen zu wischen. Irgendwie klischeehaft. „Ich suche jemanden.", sagte ich. Der Barkeeper warf mir nur einen kurzen Blick zu und erwiderte knapp: „Tun wir das nicht alle?" „Der Mann den ich suche heißt Haytham." Für einen Bruchteil der Sekunde stockte seine Hand und ich glaubte zu sehen, wie eine Art Schauer durch seinen ganzen Körper lief. „Haytham? Nie gehört. Wer soll das sein?" Ich seufzte genervt auf und schob ihm die Visitenkarte zu. „Pass auf", sagte ich, gerade so laut, dass nur er es hörte. „Ich hatte einen ziemlich anstrengenden Tag, von den letzten Wochen ganz zu schweigen. Ich wollte meinen Tag eigentlich damit verbringen meinen ziemlich übelen Kater zu behandeln, stattdessen wurde ich von einem Vampir angegriffen, der mir, nachdem ich ihn fast getötet habe, diese Karte gab und sagte, ich solle nach Haytham fragen. Ich weiß nicht was hier genau läuft, aber ich spüre, dass sich in diesem Raum mindestens neun Therianthropen, vier Vampire und ein Dutzend anderer Kreaturen und Magier befinden. Und du hast mir durch deine Reaktion eben verraten, dass du ein Gestaltwandler bist. Also lassen wir die Spielchen und sag mir wo ich Haytham finde." Nur mit Mühe konnte ich ein Lachen unterdrücken, als ich den Gesichtsausdruck des Barkeepers sah. Er betrachtete noch einmal kurz die Karte, bervor er sich zur Küche umdrehe. „Mel?", rief er und kurz darauf kam eine junge Frau durch die Tür. Sie konnte nicht viel älter als 26 sein, hatte eine zierliche Figur und tiefschwarzes Haar, mit blauen Strähnen darin. „Was ist denn?", fragte sie genervt, wobei ihre Pupillen für einen Moment zu Schlitzen wurden. Sie war eine Werkatze. Zehn Therianthropen. „Tu mir einen Gefallen und bring ihn nach unten. Er sagt, er will zu Haytham." Mel musterte mich abschätzend, dann sagte sie: „Komm mit." Ohne ein weiteres Wort kam sie um den Tresen herum und ging quer durch den Schankraum auf eine kleine Tür zu, die mir gar nicht aufgefallen war. Ich folgte ihr rasch, wobei ich mich bemühte ruhig und gelassen zu wirken. Die junge Frau strich sich die Haare aus dem Gesicht und hielt mir die Tür auf. Kaum war sie ebenfalls hindurchgehuscht schloss sie die Tür wieder. Vor uns lag eine lange, steile Treppe, an deren Ende eine weitere Tür lag. Irgendwie bezweifelte ich, dass das den Brandschutzvorschriften entsprach, entschied mich aber, das nicht zu erwähnen. Schweigend liefen wir nebeneinander her, bis wir die Tür erreichten. „Ab hier musst du alleine weiter. Auf den Gestank dadrin hab ich gerade keinen Bock." Sie machte die Tür auf und stieß mich praktisch hindurch. Und zum zweiten Mal an diesem Tag sah ich etwas, dass ich nicht erwartet hatte. Ich hatte damit gerechnet in einen kleinen Raum geführt zu werden, wo ein alter Mann mit langem Bart Ratschläge gab. Das Gegenteil war der Fall. Ich stand am Rande einer riesigen Höhle, so groß wie mehrere Lagerhallen, voller Menschen. So tief waren wir doch gar nicht nach unten gestiegen, wie war das möglich? Mein Grübeln wurde durch ein lautes Brüllen und Knurren unterbrochen und staunend beobachtete ich das Schauspiel, dass sich mir bot. In der Mitte der Höhle befand sich eine tiefe Grube, in der etwas, dass aussah wie ein verdammt großes, aufrecht stehendes Krokodil, mit einem Mann mit ebenholzfarbener Haut kämpfte, der eine Art steinerne Rüstung trug. Um die Grube standen grölende Leute, die die Kämpfenden anzufeuern schienen. Wo war ich hier gelandet? Während ich näher ging, beobachtete ich den fast schon ausgeglichenen Kampf. Der Mann mit Rüstung, vermutlich ein Erdmagier, war verdammt geschickt und stark, während ihm das Werkrokodil an Masse und Kraft deutlich überlegen war. Plötzlich stieß ich mit dem Knie gegen Irgendwas und kalte Flüssigkeit, die verdächtig nach Bier roch, ergoss sich über meinen linken Stiefel. „Was soll das?", erklang eine wütende Stimme. Erst entdeckte ich niemanden, dann sah ich nach unten. Vor mir stand ein Mann,der mir gerade mal bis knapp über den Bauchnabel reichte. Er hatte rostfarbenes Haar, einen langen, geflochtenen Bart und ein großer Hammer hing auf seinem Rücken. Überracht machte ich einen Schritt nach hinten. „Faszinierend.", murmelte ich. „Selbst in der Bibliothek habe ich nur Gerüchte gehört. Aber Zwerge existieren anscheinend wirklich." „WAS?!", brüllte der Zwerg, während er nach seinem Hammer griff. „Du kannst mich mal. Nur weil ich kleinwüchsig bin? Ich bin verdammt noch mal ein Kampfmagier, du unterbelichteter Idiot!" Oh shit. Ich hatte gerade den kleinsten Magier der Welt verärgert. Und zu allem Überfluss fingen sich nun auch andere an für mich zu interessieren. Nein, ich trat nicht in Fettnäppchen. Ich sprang mit Anlauf hinein und wälzte mich darin

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt