He's not okay.

3.7K 98 13
                                    

"To think too much is a disease." (Fyodor Dostoyevsky in 'Notes from Underground and The Double')

"Ich äh entschuldige", stotterte Charles und rannte förmlich die Treppe runter.

Er war immer noch nicht wieder ganz bei sich als er einige Minuten später Zuhause ankam. Charles war froh, dass er in seinem Ferrari keinen Unfall gebaut hatte. Der Kuss, wenn man das überhaupt so nennen konnte, hatte ihn völlig aus der Bahn geworfen. Charles hatte zwar schon ein paar Mädchen geküsst, aber das war immer anders gewesen, nicht so explosiv? Verwirrend? Emotional? Er hatte schon vor einer Weile geparkt, saß aber immer noch in seinem Auto und starrte vor sich hin. Er klappte die Sonnenblende runter und schob die Abdeckung des kleinen Spiegels zur Seite. Charles betrachtete seine Lippen. Sie sahen noch genauso aus, wie vorher, aber sie fühlten sich an als würden sie brennen. Nach einigen Minuten entschloss er sich schließlich doch den Weg in die Wohnung anzutreten, zumal er auch noch das Gespräch mit Giada vor sich hatte, in dem er ihr sagen würde, dass er den gemeinsamen Urlaub absagte. Normalerweise nahm er die Treppe, aber ausnahmsweise benutzte er diesmal den Aufzug. Oben angekommen zerrte er seinen Koffer zur Haustür, schloss diese auf und seufzte ein wenig zufrieden. Der Geruch und das Gefühl von Zuhause umhüllten ihn. Charles hörte Giada in der Küche hantieren, aber sie kam nicht zu ihm, um ihn zu begrüßen, was verständlich war nach der Nachricht, die er ihr gestern Nacht geschrieben hatte. Er kickte seine Schuhe in die Ecke, hängte seine Jacke an den Haken und brachte seinen Koffer ins Schlafzimmer. Charles tat alles, um nicht sofort mit ihr reden zu müssen. Er brachte seine Wäsche zur Waschmaschine, packte sein Kulturzeug ins Badezimmer und sortierte sogar seine saubere Kleidung in seinen Schrank ein. Dann, als er wirklich nichts anderes mehr zu tun hatte, ging er in die Küche zu Giada. Sie saß mit dem Rücken zur Tür da und aß etwas. Charles umarmte sie kurz von hinten, drückte ihr einen Kuss auf die Wange und flüsterte: "Hi" "Hi", murmelte Giada zurück, würdigte ihn aber keines Blickes. Charles setzte sich ihr gegenüber und spielte nervös mit seinen Fingern. "Du bist nicht gut drauf", stellte er zutreffend fest. "Kannst du's mir verübeln? War nicht die beruhigendste Nachricht gestern. Also, über was willst du reden?" "Es geht um unseren Urlaub auf Kreta im Sommer. Ich... wäre es sehr schlimm, wenn ich nicht mitfahre? Im Moment wächst mir alles ein wenig über den Kopf und ich wäre die Woche echt gerne Zuhause" "Ich soll also allein in einen Pärchen-Urlaub fahren?" "Nein, nein. Ist ja alles bezahlt und so. Ich dachte, dass du vielleicht eine Freundin oder so mitnehmen möchtest? Dann könnt ihr euch eine schöne Woche machen" Giada sah kurz auf den Tisch, schaute dann ihn an, zog ihre Mundwinkel hoch zu einem ganz leichten Lächeln und nickte kurz. "Klar, ich frag mal Lea, ob sie da Zeit hat" Charles nickte. "Okay. Sag einfach Bescheid, wenn du jemanden hast, dann kann ich alles umbuchen" "Klar" Er stand auf, blieb neben ihr stehen und sagte: "Danke" "Schon gut", antwortete Giada. Charles beugte sich zu seiner Freundin herunter und küsste sie kurz. Keine brennenden Lippen, keine Blitze, die seinen Körper durchzuckten, keine Explosionen in der Magengegend. Nur ein Kuss, keine Gefühle.

Charles verbrachte den restlichen Abend vor seiner Playstation, mit Kopfhörern auf, die so laut eingestellt waren, dass die Töne vom Spiel seine Gedanken übertönten. Er ging erst ins Bett als Giada schon tief und fest schlief, nur um nicht mit ihr reden zu müssen. Er fasste sein Handy nicht an, um nicht Gefahr zu laufen irgendetwas von Louna zu hören und sich damit auseinander setzen zu müssen. Mit der Zahnbürste in der Hand stand er vor dem Spiegel im Badezimmer. Charles musterte sich selbst darin. Augenringe, trauriger Blick, leicht eingefallene Wangen. Er versuchte ein halbwegs echt-wirkendes Lächeln aufzusetzen und sagte halblaut: "Mir geht's gut" Es sollte schließlich glaubwürdig rüberkommen, falls jemand fragte. Charles räumte die Zahnbürste weg, löschte das Licht im Bad und tapste in der Dunkelheit zum Bett. Er rollte sich unter seiner Bettdecke, zum Glück hatten sie zwei, zusammen. Die Gefühle brachen wie eine Welle über ihn hinein. Nein, es ging ihm nicht gut.

When Your Past Becomes Your Future (Charles Leclerc FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt