#108

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'Das Monster das Monster tötet'. Irgendwie gefiel mir der Name. Er zeugte von Hass, aber auch von einem gewissem Maß Respekt. "Und du bist Haytham.", stellte ich fest, während ich versuchte mehr von der Höhle zu erkennen. Dank des Nebels ein hoffnungsloses Unterfangen. "Du hast also mit mir gerechnet?" "Ja", erwiderte der Hexer knapp und machte eine Handbewegung, woraufhin zwei Sessel mit einem niedrigen Tisch dazwischen erschienen. In den Büchern hatte wenig über die Kräfte der Hexer gestanden, aber ihre magischen Fähigkeiten gingen den Gerüchten nach über die der meisten Magier hinaus. "Du hast vermutlich viele Fragen. Und ich kann dir auf viele davon eine Antwort geben. Setz dich und lass uns reden." Ich versuchte zu spüren ob Haytham etwas im Schilde führte, aber es gelang mir nicht. Der Geist des Hexers war komplex, wie eine abstrakte Skulptur. Es gab komplizierte Windungen die in Sackgassen endeten, plötzliche Richtungswechsel und verwirrende Erinnerunggsfetzen. Erst sah ich ein brennendes Schlachtfeld, Männer in Rüstungen die sich gegenseitig abschlachteten, im nächsten Moment schien ich mich tief im Meer zu befinden und ein Schwarm Tiefseefische schwamm an mir vorbei. Dann eine Frau mit kastanienbraunem Haar und hellgrünen Augen, die ein altertümliches Kleid trug und eine liebliche Melodie summte, während sie sich das Haar kämmte. An ihrer Hand funkelte ein goldener Ring. Natürlich. Der Geist eines Hexers setzte sich zusammen aus seinem eigenen und denen die er beschworen hatte. Und jeder von ihnen hatte unzählige Erinnerungen. "Faszinierend, nicht wahr?", sagte Haytham und setze sich. "Die ersten fünfzig Jahre nach der Verschmelzung habe ich damit verbracht mir den Großteil der Erinnerungen anzusehen. Es ist ein unglaubliches Gefühl, mit all diesen Wesen vereint zu sein." "Hat es dir nie... Angst gemacht?", fragte ich neugierig und setzte mich ebenfalls. Ich bezweifelte, dass er mir etwas tun würde. Und selbst wenn, ich war durchaus in der Lage mich zu wehren. "Ich meine, was wenn es schief gegangen wäre? Ich habe Berichte gelesen, laut denen Hexer ganze Landstriche verwüstet und Dörfer dem Erdboden gleich gemacht haben." Haytham schüttelte den Kopf, klatschte in die Hände und griff ein Glas Wein aus dem Nichts. Ein weiteres Klatschen und eine dampfende Tasse Kaffee und eine Schachtel Camel erschienen vor mir auf dem Tisch. Mit einem schwachen Lächeln zündete ich mir eine Kippe an. "Woher wusstest du was ich rauche?", fragte ich. "Ganz einfach: Ich beobachte dich schon länger. Aber zu deiner vorherigen Frage: Nein, ich hatte keine Angst. Als ich die Geister beschwor, hatte ich keine andere Wahl.", antwortete er, wobei seine Stimme leise wurde. "Manche Dinge sind es wert Risiken einzugehen." "Die Frau.", setzte ich an. "Sie war deine Ehefrau, nicht wahr?" Der Hexer nickte nur stumm und nippte an seinem Glas. "Früher hat sie mir mehr bedeutet als alles andere auf dieser Welt. Obwohl das nicht ganz stimmt. Nicht mir. Einem jungen Mann namens Robert, der glaubte sie rächen zu müssen. Aber der bin ich nicht mehr." "Gestern habe ich einen Vampir getroffen, der behauptet auf mich sei ein Kopfgeld ausgesetzt.", wechselte ich rasch das Thema. Ich wollte nicht weiter alte Wunden aufreißen. "Und besagter Vampir meinte, du könntest mir mehr sagen. Also, wer ist für das Kopfgeld verantwortlich?" Haytham nickte und nahm einen weiteren Schluck Wein. "Stimmt. Es wurde ein Kopfgeld ausgesetzt. Junge, du hast echt ein Talent dir mächtige Feinde zu machen. Das Kopfgeld hat SOL ausgesetzt. Zwei Millionen Dollar. Und Schutz vor SOL. Wer dich tötet, wird nie wieder gejagt, alle vorhandenen Daten werden gelöscht." Fucķ. Klar, inzwischen stellten die wenigsten Kreaturen eine Gefahr für mich da, aber würde jemand mich erkennen, wären auch meine Freunde in Gefahr. "Was ist mit den Leuten oben?" "Du meinst ob sie dich verraten? Nein. Jeder von ihnen weiß wie es ist gejagt zu werden, niemand würde das tun. Und wenn es doch jemand wagen sollte, würden die anderen ihn verstoßen." Gut, das gab mir schon mal ein wenig mehr Sicherheit. Ansonsten würde ich einfach aufpassen müssen, dass man mich nicht erkannte. Und ich würde meine Freunde warnen müssen. "Aber das ist nicht das, weshalb ich dich erwartet habe.", unterbrach Haytham meine Gedanken. "Du befindest dich auf einem Rachefeldzug und realisierst nicht, wie viel größer das Ganze ist. Es geht um so viel mehr. Und du bist der Schlüssel zu allem." Verwirrt ließ ich meine Zigarette sinken und starrte den Hexer an. Haytham stand auf und legte mir Zeige- und Mittelfinger auf die Stirn. Bilder zogen an meinem inneren Auge vorbei, Bilder von brennenden Städten, Menschen die auf offener Straße von Dämonen in Stücke gerissen wurden und dann eine Frau in einer Art Uniform. Sie hatte langes, blondes Haar und eisblaue Augen mit einem tiefgrünen Rand, dessen Farbe der stürmischen See glich. Dann nahm Haytham seine Hand wieder weg und die Vision endete. "Was waren das für Erinnerungen? Was soll das alles?", fragte ich, leicht benommen von dem was ich eben gesehen hatte. "Das waren keine Erinnerungen.", sagte der Hexer mit düsterer Stimme. "Das war die Zukunft. Dein Schicksal. Nathaniel, was ich dir gezeigt habe, ist die Apokalypse."

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt