"It was unbearable. The whole thing. Every second worse than the last." (John Green in 'The Fault in our Stars')
Der Schock und die Trauer legten sich wie ein dunkles Tuch über Fahrer, Teams und Fans. Fassungslose Blicke wurden geteilt, Tränen versucht zu trocknen, die nicht zu trocknen waren. Es dauerte nicht lang, bis ausnahmslos alle Handys Töne von sich gaben. "Drivers Briefing, in einer Stunde. Für alle. Formel 3 bis Formel 1", murmelte Giuliano. Alle wussten, was dort diskutiert werden würde. Obwohl es nur ein einziges Briefing war, würden drei einzelne Entscheidungen getroffen werden und das bedeutete Arbeit für Louna. Doch so wirklich in der Lage dazu zu arbeiten war sie gerade nicht. Charles, der immer noch keine einzige Träne vergossen hatte, hielt sie weiterhin eng an sich gedrückt. Er strich ihr beruhigend über den Kopf. "Du musst die Briefings nicht mitbetreuen", versicherte Manuel ihr, doch Louna löste sich von Charles, wischte sich die Tränen und das Make-Up von den Wangen und sagte: "Ich möchte aber" "Sicher?", fragte nun Charles. Louna nickte. Ihr liefen noch immer Tränen über die Wange, aber ihr Atem war wieder ruhiger geworden. Langsam leerte sich das Media Center, weil sich alle Fahrer vor dem Briefing noch einmal mit ihrem Team absprechen wollten. Auch Charles musste in die Ferrari Box zurück. "Ich muss los", flüsterte er leise. "Okay", wollte Louna sagen, doch das Wort blieb ihr im Hals stecken, zusammen mit dem Kloß, der da immer noch war. Sie rang um Fassung, darum, dass die Tränen aufhörten zu fließen. Charles nahm liebevoll ihren Kopf zwischen die Hände und küsste ihre Stirn lange. "Ich bin heute Abend bei dir, ich komme so schnell ich kann. Wenn du nicht da bist, warte ich auf dich", flüsterte er. Louna nickte. "Danke", antwortete sie heiser. Noch einen Kuss auf den Kopf gab er ihr, dann verschwand Charles als letzter der Fahrer aus dem Media Center. Louna ließ sich auf den Stuhl neben Manuel fallen. "Du musst das wirklich nicht machen" "Ich weiß, aber ich möchte. Das Briefing ist in einer Stunde bis dahin müssen wir vorbereitet sein", schniefte sie, gerade auf dem Weg ihre Fassung wieder zu gewinnen. Sie wechselte in ihren professionellen Modus. "Habt ihr es schon in den Live-Ticker gesetzt?", fragte sie als nächstes. "Ja du warst nicht wirklich ansprechbar, sonst hätten wir dich das machen lassen" "Alles gut" Sie hätte es wahrscheinlich eh nicht übers Herz gebracht.
Die drei versuchten sich halbwegs professionell auf das anstehende Briefing vorzubereiten. Für jede Entscheidung gab es zum Glück nur zwei mögliche Szenarien, sodass man das alles sehr gut vorbereiten konnte. Louna musste zwischendurch immer wieder eine kurze Pause machen, um sich zu beruhigen. Das ist das Böse an Trauer, sie kommt in Wellen und reißt einen jedes Mal wieder mit. Fünf Minuten bevor das Briefing beginnen sollte, waren sie mit allem fertig. Mit einem tiefen Seufzen lehnte Louna sich zurück und fuhr sich mit den Händen übers Gesicht. Als sie wieder aufsah, waren die Blicke ihrer Kollegen auf sie gerichtet. "Möchtest du zum Briefing gehen?", fragte Paul behutsam. Louna überlegte kurz und nickte dann. "Aber ich sollte vorher kurz mal in den Spiegel in schauen und das Make-Up beseitigen" Louna stand auf, fuhr sich ein weiteres Mal mit den Händen übers Gesicht, schaute kurz auf ihre Hände und seufzte. Sie hatte schwarze Mascara Streifen auf ihren Händen. Das Frauenbadezimmer im Media Center eines Formel 1 Geländes war eins der leersten Frauenbadzimmer der Welt. Zum Glück, denn als Louna in den Spiegel sah, erschrak sie ein bisschen. Ein paar Minuten und einige Ladungen kaltes Wasser später war das Mascara weg und ihre Augen wenigstens wieder ein bisschen abgeschwollen. Möglichst unauffällig schlich sie in den Raum, in dem schon alle Fahrer und Fahrerinnen saßen. Normalerweise hätte man dort Lachen gehört und alle unterhielten sich. Diesmal nicht. Niemand lachte, niemand unterhielt sich. Die Fahrer waren in kleine Sektionen aufgeteilt. Ganz links saßen die Formel 3 Fahrer, in der Mitte Formel 2 und ganz rechts die Formel 1 Jungs. Vor den vollbesetzten Stühlen stand auf einem kleinen Podest ein Tisch mit drei Stühlen. Alle drei waren noch leer. Louna stand mit den anderen Journalisten hinter den Fahrern an der Wand. Sie ließ ihren Blick ein wenig schweifen. Neben Giuliano saßen Pierre, Charles und die anderen jungen Fahrer. George, Lando, Max, Alex, alle saßen sie dort. Pierre hatte seinen Kopf in die Hände gestützt. Ob er weinte oder nicht, konnte Louna aus dieser Entfernung nicht sagen. Sie unterdrückte die wiederaufkommenden Tränen, weil nun der FIA Präsident Jean Todt, Rennleiter Michael Masi und der Chef des medizinischen Teams Ian Roberts den Raum betraten und sich auf dem Podest an den Tisch setzten. Die Aufmerksamkeit richtete sich auf die drei genickt wirkenden älteren Männer. Sie erklärten kurz die Situation und dann, was nun besprochen wurde. Es ging darum welche Rennen am nächsten Tag stattfinden würden und welche nicht. Die FIA wollte das nicht über den Kopf der Fahrer hinweg entscheiden und ließ sie deshalb nun selbst entscheiden. Man begann bei der Formel 3. Louna wischte sich hin und wieder verstohlen ein paar Tränen von der Wange und schrieb mit, was die Formel 3 Fahrer sagten. Nicht alles, aber die groben Hauptargumente. Am Ende gab es eine Abstimmung, die für die Austragung des Rennens ausging. Dann die Formel 2. 18 rotgeweinte Augenpaare erhoben den Blick zu den drei Männern auf dem Podest. Diese Entscheidung war nach kaum zwei Minuten getroffen. Sie würden nicht fahren, das Rennen war abgesagt. Für die Formel 1 war die Entscheidung ein wenig schwieriger zu treffen. Charles hatte sich während der letzten Minuten ein wenig im Raum umgesehen und dabei natürlich Louna entdeckt. Nun drehte er sich wieder zu ihr um. Sie sah den Zweifel in seinen Augen. Er war sich nicht sicher, ob er es Morgen schaffen würde. Doch Louna war sich sicher. 'Du kannst das', formte sie mit den Lippen. Er sah sie an als wollte er sie fragen, ob sie sich dabei sicher war und sie nickte leicht. "Ich bin dafür zu fahren", sagte Pierre auf einmal. "Ich habe jahrelang mit ihm zusammengewohnt, er war wie mein Bruder... ich mach's für ihn." Louna hatte in diesem Moment so unglaublich viel Respekt vor Pierre. Alle Fahrer schlossen sich ihm an. Allen viel es schwer, allen voran Pierre, aber sie wollten alle für ihn fahren, um ihn stolz zu machen. Die Abstimmung fiel einstimmig aus. "Vor beiden Rennen wird es eine Schweigeminute geben und das Feiern auf dem Podium naja, das erklärt sich von selbst, oder?" Alle nickten. Jean Todt sprach noch einmal allen sein Mitgefühl aus, dann entließ er alle Fahrer, sie hatten ihre Pflichten für heute getan.
Louna leider noch nicht. Sie musste den Liveticker zu Ende schreiben. Charles sprang fast schon auf, um so schnell wie möglich zu Louna zu kommen. Sie umarmten sich mal wieder und er flüsterte: "Lass uns gehen" "Ich muss noch arbeiten" "Können das nicht deine Kollegen machen?" "Nein... ich ich bin es ihm schuldig" Charles war kurz still. Sie machte sich zu viel Druck, aber er konnte sie eh nicht davon abhalten. Was er konnte, war für sie da zu sein. "Okay, aber ich komme mit. Wenn du fertig bist, bring ich dich ins Hotel" "Bleibst du dann bei mir?" "Wenn du das möchtest" Sie nickte. Dann natürlich
Louna nahm Charles' Hand und verschränkte ihre Finger mit seinen. Gemeinsam gingen sie zurück ins Media Center zu Manuel und Paul. Sie hatten schon fast erwartet, dass Charles mit Louna zusammen kam. Der Ferrari Pilot setzte sich neben Louna und strich ihr die ganze Zeit liebevoll über den Rücken, während sie die letzten Liveticker-Beiträge des Tages schrieb.Keine Formel 2 am Sonntag!
Aus Respekt vor dem Verstorbenen Anthoine Hubert wird das morgige Formel 2 Rennen abgesagt. Die anderen beiden Rennen werden stattfinden. Es wird Schweigeminuten geben. Die Motorsport-Familie hat heute eine schweren Schock erlitten, den sie so schnell nicht verkraften wird. Wir wünschen Anthoines Familie sehr viel Kraft in dieser schweren Zeit. Damit beenden wir diesen grauenvollen Tag. Es kann nur besser werden."Okay, fertig", flüsterte Louna und wollte sich an die Rückenlehne ihres Stuhls lehnen, wurde aber sofort von Charles umgeleitet, sodass sie schließlich an seiner Schulter lehnte. Er hatte immer noch keine Träne geweint.
Sie nahmen die kürzeste Strecke zum Hotel. Charles war zur Not bereit Louna ins Hotel zu tragen, falls sie zusammenbrechen sollte, denn im Moment sah es ein wenig so aus. Sie hatte wieder zu weinen begonnen, sobald sie das Media Center verlassen hatten und nicht mal Charles hatte diesmal etwas daran ändern können. Er selbst fühlte immer noch nichts und es machte ihm immer noch Angst. Louna hatte ihre Arme um seinen Bauch gelegt und ließ die Tränen einfach stumm fließen. Irgendwie schafften es beide stehend an seine Zimmertür.
Die letzten Stunden hatte er absolut nichts gefühlt, doch jetzt auf einmal, schon fast in der Sicherheit seines Hotelzimmers, übermannte es ihn. Alles auf einmal. Charles' Hand begann zu zittern als er seine Schlüsselkarte rausholen wollte. Nach und nach begann sein ganzer Körper zu zittern. "Charles?", fragte Louna besorgt zwischen zwei Schluchzern. Sein Atem ging immer flacher. Seine beste Freundin nahm ihm sanft die Karte aus der Hand und schloss das Zimmer auf. Charles stolperte hinein, Louna hinterher. Die Tür war zu, das Licht noch nicht an. Die beiden sahen sich an, konnten sich kaum erkennen bei dem spärlichen Licht, das der Mond durchs Fenster spendete, aber Louna sah, dass Charles nicht okay war. Obwohl ihr selber die Tränen über die Wange liefen, legte sie ihre Hände liebevoll an seine Wangen. "Großer", wisperte sie, mehr brachte sie grade nicht zu Stande. "Er ist tot", keuchte Charles, sprach es damit das erste Mal aus. Louna nickte: "Ja..." Und dann brach plötzlich alles aus ihm heraus. Louna hatte schon einige Wellen der Trauer hinter sich, für Charles war es die erste und sie riss ihn unerbittlich mit, riss ihm den Boden unter den Füßen weg. Sein Atem stockte, seine Knie gaben nach und die Tränendrüsen auch. Louna hockte sich sofort zu ihm. "Er ist wirklich tot... Einfach einfach weg... warum er", schluchzte der sonst so starke Monegasse. Louna zog ihn mit aller Kraft hoch und verfrachtete ihn aufs Bett. Sie legte ihn sanft hin und breitete die Bettdecke über ihm aus. Sie hatte ihren besten Freund noch nie so fertig gesehen. Er kauerte auf dem Bett, zitternd, weinend. Louna legte sich zu Charles. Sie bettete seinen Kopf auf ihrer Brust und hielt ihn einfach fest. Sie wusste nicht, was sie sonst tun sollte. Das Mädchen strich vorsichtig durch seine Haare und ließ ihn weinen, während ihr die Tränen ebenfalls weiter über die Wange liefen. Das würde eine schwere Nacht werden. Die erste Nacht ohne Anthoine auf dieser Erde.Ich weiß nicht so wirklich, was ich schreiben soll hier... deshalb wünsche ich euch einfach viel Spaß beim Qualifying und beim Rennen :)
Bleibt gesund💕
Lots of love💕💕
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When Your Past Becomes Your Future (Charles Leclerc FF)
FanfictionEine ehemalige Rennfahrerin findet sich nach über sechs Jahren auf einmal auf der anderen Seite, auf der Seite der Medien, wieder. Ohne Vorwarnung wird sie wieder in die Welt des Motorsports geworfen und damit auch in eine Welt voller Erinnerungen a...