Es war bereits später Vormittag, als Emilia und ich nach unten in die Küche kamen. Jack stand am Herd, trug eine Schürze und war dabei Waffeln zu backen. "Guten Morgen", rief der Dämon und stellte zwei Teller auf der Tisch. "Die anderen haben bereits vor Stunden gegessen, aber ich arbeite an einem Rekord im Waffeln backen. Außerdem habe ich ja nicht viel zu packen." Wir setzten uns und während ich bereits dabei war eine ganze Waffel in meinen Mund zu stopfen, zog Emilia die Landkarte heran, die auf dem Tisch lag. "Ihr habt also schon die Route ausgearbeitet.", stellte sie fest und schnitt ein Stück Waffel ab. "Wird ne lange Reise.", sagte Marcus, der gemeinsam mit Leonie in die Küche kam, beide trugen Trainingsklamotten und waren verschwitzt. "Etwa anderthalb Tage Fahrt, wir werden einen Zwischenstopp in Houston machen und uns dann in Orlando eine letzte Pause gönnen." Leonie goss sich eine große Tasse Kaffee ein, ließ sich auf einen Stuhl fallen und legte die Füße hoch. "Ich verstehe ja, dass wir uns nicht direkt nach Disney World teleportieren können. Aber wieso starten wir von Mexico aus?" Ich kaute so schnell ich konnte und spülte die Waffel mit einem großen Schluck Kaffee runter. "Weil wir meinen Wagen holen müssen.", antwortete ich und versuchte dabei zu ignorieren, dass ich mir am Kaffee die Zunge verbrannt hatte. "Wenn wir schon das Ende der Welt verhindern müssen, können wir das wenigstens mit Stil machen." Ich lächelte gezwungen und hoffte, dass meine Freunde es auf eine Art Nervosität oder so schoben. In Wahrheit ging mir aber der Arsch auf Grundeis, weil ich in wenigen Tagen in der Hölle landen würde. Egal ob es mir gelang Leviathan zu besiegen oder nicht. Als ich mit dem Frühstück fertig war, stand ich auf und zog die Karte zu mir. "Dort treffen wir uns mit Perry und unseren neuen Mitstreitern.", sagte ich und deutete auf einen Pukt auf der Karte, gut dreißig Kilometer von Veracruz entfernt. "Das heißt, wir haben bis heute Abend Zeit, dann ist es auch für die Vampire sicher." Leonie verzog das Gesicht und ich sah, wie sie die Fäuste kurz ballte. "Sie sind nicht alle schlimm", meinte ich. "Ich vertraue Perry, er wird nur die Vampire mitnehmen, die sich auch im Griff haben. Ich weiß, du wurdest von Kindesbeinen an dazu erzogen Vampire zu hassen, aber wir können nicht auf sie verzichten. Glaubst du Leviathan wird uns mit einem Tässchen Tee erwarten?" "Sie ist eine alte, verschlagene Schlampe.", warf Emilia ein. "Ich gehe jede Wette ein, dass sie jedes blutrünstige Wesen rekrutiert, dass sie auftreiben kann." "Leviathan ist ein General der Hölle", fuhr Jack erklärend fort. "Ihr würdet nicht glauben, wie viele Kreaturen nur mit Freude ihr Knie vor ihr beugen. Sollten wir versagen, wird der ganze Planet zu einem Schlaraffenland für Bestien aller Art, nur dass statt Früchte die Eingeweide von Männern, Frauen und Kindern in den Bäumen hängen werden und keine Milch, sondern Blut in den Flüssen fließen wird." Leonie stand auf und stellte die inzwischen leere Kaffeetasse in die Spüle. "Ich kapiers ja", erwiderte sie. "Wir können auf niemanden verzichten, die Sache hier ist größer als wir alle. Also werde ich diese angebore Abneigung unterdrücken." Sie ging in Richtung Treppe und
drehte sich mit einem schelmischen Grinsen noch mal um. "Dafür nehmen wir mein Bike mit." Ich verdrehte die Augen, dann stand ich ebenfalls auf. "Also gut. Wir haben etwas mehr als acht Stunden Zeit. Packt das nötigste zusammen, versucht noch ein wenig zu schlafen. Keine Ahnung ob Leviathan Späher nach uns aussenden wird, aber wir sollten auf alles vorbereit sein."Einige Stunden später stand ich vor Jasmins Zimmertür, hinter der laute Stimmen zu hören waren und klopfte an. Die Stimmen verstummten für einen Moment, dann rief Jasmin: "Herein." Ich öffnete die Tür und trat ein. Jasmin lief auf und ab, während Nero auf dem Bett saß, mit einem Gesichtsausdruck, der schwer zu deuten war, unter anderem, weil er ein Kater war. Die Schwanzspitze des Katers zuckte nervös hin und her, die Stimmung war mehr als angespannt. "Äääähm… Störe ich gerade?", fragte ich. "Nein", antwortete Jasmin und tigerte weiter durch den Raum. "Vielleicht kannst du unserem Samtpfötchen ein wenig Verstand einbläuen." "Ääähm…" Nero sprang auf und fauchte. "Du vergisst dich, Hexe! Ich bin 52 Jahre alt, seit zwei Jahrzehnten stecke ich im Körper einer Katze, was sich nie wieder ändern wird. Dass ich Nathaniel helfe, ist das einzig bedeutende, was ich in meinem Leben jemals geleistet habe!" "Worum geht es hier eigentlich?", hakte ich nach. "Nero hat eine Midlife-Crisis.", sagte Jasmin missbilligend. "Und jetzt hat er sich in den Kopf gesetzt, euch nach Disney World zu begleiten." Überrascht sah ich den Kater an. "Ist das dein Ernst? Dir sollte klar sein, wie gefährlich das wird." "Natürlich ist es das.", erwiderte Nero trotzig. "Aber ich gehe trotzdem mit. Und wenn es mich das Leben kostet, ich muss es tun. Mein Leben lang habe ich davon geträumt etwas bedeutendes mit meinen Kräften zu bewirken, aber damit hat es sich erledigt. Jetzt will ich wenigstens helfen so gut ich kann und mir das ansehen. Dieses Ereignis wird einzigartig in der Geschichte der Welt und ich werde dabei sein." Ich nickte und steckte die Hände in die Taschen meiner Jeans. "Ich verstehe dich. Und wenn du wirklich bereit bist dieses Risiko einzugehen, werde ich dich mitnehmen." Tatsächlich konnte ich ich gut nachvollziehen, was in dem Kater vorging. War nicht genau das der Grund gewesen, warum ich die Einladung der Organsiation angenommen hatte? Diese Langeweile, das Gefühl etwas bewirken zu wollen? Ich sah Jasmin an und sagte: "Nero ist dabei. Er hat mir so viel geholfen, das bin ich ihm schuldig." Die Hexe verdrehte die Augen, dann ließ sie sich in ihren Sessel fallen und nahm eine kleine Schatulle vom Tisch daneben. "Ihr seid so verdammt stur", sagte sie. "Und verdammte Narren. Nath ist praktisch nicht zu töten, aber du bist ein Professor im Körper eines Katers. Selbst gegen ein Kind könntest du dich kaum wehren. Ich werde nicht mitkommen, aber lass mich wenigstens dafür sorgen, dass du nicht stirbst." Jasmin murmelte ein paar Worte, klappte die Schatulle auf und brachte ein kleines Fläschchen mit schwarzem Inhalt zum Vorschein. "Diesen Trank habe ich vor etwa sechzig Jahren gebraut, nach einem Rezept, dass inzwischen verloren gegangen ist. Es war reine Neugierde, aber vielleicht war es auch Schicksal." Sie stand auf und ging zum Kater, der noch immer auf dem Bett saß. "Im Grunde ist es konzentriertes Dämonenblut, mit einigen anderen Zutaten, die inzwischen kaum noch aufzutreiben sind, zum Beispiel eine Feder einer dreiäugigen Krähe und ein Tropfen aus dem Jungbrunnen. Im Grunde verleiht er dir ein paar dämonische Kräfte, ohne die üblichen hässlichen Nebenwirkungen, die Dämonenblut sonst hat. Er macht dich widerstandsfähiger, verleiht dir einen geringen Heilfaktor und macht dich um einiges stärker." Nero betrachtete die Phiole skeptisch. "Wie stark macht mich das Zeug? Und hat es irgendwelche Nebenwirkungen?" "Du wirst stark genug sein um es mit einem schwächeren Dämon aufzunehmen und schnell genug um den stärkeren zu entkommen." Der Kater überlegte für einige Sekunden, dann nickte er entschlossen. "Gut, her mit dem Zeug." Jasmin zog den gläsernen Zapfen aus dem Fläschchen und ein intensiver Geruch nach Kräutern und Blut erfüllte den Raum. "Bereit?", fragte sie den Kater, der zwinkerte und antwortete: "Nich' lang schnacken, Kopp innen Nacken!" Die Hexe führte ihm die Phiole an die Schnauze und kippte ihm die schwarze Flüssigkeit in die Schnauze, bis auf den letzten Tropfen. Eine ganze Weile lang passierte nichts, der Kater wuchs höchstens um ein paar Zentimeter. Dann keuchte Nero und fuhr die Krallen aus, die ein gutes Stück länger wirkten. Seine Augen glühten für einen Moment rötlich, dann war es vorbei. Nero schüttelte sich und machte einen Buckel. "Meine Fresse, ich hatte schon angenehmere Prostatauntersuchungen. Aber ich kann es spüren. Ich danke dir." Jasmin ging vor dem Bett in die Hocke und kraulte den Kater hinterm Ohr. "Nichts zu danken, versuch einfach dich aus größeren Schwierigkeiten rauszuhalten." Nero maunzte kurz überrascht, als die Hexe ihn an ihre Brust drückte. "Du wirst mir fehlen." Der Kater wirkte verlegen und erwiderte: "Du mir auch. Man sieht sich, Jassy." Er sprang ein wenig unbeholfen vom Bett, er musste sich noch an seine neue Größe gewöhnen. Als er das Zimmer verlassen hatte, lächelte ich Jasmin an, die dem Kater traurig hinterher blickte. "Du bist dir immer noch sicher?" Die Hexe nickte und legte die Phiole geistesabwesend zurück in die Schatulle. "Ich habe es doch bereits gesagt, ich bin eine miese Kämpferin. Ich stünde euch nur im Weg, also gehe ich zurück nach Louisiana. Mein Haus steht seit Wochen leer, vermutlich quillt mein Briefkasten über. Aber ich habe nicht vergessen, was du für mich getan hast, ich schulde dir noch immer mein Leben." Ich wollte sie unterbrechen, als Jasmin fortfuhr. "Wenn du noch etwas brauchst, bevor ich gehe, sag es ruhig. Ansonsten findest du mich in meinem Haus. Aber vielleicht klingelst du nächstes Mal, statt dich in mein Wohnzimmer zu teleportieren." Ich lachte kurz und umarmte die Hexe flüchtig. "Machs gut, Jasmin." Ich wandte mich zum gehen, als Jasmin sagte: "Nath, warte. Ich habe noch ein Abschiedgeschenk für dich." Sie sprang auf, schnappte sich ein zusammengefaltetes Kleidungsstück, dass auf dem Bett gelegen hatte und reichte es mir. "Dein Mantel lag auf der Treppe, zusammen mit Emilias Top. Du hast ihn schon ziemlich oft geflickt und ich dachte mir ich könnte ihn ein wenig verzaubern. Schlafen konnte ich eh nicht." Die Hexe zwinkerte mir mit einem kecken Grinsen zu, das aber sehr gezwungen wirkte. "Entweder wurde Emilia gestern von einem Tiger gerissen, oder du bist verdammt gut. Naja, auf jeden Fall ist dein Mantel jetzt deutlich stabiler, dürfte sogar kleinkalibrige Projektile aufhalten. Und selbst wenn er beschädigt wird, repariert sich der Stoff von alleine, solang zumindest ein kleiner Fetzen übrig bleibt." Da war also mein Mantel geblieben, ich hatte mein Zimmer fast zehn Minuten lang durchsucht. Er hätte mir wirklich gefehlt, ich hatte mich schon so sehr an das Kleidungsstück gewöhnt. Ich schlüpfte hinein, dann umarmte ich Jasmin erneut. Eine kleine Träne funkelte in ihrem Augenwinkel, als sie sagte: "Auf Wiedersehen, Nathaniel Black. Solltest du mich jemals brauchen, weißt du wo du mich findest." Von unten war ein Stimmengewirr zu hören und ich warf einen Blick auf mein Handy. Bald mussten wir los und ich hatte meine Sachen nicht mal ansatzweise fertig gepackt. "Machs gut, Jasmin Le Fay. Halt dich von Dämonen und Engeln fern." Dann drehte ich mich um und ging, während die Hexe begann Bücher, Zutaten und Klamotten aus den Schränken zu ziehen und in einer Tasche zu verstauen, die mit Sicherheit von innen so groß war wie ein kleiner Lastwagen. Noch zwei Tage, bis zur wichtigsten Schlacht seit Menschengedenken, eine Schlacht um das Leben aller Menschen dieser Welt. Und das war eine Verantwortung, für die ich nicht mal ansatzweise bereit war, aber die allein auf meinen Schultern lastete. Das Schicksal war echt ein mieses Arschloch.
DU LIEST GERADE
Rogue Hero
Fantasy"Jedes Land hat so seine Legenden. In jedem Landstrich hatten die einfachen Leute vor etwas anderem Angst. So entstanden Märchen und Legenden über die verschiedensten Wesen. Vampire, Werwölfe, Elfen, Riesen, Kobolde und so weiter. Du kennst diese Ge...