Kapitel 36

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PoV Anica

Ich öffnete meine Augen und fand mich in einem weißen Bett wieder. Auch alle Wände strahlten mich in der selben Farbe an. Erst dann fiel mein Blick auf den dicken Verband an meinem linken Unterarm und ich zuckte zusammen, als all die Erinnerungen auf mich eindrückten. Wie ich das silbern glänzende Messer an meine Pulsader setzte. Wie ich es immer fester dagegen drückte und es dann mit all meiner Kraft durchzog. Wie ich aus dem Fenster sah, auf der Suche nach einem letzten Anblick. Wie sich die Tür öffnete und Jana mit Anna hereinkamen. Wie sie mich voller Angst ansahen. Wie ich immer schwächer wurde und die Schmerzen alles von mir einnahmen. Wie ich ihnen in die Augen sah und dann war dort Fenja gewesen. Plötzlich hatte das Blut nicht mehr so viel von mir preisgegeben.
Wie ich plötzlich alles bereute und nur eines wollte: Leben. Erleichterung erfasste mich. Ich hatte es nicht geschafft, ich durfte weiterleben. Und irgendwie wusste ich, das ich es nie wieder versuchen würde. Ich wollte niemals wieder Angst haben die anderen zum letzten mal zu sehen.

Plötzlich ging die Tür auf und ich schluckte. Dort standen Jana, Anna und sogar Nina. Alle sahen traurig und erleichtert zugleich aus. Kurz sahen wir uns winfach nur an, dann war es Jana, die zu mir rannte und mich umarmte:,,Du lebst..." Ich spürte, wie all ihre Angst von ihr abfiel und drückte sie an mich. Dann flüsterte ich:,,Ja, es tut mir Leid..." Jana nickte und ich sah, wie sie sich Tränen aus den Augen wischte. Anna und Nina standen nun neben ihr und lächelten. Auch sie schienen erleichtert.

,,Wie geht es dir?", fragte Anna und musterte meinen Verband. Auch mein Blick schweifte dorthin und ich zuckte mit den Schultern:,,Ganz okay." Anna setzte sich auf einen Stuhl und Nina sah mich schräg an. Dann umarmte auch sie mich:,,Es tut mir Leid, ich-" Doch ich strich ihr nur geinsend durch die Haare und lachte. Ich verstand Nina. Ich kannte sie zu gut. Sofort zuckte sie zurück und ich drehte mich zu ihr:,,Wir sind alle Psychos, schon vergessen?" Dann wurde mein Gesicht wieder ernst:,,Ich kenne dich Nina und weiß, das du dich manchmal nicht kontrollieren kannst. Dafür sind wir doch hier, oder?" Nina lächelte nun auch und nickte. Auch Jana und Anna schlossen sich ihr an. Dann fragte Anna:,,Warum hast du es dann gemacht? Du bist nicht depressiv, das wissen wir!" Annas Frage schlug mir heftig ins Gesicht und ich wollte am liebsten nie antworten. Denn die Antwort wusste ich selbst nicht. Aber würden sie mir glauben?

,,Ich weiß es nicht. Ich weiß, wie dumm es klingt, aber es war ein Gedanke...", hob ich nachdenklich an und sah zum Fenster. Anna folgte meinem Blick:,,Dummer Gedanke." Ich lachte kurz auf. Dann setzte ich mich ganz auf. ,,Vielleicht, weil ich diesen Ort satt habe und ihn verlassen wollte?", ich sah zu den anderen und sie schwiegen. Dann sprang Nina auf und zeigte auf den Verband:,,Psychos halt." Auch die anderen nickten und plötzlich lachten wir alle. Egal wie viel Dunkelheit es hier gab, egal wie scheiße jeder Tag hier war, wir waren unter uns. Wir waren alle gleich, gleiches Schicksal, gleicher Wunsch. Und vermutlich musste man hier Halteseile haben, sonst zerris es einen.
Jana setzte sich neben mich und wurde ernst:,,Versprichst du uns, es nie wieder zu versuchen?" Sanft strich sie über meinen Arm und ich sah die Sorgen in den Augen der anderen. Aber ich wollte es nicht mehr. Ich wollte kämpfen, egal wie unmöglich es doch schien. Ich wollte nicht wieder aufgeben. Ich musste verdammt nochmal stark bleiben! ,,Ja!", sagte ich dann und sah zum Fenster, ,,Lasst uns zusammen kämpfen oder zusammen sterben."

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt