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Nachdenklich streichelte ich über das blutrote Symbol auf meiner Brust. Das Ankh, ägyptisches Kreuz, Henkelkreuz, Lebensschleife, Nilschlüssel oder koptisches Kreuz (als Symbol der koptischen Kirche), lateinisch Crux ansata, war ein altägyptisches Symbol, das für das Weiterleben im Jenseits stand .Als Hieroglyphe steht das Zeichen für das körperliche Leben. Und es verhinderte, dass der Tod meine Seele ernten konnte. „Aber war meine Seele eben nicht von meinem Körper getrennt?“, fragte ich. Tod seufzte. „Ich hab ja schon gehört, dass du ein Klugscheißer sein sollst, aber so sehr... Azrael, erklär es ihm. In Portugal stirbt gleich ein Priester bei einem Überfall.“ Ohne ein weiteres Wort verschwand der Tod, immer noch in Gestalt eines kleinen Mädchens. „Nimm es ihm nicht übel.“, meinte Azrael entschuldigend. „Unsterbliche sind nun mal nicht gut fürs Geschäft. Erfährt jemand davon, wollen alle unsterblich sein. Stell dir mal das Chaos vor. Vor ein paar Jahrhunderten hat ein Alchemist einen Unfall gehabt, hat bei einem Experiment mit dem Stein der Weisen Mist gebaut und ihn in sich aufgenommen. Tod war fast hundert Jahre lang sauer.“ „Zachaire?“, fragte ich leicht grinsend und zündete mir eine Zigarette an. Jetzt konnte ich ja unbesorgt weiterrauchen. „Franzose, ein wenig exzentrisch und ein Hang zu Suizidversuchen?“ Azrael zog eine Augenbraue hoch, dann sagte er: „Ach ja, ich hatte fast schon vergessen, dass ihr euch kennt.“ Ich nahm einen tiefen Zug von meiner Kippe, dann legte ich sie in einen Aschenbecher und zog Schirt und Jacke wieder an. „Warum hasst du mich nicht?“, fragte ich den Erzengel. „Engel, Dämonen, sie sind einander so ähnlich und doch grundlegend verschieden. Sie hassen dich, deine Art, fürchten deine Macht. Mich geht das nichts an, es ist nicht an mir zu richten.“ „Zurück zum Ankh-Kreuz und meiner Seele.“, wechselte ich das Thema. Azrael setzte sich auf einen Hocker, schien zu überlegen. „Zum Kreuz kann ich dir nicht viel sagen.“, setzte er an. „Was es bei den Ägyptern bdedeutete weißt du sicherlich. Aber es ist älter, älter als ich, vermutlich so alt wie der Tod selbst. Nur die wenigsten kennen seine Bedeutung und ich kann mir kaum vorstellen, welche Macht nötig war, um ein solch machtvolles Mal an dich zu binden.“ „Gut, aber was macht es mit mir? Mit meiner Seele?“, hakte ich nach. „Die Seele ist ein komplexes Gebilde, besonders deine. Sie kann den Körper verlassen, aber bleibt mit ihm verbunden. Tod´s Aufgabe ist es, diese Verbindung nach dem Ableben zu durchtrennen, während ich den Namen der Toten aus dem Buch der Lebenden streiche und verwirrte Seelen auf dem ihnen zugewiesenen Pfad begleite. Aber das Kreuz verhindert, dass diese Verbindung gekappt wird. Und da du ein Nephilim bist, erholst du dich von so ziemlich jedem Angriff. Ein Fluch oder ein Segen, das wird die Zeit zeigen.“ Plötzlich wurde der Körper des Engels durchscheinend. Azrael seufzte."Ich hasse es wenn er das macht. Ich werde gebraucht. Sobald ich weg bin, wird die Zeit an diesem Ort weiterfließen, also solltest du auch bald gehen.“ Im nächsten Moment war der Engel des Todes verschwunden. Wie er gesagt hatte, kam wieder Leben ins Casino. Die Frau mit dem Kaffeebecher stürzte zu Boden und fluchte, die Automaten gaben ihre nervtötenden Geräusche von sich. Dann gab es einen Schrei, als jemand die Blutlache entdeckte, die ich auf dem Boden hinterlassen hatte. Ein kleiner Tumult brach aus, den ich nutzte um mir meinen Rucksack und meine Kippe zu schnappen und abzuhauen. Mit gesenktem Kopf verzog ich mich in eine Seitengasse und rief die Schatten. Sie hüllten mich ein und im nächsten Moment stand ich im Flur der Villa. Aus dem Wohnzimmer drangen die Stimmen der Anderen. „...seine letzte bekannte Position?“, hörte ich Emilias Stimme. Sie klang hart, aber Sorge schwang darin mit. „Ich hab mich umgehört.“, erklang nun Zachaires Stimme. „Eine Maschine von SOL ist über Nevada abgestürzt, keine Überlebenden, das Flugzeug ist beim Aufprall explodiert. Emilia, ich weiß es ist schwer, aber was wenn er wirklich...“ „Nein!“, unterbrach ihn Emilia. „Nath lebt! Das weiß ich einfach! Jack, such weiter nach ihm, irgendjemand muss ihn gesehen haben! Jasmin, du versuchst seine Energie zu orten. Nath gerät doch dauernd in Kämpfe. Nero, du hilfst ihr. Irgendein Ritual muss es doch geben.“ Ich legte den Rucksack leise auf den Boden und trat ins Wohnzimmer. „Na Leute,“, fragte ich grinsend. „Habt ihr mich vermisst?“ Mit aufgerissenen Augen starrten die Anderen mich an, völlig geschockt. Schließlich kam Emilia auf mich zu. Ich breitete die Arme aus, in Erwartung einer stürmischen Umarmung, stattdessen packte sie mich an Handgelenk und Schulter und drehte die Hüfte. Im nächsten Moment lag ich keuchend auf dem Boden, während Emilia mir ein Messer an die Kehle hielt. „Wag es nie wieder mich einfach wegzuschicken und dich danach entführen zu lassen!“, zischte sie. Sanft schob ich das Messer beiseite, stand auf und zog Emilia an mich. „Ich lasse dich nie wieder alleine.“ Ich beugte mich zu ihr und hauchte ihr einen Kuss auf die Lippen. „Versprochen.“ Sie sah mir tief in die Augen und flüsterte: „Ich brauche dich.“ Ein Räuspern erklang. „Wollt ihr euch nicht ein Zimmer nehmen?“, fragte Nero spöttisch. „Klappe.“, sagte ich. „Oder soll ich dich an das Hotelzimmer in New Orleans erinnern?“ Der Kater fauchte kurz, dann drehte er beleidigt den Kopf weg. „Wir reden später.“, flüsterte ich Emilia zu und wandte mich an die Anderen. „Ihr habt bestimmt Fragen. Die Kurzfassung ist, dass ich Kusanagis Macht absorbiert habe, von SOL betäubt und entführt wurde, eine Wyvern gekillt habe, wonach ich mir in Vegas eine kleine Pause gegönnt habe, die durch einen Kampf gegen den Erzengel Raguel beendet wurde.“ Das mit der Unsterblichkeit würde ich erst mal für mich behalten, das würde es nur noch komplizierter machen. Erst herrschte erstauntes Schweigen, dann fragte Marcus kopfschüttelnd: „Kommt es mir nur so vor, oder versucht wirklich jedes übernatürliche Wesen auf diesem Planeten den Kleinen zu Hackfleisch zu verarbeiten?“ Grinsend antwortete ich: „Das macht meinen besonderen Charme aus. Also, gibt es was zu Essen? Dem Tod von der Schippe zu springen macht verdammt hungrig.“

Rogue HeroWo Geschichten leben. Entdecke jetzt