Kapitel 162

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PoV Fenja

Ich zog mir meine Kapuze tief ins Gesicht. Eigentlich sollte ich müde sein. Geschlafen hatte ich gar nicht, aber das war eigentlich nichts neues. Frau Tölke musterte mich kurz, ihr Blick schien mich zu durchbohren. Sie hasste meine schwarzen Hoodies, aber das wusste ich schon lange. Immerhin musste ich so nicht immer meinen zerstörten Körper sehen, nicht meine Geschichte lesen. Sie seufzte und ihre Stimme klang belegt:,,Du weißt, dass nur noch ein Vorfall bis zur Zwangsjacke fehlt?" Ich antwortete nicht, aber innerlich hasste ich mich. Der nächste  Versuch musste auch der Letzte sein, oder ich würde es nie schaffen...

Ohne weitere Worte zog mich Frau Tölke am Arm in Richtung Tür. Dort ließ sie mich los und ich senkte sofort meinen Kopf. Ich konnte zwar mit niemandem auf dieser Station etwas anfangen, aber mein vernarbtes Gesicht ging sie nichts an. Und meine Arme erst recht nicht. Dann ging ich den Flur entlang, hörte Frau Tölkes Schritte hinter mir und biss mir auf die Lippen um nicht daran zu denken. Aber jeder Schritt den Flur entlang machte es nicht besser. Erst im Treppenhaus blieb ich kurz stehen und sah auf meine Handrücken. Verdammte Narben.

Ich humpelte die Treppe hinunter und spürte Frau Tölkes kritischen Blick hinter mir. Vor jeder Station wartete ich wortlos, bis die anderen Psychos die Treppe hinuntergegangen waren. Ich war lieber alleine als unter ihnen. Obwohl ich nie ganz alleine sein würde. Schmerzen und Gedanken waren meine stummen Begleiter und vermutlich spiegelte Frau Tölke beides wieder.
Ich bereute nichts von dem, was ich getan hatte. Keinen Schnitt; keinen Suizidversuch und keine der Gedanken daran. Aber ich bereute es, dass diese nie geklappt hatten. Aber beneidete ich Paula darum? Ich wusste es nicht wirklich, nur das diese Gedanken falsch waren. Vergiss sie endlich, sie ist tot!

Vor dem Essraum blieb ich stehen und musterte die anderen Jugendlichen darin. Dann biss ich mir erneut auf die Lippen. An meinem Tisch saßen schon die Anderen. Auch Anna war dabei und trotzdem machte es das nicht besser. Seit Annas Koma war sie mir egal gewesen. Und Anica hatte ich nur gerettet, damit sie es hier rausschafften Schafften, was ich nie schaffen würde. Nur Nina war nicht dabei und diese Tatsache hätte es vielleicht aufgehellt. ,,Morgen Fenja", hörte ich Frau Zynk neben mir und sah kurz zu ihr. Sie redete mit Frau Tölke, aber ihr Blick lag noch immer auf mir.

,,So, dann komm", meinte sie schließlich und betrat den Essraum. Stumm folgte ich ihr zwischen den Tischen hindurch und blieb dann stehen. Die Anderen musterten mich und ich ignorierte es. Warum musste ich hier sein, wenn es keiner von uns wollte?! Plötzlich herrschte Stille und ich hatte das Gefühl, das alle Blicke auf mir liegen würden. Dann ging ich weiter, hörte nur meine Schritte und blieb erst bei Frau Zynk stehen. Noch immer musterten mich alle und ich sah kurz in Annas Augen. Sie waren kalt und hoffnungsvoll zugleich. Wenigstens sie will sich nicht bedanken, ihr Leben wiederzuhaben...

Frau Tölke hinter mir sah kurz zu mir, ehe sie zum Tisch ging und von dort eine Schachtel mit Tabletten nahm. Frau Zynk dtellte mir ein Glas Wasser auf den Platz. Stumm setzte ich mich dort hin. Noch immer herrschte Stille. Ich will das nicht... Ich spürte; wie sich alles in mir verkrampfte und mir Tränen in die Augen stiegen. Ich will doch einfach nur sterben! Frau Tölke legte mir ohne weitere Worte die Tabletten auf den Tisch. Vorsichtig griff ich danach. Mein Kiefer schien wieder zu schmerzen und doch zögerte ich und legte sie dann zurück. Mein Leben ist nichts mehr wert. Ich gebe auf. Ihr könnt mit mir machen, was ihr wollt...

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt