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Geschickt sprang Leviathan über den Felsbrocken hinweg, ließ mit einer kurzen Bewegung ihrer Hand Fontänen in die Höhe schießen und drehte sich bei der Landung blitzschnell, wobei sie ihren Dreizack schwang. Eine Feuerwand loderte vor mir auf, wehrte die Eiszapfen der Dämonin ab und rollte dann auf sie zu. Ein breiter Wasserstrahl teilte die Flammen und ich rollte beiseite, um nicht getroffen zu werden. Als ich wieder hochschnellte, sprang Leviathan bereits auf mich zu und stach mit ihrem Dreizack zu, während Tentakel aus Wasser nach mir peitschten. Ich wich zurück, zerfetzte mit Luftklingen die Tentakel, welche sich gleich wieder zusammen fügten und lenkte Leviathans Stiche ab. Die Spitzen der Tentakel hatten sich inzwischen zu Klingen verdichtet und trafen nun immer wieder meine Rüstung, ich hatte keine Ahnung wie lange ich das noch durchhalten würde. Ich war zwar stärker als je zuvor, aber müde und von den vorherigen Kämpfen ausgelaugt, trotz Raguels Zauber. Leviathan war auf dem Zenit ihrer Kräfte, trotz den Verletzungen die sie erlitten hatte, strotzte sie vor Kraft und griff mit einer solchen Vehemenz an, dass mir kaum etwas anderes übrig bleib, als in die Defensive zu gehen. Als ich einen besonders heftigen Stoß abwehrte, fiel mein Blick auf den Stumpf von Leviathans Flügel. Zeit für ein wenig Abstand. Mit einer kurzen Handbewegung erschuf ich eine Wand aus Feuer, vor der Leviathan zurück wich. Gleich danach sprang sie zurück und schlug mit den Flügeln. Geschickt wich ich einem Speer aus und erhob mich hoch in die Lüfte. "Gib auf!", rief ich und schleuderte Luftklingen und Feuerbälle nach der Dämonin. "Du kannst nicht gewinnen. Die Tore sind geschlossen, der Schlüssel ist in meinem Besitz, deine Verbündeten sind geschlagen." Leviathan zischte wütend und wich langsam immer weiter zurück, um meinen Angriffen zu entgehen. "Niemals", erwiderte sie. "Ich war dabei, als deine Rasse das erste Mal ausgerottet wurde. Du magst stark sein, doch meine Macht kommt der von Luzifer und Michael gleich. Kein Engel und kein Dämon ist mir gewachsen." Ich setzte die Luft um mich herum in Bewegung, mit einer Leichtigkeit die mich selbst überraschte, und erschuf einen kleinen Tornado, der mich vor Leviathans Eisdolchen schützte. "Du hast es nicht anders gewollt!", schrie ich, legte meine Flügel an und ließ mich fallen. Einen Teil des Windes nutzte ich um meinen Fall abzufangen, doch den Großteil schleuderte ich gegen Leviathan. Sie riss den Arm hoch, erschuf eine Wand aus Eis, doch vergebens. Die geballte Macht des Windes fegte den Wall mühelos hinfort und während Leviathan weit hinaus auf den See geschleudert wurde, schwang ich mich wieder in die Lüfte. Ich sah, wie die Dämonin eintauchte und hob meine Hand. "Das ist deine letzte Chance!", schrie ich erneut. Leviathan erhob sich aus dem See, bis zur Hüfte in einer wirbelnden Wassersäule stehend und den Dreizack auf mich gerichtet. Eisspeere sprossen aus der Wasseroberfläche wie Stalagmiten und schossen auf mich zu. Drei kurze Feuerstöße reichten aus um sie zu schmelzen, doch Leviathan war bereits im Begriff mich erneut zu attackieren. "Also gut", knurrte ich. "Du lässt mir keine andere Wahl. Es ist an der Zeit diesem Kampf zu beenden." Tiefblaue Blitze zuckten um meine gepanzerten Finger, bündelten sich in meiner Handfläche und wurden immer mehr, bis ein fast vier Meter langer Speer entstanden war. Ich spürte, wie sich meine Nackenhaare bei der geballten Elektrizität aufstellten und ein kurzes, gehässiges Grinsen zog sich über meine Lippen, ehe ich den Blitzstrahl mit aller Kraft schleuderte. Für einen Moment war es taghell und ich kniff geblendet die Augen zusammen. Ein lautes schmerzerfülltes Kreischen, erklang, das einige Sekunden lang ertönte und dann abrupt abbrach. Als ich wieder halbwegs sehen konnte, war ein Teil des Sees verdampft und dünne Nebelschwaden hingen über der Wasseroberfläche. Die Wucht des Blitzes hatte Boote zerschmettert und kleine Bäume entwurzelt. Vorsichtig streckte ich meine Engelssinne aus, versuchte etwas zu finden, nahm aber nur ein paar kleine Fische war, die sich an den Grund des Sees zurückgezogen hatten. Mit einem Mal fiel eine gewaltige Last von meinen Schultern. Ich hatte es tatsächlich geschafft, Leviathan war tot, ich hatte das Ende der Welt verhindert. Langsam schlug ich mit den Flügeln um mich in der Luft zu halten und schloss die Augen. Ich wandte mich um und wollte zurückkehren zu Jack, Nero und Raguel, als ich etwas spürte. Meine Fäuste ballten sich und jeder Muskel meines Körpers war angespannt. Wie war das möglich? Wie hätte sie das überleben…? Bevor ich den Gedanken zu Ende führen konnte, schlang sich eine dünne Peitsche aus Wasser um meinen Knöchel und schmetterte mich auf das Kopfsteinpflaster. Überdeutlich hörte und spürte ich, wie ein gutes Dutzend meiner Knochen zerbrach und mein Kopf knallte so heftig auf den Boden, dass ich nichts als Sterne sah. Unerbittlich wurde ich in Richtung See gezogen, als ich versuchte mich festzukrallen, hinterließ ich lediglich tiefe Kratzspuren. "Dachtest du wirklich, ich wäre so leicht zu besiegen?", ertönte Leviathans Stimme, begleitet von einem wahnsinnigen Lachen. Mit einem gezielten Windstoß zerfetzte ich die Peitsche und rappelte mich mühsam auf, während mein Körper damit beschäftigt war, die gebrochenen Knochen zu heilen. Ein weiterer Windstoß und der Nebel verzog sich. Nun wurde mir auch klar, wie Leviathan meinen Angriff unbeschadet überlebt hatte. Die Höllenfürstin hockte in der Mitte des Sees auf einer Eisscholle, von Kopf bis Fuß in ihre Rüstung gehüllt und lächelte höhnisch, wobei sie sich auf ihren Dreizack stützte. "Du hast recht", sagte sie. "Es ist an der Zeit diesem Kampf zu beenden." Ich beschwor meinen Speer, ignorierte den Schmerz und spreizte meine Flügel. Ein weiterer Blitz wäre vorerst sinnlos, solange Leviathan ihre Eisrüstung trug. Immerhin setzte elektrische Leitfähigkeit zwei Dinge voraus: Das vorhandensein von Ladungsträgern UND deren Beweglichkeit. Und im gefrorenen Zustand konnten sich die Moleküle nur noch minimal bewegen, leiteten also keinen Strom. Schwerfällig schlug ich mit den Flügeln, hörte wie sich meine Knochen an ihre ursprünglichen Positionen zurückschoben und überlegte, wie ich eine Wassergottheit in der Mitte eines Sees bezwingen könnte. Langsam flog ich um Leviathan herum, schleuderte Feuerbälle und versuchte ihre Rüstung mit Luftklingen aufzuschlitzen. Wieder und wieder konnte ich den Eisspeeren und Wasserpeitschen ausweichen, allerdings waren auch meine Attacken nicht wirklich von Erfolg gekrönt. Ich war müde, verletzt und am Ende meines Lateins. Leviathan war mächtiger als ich es je erwartet hätte, keine ihrer Verletzung behinderte sie wirklich und in der Mitte des Sees konnte ich nichts gegen sie ausrichten. Wütend legte ich meine Flügel an und richtete den Speer auf Leviathan. Dicht über der Wasseroberfläche flog ich auf die Dämonin zu, rollte beiseite als ein konzentrierter Wasserstrahl auf mich zu schoss und entdeckte eine Lücke in Leviathans Verteidigung, ein winziger Riss in der Rüstung, an ihrer linken Seite. Die Klinge meines Speers glühte kirschrot, als ich entschlossen ausholte, doch im selben Moment packte mich eine Wasserpeitsche und schleuderte mich weit nach oben in den Himmel. Leviathan richtete ihren Dreizack auf mich und ehe ich ausweichen oder blocken konnte, durchbohrte ein Eisspeer meine rechte Schulter. Nur mit Mühe konnte ich meine Waffe festhalten und auf das Ufer zufliegen, wobei ich immer wieder einige Meter absackte. Kaum war ich gelandet, zog ich mir die Waffe aus dem Fleisch und wandte mich wieder Leviathan zu. Ungläubig beobachtete ich, wie das gesamte Wasser des Sees begann, um Leviathan herum zu wirbeln. Bei jeder Drehung schien sich eine dünne Schicht Wasser über ihre Rüstung zu legen, immer und immer wieder, bis die Wassermassen urplötzlich und auf einen Schlag auf die Dämonin zurollten und sich auftürmten. Meine Augen wurden immer größer, und mit einem lauten Knirschen und Knacken heilten meine Knochen und die Wunden schlossen sich. Gerade noch rechtzeitig, denn ich würde all meine Kräfte brauchen, um diesen Kampf zu überstehen. Vor mir erhob sich eine gewaltige Gestalt, eine Art Bestie aus Wasser, in menschlicher Gestalt, mindestens acht Meter groß und zusätzlich zu zwei langen Armen sprossen ihr vier tentakelartige Auswüchse aus dem Rücken. Und in der Mitte der Brust befand sie Leviathan, die ihre Schöpfung steuerte. Verdammt, nie hatte man einen Megazord zur Hand, wenn man mal einen brauchte. "Hey, Aurus", sagte ich und fuhr meinen Speer zu seiner vollen Länge aus. "Gut möglich, dass das unser letzter Kampf ist. Ich wollte dir nur danken. Es war eine Ehre dich kennengelernt zu haben." Einige Sekunden herrschte Stille, dann erklang die Stimme des Gottes. "Es war mir auch eine Ehre, Nathaniel. Ich hatte viele Wirte und werde noch viele weitere haben, aber du bist anders. Du hast das Potenzial eine göttliche Bestie zu besiegen, selbst mit einem Erzengel als Wirt. Erinnere dich, was ich über deine Kräfte gesagt habe." Ich musste nicht lange überlegen und erwiderte: "Meine Fähigkeiten und meine Macht sind abhängig von meinem Willen und meinen Emotionen." Der Feuergott schwieg wieder, doch weitere Worte war auch nicht nötig. Ich spürte, wie er all seine Kraft bündelte, spürte wie eine gewaltige Menge Energie durch meinen Körper schoss und wusste was er meinte. Flammen zogen sich über meine Rüstung, meinen Speer und meine Flügel, Gestein begann zu schmelzen und Pflanzen verbrannten in der Hitze restlos zu Asche. Ich hatte Leviathan die Chance gegeben sich zu ergeben, trotz allem was sie getan hatte. Und es war egal, wie sehr ich mich auf das Licht in mir konzentrierte, im Vergleich zu Leviathan war es wie eine einsame Kerze in einer dunklen Höhle. Ich packte meinen Speer mit beiden Händen, ließ meinen Emotionen freien Lauf, konzentrierte mich auf alles was in den letzten Monaten passiert war, konzentriere mich auf meine Wut und meinen Hass. Denn manchmal gab es keine andere Möglichkeit als Feuer mit Feuer zu bekämpfen. Ich sah vor meinem inneren Auge die Schüler und Lehrer der Akademie, die Frau, die in Amsterdam gestorben war, weil ich zu langsam gewesen war. Ich sah Anderson, wie er Durendal in Damons Brust gestoßen hatte, sah Balthasar, der das kleine Mädchen und all diese Menschen im Diner ermordet hatte und Alessias Lichtspeer, der Nemira getötet hatte. Und zum Schluss sah ich Leviathan, die ihre Klinge in Emilias Rücken stieß, erinnerte mich an das Gefühl, als das Leben aus ihr wich, an meine Verzweiflung, meine Wut. Dann gab ich mich der Finsternis in mir hin und die Welt um mich herum versank in schwarzen Flammen und düsteren Schatten.

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt