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Nervös nestelte ich am Ärmel meines Mantels herum, während meine Freunde mich schweigend anstarrten.  "Du hast… was?!", fragte Jasmin schließlich entgeistert. "Ich war unsterblich und habe das aufgeben um Emilia zu retten, die von Leviathan getötet wurde.", erwiderte ich ruhig. Seit gut einer halben Stunde waren Emilia und ich wieder zurück, hatten die anderen begrüßt und ich hatte erzählt was im Central Park geschehen war. Als ich erwähnte, dass ich meine Rüstung beschworen hatte, schien Leonie aufgeregt zu sein, als könne sie es nicht erwarten, mich darin kämpfen zu sehen. Und als ich zu Emilias Tod kam, waren alle zusammengezuckt, hatten Emilia misstrauisch angeguckt, Marcus hatte sogar nach seinem Messer gegriffen, die Hand jedoch sofort wieder sinken lassen, sichtlich beschämt. Und nun, nachdem ich von meinem Deal mit Tod erzählt hatte, war erst Schweigen eingetreten, das erst nach einigen Minuten von Jasmin unterbrochen worden war. "Dir ist klar, was Leviathan damit beabsichtigt hat, oder?", fragte die Hexe. Jack, Nero und auch Emilia musterten erst Jasmin und dann mich neugierig. Ich nickte und antwortete: "Sie hat geahnt was ich tun würde. Sie wusste, dass es nur zwei Optionen gab. Erstens: Emilia bleibt tot. Das hätte mich komplett aus der Bahn geworfen, bei dem Versuch sie um jeden Preis zu rächen, hätte ich eine Schneise der Verwüstung hinterlassen. Unschuldige wären gestorben. Oder Zweitens: Ich gehe den Deal mit Tod ein, opfere meine Unsterblichkeit und kriege Emilia wieder." Marcus schüttelte den Kopf. "Was wenn du gewartet hättest? Bis die Sache vorbei ist. Deine Unsterblichkeit zu opfern war ein Fehler, zumindest aus taktischer Sicht." Ich trommelte mit meinen Fingern auf der Sessellehne herum und entgegnete: "Womöglich. Aber Emilia ist stark, wenn sie ihre Kräfte vollständig entfaltet, kann sie es sogar mit einem Engel aufnehmen. Wir brauchen sie in diesem Kampf."  "Balthasars Timing hätte kaum besser sein.", warf Jack mit düsterer ein. "Eine Reise durch die Hölle ist keine Zuckerschlecken. Es zehrt an der Kraft jedes Menschen, an ihrer Seele. Und ihr beide seit zum Teil menschlich, also ist es eigentlich kein Wunder, dass wir so überrumpelt werden konnten." Ich legte meine Kopf schief, diese Information hätte ich vorher gebrauchen können. "Wie auch immer", fuhr ich fort. "Ich habe diese Entscheidung getroffen, damit müssen wir jetzt leben. Stände ich wieder vor der Wahl, würde ich es genauso machen. Also müssen wir einen Plan ausarbeiten. Nero, wie weit bist du mit den Recherchen?" Der Kater sprang den Couchtisch und setzte sich auf die Tischplatte, direkt neben ein dicht beschriebenes Blatt Papier. Mit einer Pfote zog er es näher und räusperte sich. "Du hattest mehrere Dinge notiert. Der erste Punkt ist gleichzeitig der wichtigste. Wann und wo wird Leviathan ein Tor zur Hölle erschaffen? Am 'wo' arbeiten wir noch, aber zum 'wann' habe ich einen starken Verdacht." Neugierig sah ich den Kater an. "Die Nacht auf den 31. Oktober. Genauer gesagt um Mitternacht." "Halloween.", meinte Emilia. "Wie passend. Die Nacht, in der die meisten Geister umherschwirren und schwache Dämonen auf die Erde können." Irgendwie klischeehaft, aber gleichzeitig nachvollziehbar. "Genau.", übernahm Nero wieder das Wort. "Das gibt uns ein Zeitfenster von einer Woche, um herauszufinden wo Leviathan es versuchen wird. Es gibt auf der ganzen Welt Orte, an denen sich düstere Mächte tummeln und schwarze Magie am Werk ist. Das Problem ist, dass sie sich in der Intensität unterscheiden und verändern. Manche Orte sind nur an bestimmten Tagen im Jahr oder bei besonderen Mondzyklen aktiv. Ich arbeite noch dran, mit Jasmins Hilfe. Ich denke in spätestens zwei Tagen sollten wir Ergenisse haben." Der Kater sah Jasmin an, die zustimmen nickte. "Die Zauber sind ziemlich komplex.", erklärte die Hexe. "Außerdem habe ich Nero noch bei der anderen Sache geholfen. Du wolltest, dass er nach magischen Gegenständen sucht, die uns helfen könnten." Aus einer Tasche ihres purpurnen Kleides zog sie einen Zettel, den sie auseinanderfaltete und gründlich studierte. "Erst haben wir nach heiligen Artefakten gesucht, aber da du das Licht Gottes beschwören kannst und auch noch die mächtigste Waffe seit Menschengedenken besitzt, haben wir das verworfen. Es gibt tatsächlich ein paar nützliche Gegenstände, aber es gab nur wenige, bei denen wir herausfinden konnten, dass sie tatsächlich existieren und wo sie zu finden sind. Als wird dann noch herausfilterten, welche schwer bewacht oder sogar zerstört sind, blieb nur noch wenig übrig." "Definiere 'schwer bewacht'…", warf Leonie ein, die an der Terrassentür lehnte. "Mit 'schwer bewacht'…", erwiderte Jasmin mit einem Lächeln, dass gleichzeitig süffisant und freundlich war. "Meine ich, dass es praktisch unmöglich ist, an diese Objekte zu gelangen, selbst für jemanden mit Nathaniels Fähigkeiten. Zum Beispiel…" Sie betrachtete suchend den Zettel und wurde nach wenigen Sekunden fündig. "Ich konnte ein Alexanderkreuz aufstöbern, eine mächtige Waffe, die Dämonen in einem Umkreis von einer Meile tötet und Magier lähmt. Allerdings ist es in den Tiefen des Vatikans versteckt." Jack lachte laut auf. "Der Vatikan? Man kann von den Typen halten was man will, aber das Zeug in ihrem Keller wird besser bewacht als Luzifers Pornosammlung. Da kommen wir niemals rein." Jasmin nickte zustimmend und sagte: "Deswegen haben wir uns auf die Artefakte beschränkt, die wir ohne große Komplikationen besorgen können. Da gäbe es ein Schwert, dessen Klinge Heilkräfte hat." "Dazu beherrschen wir entsprechende Zauber. Interessant, aber nicht wichtig genug.", entgegnete ich und streckte die Hand aus. Die Hexe reichte mir den Zettel und ich überflog ihn kurz. Ein Amulett, dass Doppelgänger des Trägers erschaffen konnte. Könnte nützlich sein um Feinde zu verwirren. Eine Lampe, die Geister sichtbar machte, ein für mich eher nutzloses Artefakt. Außerdem ein Stab mit dem man Regen machen konnte. Klar, noch mehr Wasser, dass Leviathan benutzen könnte, das wäre eine verdammt miese Idee. Und zum Schluss… "Ernsthaft?", fragte ich und konnte ein Grinsen nicht unterdrücken. "Ein Hut, der Mücken und andere Insekten verscheucht?" Nero zuckte mit den Schultern, was bei einer Katze mehr als komisch aussah. "Es war das einzige was ich sonst noch finden konnte. Bis…" Der Kater zog die Lefzen hoch, was einem Grinsen ziemlich nahe kam. "Bis ich in einem der Bücher auf etwas stieß." Ich las weiter und sah ganz unten auf dem Papier zwei Worte. 'Das Zepter'. Mehrfach unterstrichen und mit einem Ausrufezeichen. Als ich nachfragte, stand der Kater wieder auf und begann auf dem Tisch hin und her zu laufen. "Das Zepter.", setzte er an. "Es gibt wenige Informationen darüber, egal wie tief ich gegraben habe." Nero klang plötzlich wieder wie der Professor, der er mal gewesen war, er sah uns alle der Reihe nach an und er klang ein wenig aufgeregt. "Es ist alt, so viel ist klar. Erschaffen wurde es vom Erzengel Michael höchstpersönlich, kurz vor dem Krieg gegen Luzifer. Die Engel wollten Luzifer und seine Armee vernichten, aber der Krieg hätte die Erde verwüstet und viele der Menschen getötet, die Gott eben erst erschaffen hatte. Und um den Schöpfer nicht zu erzürnen, erschuf Michael das Zepter. Seine Macht wurde nirgends genauer beschrieben, aber es heißt, Engel und Dämonen hätten kämpfen können, ohne dass auch nur die geringste Spur zu hinterlassen. Und bei dem, was heute alles passiert ist, wäre das wohl am sinnvollsten." Ich dachte an den Central Park zurück, die Verwüstung und die mutierten Leichen. "Inzwischen ist das Internet vermutlich voll davon.", vermutete ich. Leonie lache auf. "Das wäre noch etwas untertrieben." Die Wirtin ging zum Couchtisch und klappte meinen Laptop auf, der auf einer leeren Pizzaschachtel stand. Etwa ein Dutzend Tabs waren offen, Artikel verschiedenster Nachrichtensender, Blogs auf Seiten für Verschwörungstheoretiker und Videos und Bilder von Leute, die kurz nach meinem Verschwinden den Central Park betreten hatten. Der riesige Krater, die deformierten Leichenteile, welche die Polizei vermutlich zutiefst verwirrt hatten. Keine Ahnung wie schwer unsere Aktion in Area 51 SOL getroffen hatte, aber es war nur eine Frage der Zeit, bis die ersten Jäger eintreffen und alles untersuchen würden. Und die wüssten sofort was dort geschehen war. Also würde bald auch Raguel Bescheid wissen. Bei dem Gedanken kam mir eine Idee, nichts konkretes, aber ich würde bei Gelegenheit genauer darüber nachdenken. Leonie klickte auf einen der Tabs und ein Blogeintag erschien. "Hier meint sogar jemand, es seien die Illuminati gewesen. Jetzt mal ernsthaft, so einen Müll würden doch nur irgendwelche zugedröhnten Kiffer glauben." Ich hörte ihr nur mit einem halben Ohr zu, zu schockiert war ich von den Bildern. Blut und Eingeweide, die ich über den halben Park verstreut hatte und entwurzelte Bäume. Hatte ich wirklich so gewütet, derart die Kontrolle verloren? Ich klappte den Laptop energisch wieder zu und sah Nero und Jasmin an. "Wo finde ich dieses Zepter?", fragte ich mit zusammengebissenen Zähnen. Wenn ich damit Unschuldige aus meinen Kämpfen raushalten konnte, musste ich dieses Ding auf jeden Fall haben. Jasmin lächelte wieder, griff erneut in die Tasche ihres Kleides und reichte mir einen Flyer. "Ich habe den Türsteher angerufen, ein alter Freund von mir. Für morgen Nacht stehst du auf der Gästeliste, samt Begleitung." Ich drehte den Flyer in meiner Hand und erkannte den Schriftzug darauf auf Anhieb, immerhin war der Name unter den Liebhabern der Technoszene und so ziemlichem jedem Clubliebhaber legendär. Berghain, einer der berühmtesten Clubs der Welt. Das konnte ja lustig werden.

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An dieser Stelle würde ich gerne noch mal Werbung machen für ein zweites Spin-off meiner Story. 'Ankh' handelt von einem Mädchen, dass neue Trägerin des Ankh wird. Sie spielt zeitgleich mit Rogue Hero und ist echt super. Ich folge der Autorin Lollypollysugarcrush, aber ich werde sie noch darum bitten hier zu kommentieren.

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