Kapitel 78

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PoV Jana

Ich atmete tief aus und konzentrierte mich auf die Geräusche um mich herum. Meine Augen ließ ich geschlossen und dachte einfach nur nach. Einmal die Gedanken frei lassen und mich von ihnen zugleich lösen. Egal wie sehr sie auch auf mich einstachen, mir meine Vergangenheit zeigte, ich blieb ruhig und konzentrierte mich auf mein Umfeld. Jedes noch so leise Geräusch. Jeden Schritt und jedes Wort.
Auch als die Gedanken mich immer weiter zu Boden zwangen, dunkler und dichter wurden, ich blockte sie ab. Ich blieb ruhig, als sie versuchten zu mir durchzudringen. Ignorierte mein immer schneller schlagendes Herz, als Bilder von meinen Eltern da waren. Ignorierte sie einfach und konzentrierte mich auf die Gegenwart.

Dann öffnete ich meine Augen wieder und atmete aus. Jeder Gedanke war fort und doch als Schatten da. Versteckt in der Dunkelheit, aber noch nicht da. Wie ein Raubvogel auf einem Ast hockend und mich beobachtend. Und doch fühlte es sich gut an sie einmal nicht zu mir durchgelassen zu haben. Einmal stark geblieben zu sein und die Kontrolle gewonnen hatte.
Trotzdem war es ungewohnt dieses Gefühl der Stärke und von Mut zu spüren. Selten hatte ich beides zusammen gehabt und irgendwie klangen beide Worte zugleich auch nach Finsternis...

,,Und, wie war das für dich?", fragte die Psychologin mit den kurzen schwarzen Haaren mich. Ich lächelte kurz:,,Ungewohnt, aber hilfreich, Frau Liuh." Diese nickte und setzte sich auf ihren Stuhl zurück. ,,In unserer Klinik haben wir die Möglichkeit dir jeden Tag diese etwas andere Therapie zu geben", hob sie dann an und notierte sich etwas, ,,Verstehst du jetzt etwas besser, warum wir uns sicher sind, dass es dir dort leichter fallen wird, deine Vergangenheit hinter dir zu lassen?" Kurz wurde ich wieder traurig und auch wütend, dann nickte ich aber ergeben. Vermutlich war diese Entscheidung besser, auch wenn meine Psyche das nicht begreifen wollte...

,,Dann sehe ich dich morgen um die selbe Zeit noch einmal um alles weitere zu besprechen, einverstanden?", fragte Frau Liuh und ich nickte. Dann stand ich auf und ging zur Tür. Dabei begriff ich erneut, dass ich bald nicht mehr hier sein würde und wieder wurde ich traurig und hoffnungsvoll zugleich.
Ich ging zügig zum Essraum runter und war sogar ein wenig erstaunt dort Nina zu treffen. Sie saß lustlos und gedankenverloren vor einem Teller Nudeln. Ich seufzte und da waren wieder diese Gedanken an Anna, an hre scheiß Magersucht und dessen Folgen.

Ich setzte mich auf den Platz schräg gegenüber von ihr und musterte sie. ,,Denkst du an Anna?", fragte ich dann und holte mir auch einen Teller Nudeln. Nina zuckte kurz zusammen und sah mich dann wortlos an. Ihre Augen waren dunkel und trist. Dann nickte sie und versteckte ein gähnen. Ich nickte bloß ebenfalls und aß ein paar Nudeln. Aber wirklich Hunger hatte ich nicht, vor allem weil ich jetzt auch an Anna denken musste. Nachdenklich sah ich zu Nina und stützte meinen rechten Arm auf den Tisch. Dann ließ ich meinen Kopf darauf sinken und musterte Nina. Manchmal wünschte ich mir wirklich in ihre Gedanken sehen zu können...

Schließlich setzte ich mich wieder normal hin und fragte:,,Warum hattest du keine Therapiestunden?" Sie zuckte bloß mit den Schultern und ich seufzte. Vermutlich hatten sich die Anderen auch immer so gefühlt, als ich hier manchmal total schweigsam am Tisch saß und versuchte nicht an meine Vergangenheit zu denken. Im Nachinein hätte ich vieles anders gemacht, vielleicht meine gesamte Vergangenheit geändert. Dann wäre ich jetzt nicht in einer scheiß Psychatrie und müsste mich nicht jeden Tag fragen, wozu ich noch leben sollte. Dann hätte ich einen kleinen Sinn in meinem eigenen Leben und hätte mich niemals meinen verdammten schwarzen Gedanken unterordnen gemusst!

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt