Kapitel 10

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PoV Anica

Ich konnte nicht mehr. Das schreien der beiden machte mich fertig. Ich hatte schon genug Menschen sterben gesehen. Hatte Menschen leiden gesehen. Nicht noch einmal!
Ohne nachzudenken stieß ich Jana an und zeigte mit wutverzerrtem Gesicht zur Tür:,,Hol verdammt nochmal Hilfe!" Kurz sah Jana mich nur aus geschockten Augen an, dann öffnete sie die Tür und verschwand.

Ich wandte mich den beiden zu. Nina drückte mitlerweile immer doller zu und Fenja lächelte sogar ein wenig. Am liebsten hätte ich sie einfach sterben lassen, ich mochte sie nicht. Niemand mochte sie, allen vorran sie selbst. Wozu lebte sie also noch?
Schließlich ging ich einfach zu den beiden und zog Nina von ihr runter, wobei meine Hand sofort blutversvchmierten, was mir aber egal war:,,Was soll das Nina?!" Sofort holte Nina nach mir aus, aber ich hielt ihre Hände einfach fest. Dann zog ich sie aus dem Zimmer und wäre fast in die zwei Sanitäter hineingerannt, die das Zimmer betraten. Ich wich mit Nina zur rechten Wand aus und erblickte Jana, die in all dem Chaos zu uns beiden starrte.

Fast beneidete ich Fenja. Einfach so dazuliegen, vielleicht nie wieder etwas von diesem Chaos mitzubekommen...Hör auf so zu denken! Du hast das hinter dir gelassen!
Ich nickte Jana zu und versuchte meine Stimme ruhug klingen zu lassen:,,Hol Anna. Wir gehen in mein Zimmer." Jana nickte, obwohl sie noch immer zitterte. Ich konnte sie verstehen. Es musste sie an ihre Vergangenheit erinnern. Schläge, Blut und Schmerzen...

Ich wartete ungeduldig vor dem Fahrstuhl und wäre am liebsten zusammengebrochen. Diese Tage würde ich am liebsten ausradieren. Warum ich noch hier war, wusste ich. Eigentlich hatte ich schon lange keine Sucht mehr, aber meine Eltern ließen mich aus zwei Gründen noch immer hier:
1. Sie meinten, wenn ich wieder raus wäre, käme sofort ein Rückschlag.
2. Sie vermissten mich nicht, die Tochter, die sie so enttäuscht hatte.
Mitlerweile hatte ich mich an das Leben hier gewöhnt und wusste nichtmal; ob ich hier noch weg wollte.

In meinem Zimmer ließ ich mich auf mein Bett gleiten und atmete tief durch. Dann ließ ich Nina los und drückte sie etwas weg. ,,Beruhig dich erstmal", sagte ich und stand auf, um die Tür zu schließen. Jana und Anna hatten sich auf die Stühle am Tisch gesetzt und starrten in die Leere.

,,Ich kann das nicht sehen...", schluchzte Jana plötzlich und schüttelte immer wieder den Kopf. War das eine ihrer Panikattacken, in denen sie ihre Vergangenheit sah?
,,Mach, das die Bilder weggehen!", schrie sie plötzlich und ließ sich vom Stuhl gleiten. Tränen rannen über ihr Gesicht und sie sah sich um, als würden wir alle gleich auf sie einschlagen. Sie tat mir Leid, aber was sollte ich machen?

Schließlich war es Anna, die Jana zaghaft hochzog und sie dann einfach an sich drückte. Jana scgloss die Augen und ich lehnte mich an die Wand. Am liebsten wäre ich jetzt einfach in ein dunkles Loch gefallen, ohne Gedanken, ohne Emotionen. Einfach nur weg von hier.
Weg von Nina, die mich mit ihrem Blick durchbohrte.
Weg von Anna, deren Körler die Last von Jana kaum zu halten schien.
Weg von Jana, die schluchzend auf Annas Schoß saß, wie ein kleines Kind, das man beschimpft hatte.
Weg von diesem Ort, an dem es nur noch Blut und Trauer gab...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt