Kapitel 2

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PoV Anna

Ohne noch einmal zu zögern öffnete die Ärztin die Tür und betrat einen ebenfalls weißen Raum mit einem Fenster am anderen Ende des Zimmers. Langsam folgte ich ihr und meine Mutter schloss die Tür hinter uns. Rechts ging eine Tür in ein kleines Badezimmer ab. Immerhin ein Rückzugsort.

Ansonsten war das Zimmer karg eingerichtet, zwei Betten, ein Tisch mit zwei Stühlen und ein Schrank links neben mir. Das Fenster hatte eine dickere Scheibe als die Fenster, die ich kannte. Eben ein Gefängnis.
Erst jetzt viel mir das Mädchen auf dem rechten Bett auf. Sie hatte einen schwarzen Hoodie an und hatte die Kapuze verdeckte ihr Gesicht. Sie saß mit angezogenen Beinen an die Wand gelehnt und sah nicht mal auf. Noch jemand,der keine Lust auf dieses Gefängnis hat, dachte ich und wandte den Blick zu meiner Mutter. Auch sie starrte das Mädchen an.
,,Fenja, das ist deine neue Zimmergenossin Anna", meinte die Ärztin, doch auch jetzt schaute das Mädchen nicht auf, ,,Sie sollten nun gehen, Frau Strunk", sagte die Ärztin dann zu meiner Mutter und sie umarmte mich nocheinmal. Dann ging sie und auch die Ärztin sah noch einmal zu Fenja, die sich immer noch nicht gerührt hatte. Dann ging auch sie.

Als sich die Tür schloss umgab mich zum ersten Mal in diesem Gebäude Stille. ,,Hallo", sagte ich zu dem Mädchen in der Hoffnung endlich einmal beachtet zu werden, doch sie rührte sich immer noch nicht. Also began ich meine Klamotten in die linke Schrankseite zu sortieren. Dabei fiel mein Blick auf Fenjas Klamottenstapel, schwarze und graue Pullover, keine anderen Farben. Ich sah kurz etwas verwirrt zu Fenja, die immernoch so dasaß und auf den Boden starrte.

Schließlich setzte ich mich auf mein Bett und sah noch einmal zu Fenja. Kurz konnte ich etwas von ihrem Gesicht und Hals sehen, doch sie beugte sie zog die Beine einfach noch weiter an ihren Körper und ich konnte nichts als den schwarzen Hoodie und die graue Hose sehen.
Doch der kurze Blick auf ihre Haut hatte gereicht um die unzähligen Narben auf ihrem Gesicht zu sehen. An ihrem Hals zogen sich noch viel mehr und er war sogar von frischeren Wunden übersäht.

Nachdenklich betrachtete ich sie. Sie schien nicht magersüchtig zu sein, so wie ich. Klar, die Pflegerin hatte auch gesagt, das sie von Station 4 kam. Leider wusste ich nicht, welchen Jugendlichen man dort helfen wollte. Trotzdem hatte ich die traurigen und trüben blau-grünen Augen des Mädchens gesehen. Viel trauriger und matter als die der anderen Jugendlichen, die ich hier bis jetzt gesehen hatte...

Plötzlich klopfte es an die Tür und eine Pflegerin mit hellblonden Haaren trat ein: ,,Hallo Anna, du bist also die neue hier auf der Station. Ich bin Frau Pollmann", sie lächelte mir zu und ich versuchte es ebenfalls, was kläglich misslang. Dann fujr sie fort: ,,Gleich gibt es Abendessen, du solltest immerhin einmal hingehen und ein paar Kontakte knüpfen. Der Essraum ist im 1.Stock, dein Tisch ist die Nummer 13. Du teilst ihn dir mit Nina, Anica und Jana." Ich nickte nur und sah kurz zu Fenja. Sie schaute nicht einmal zu Frau Pollmann auf. Diese schien meinen Blick bemerkt zu haben:,,Fenja, du kommst auch." Ihre Stimme klang streng, doch das Mädchen schüttelte fast unmerklich den Kopf. Die Pflegerin schüttelte den Kopf und nickte mir dann zu: ,,Kommst du?" Dann ging sie schon los und ich folgte ihr mit einem letzten Blick auf Fenja, deren Blick auf das Fenster gerichtet war.

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt