Kapitel 104

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PoV Fenja

Ich blieb stehen und atmete tief durch. Dann sah ich hinter mich und seufzte. Vielleicht blieben mir ein paar Minuten, aber jede Sekunde würde besser sein, als dort drinnen wie ein entlaufendes Tier behandelt zu werden. Dann griff ich unter die Matte der Tür vor mir und zog den Schlüssel hervor. Das Silber glänzte traurig und doch klar. Mein Schlüssel zur Freiheit. Ich drehte ihn etwas und stekte ihn dann in das Schlüsselloch. Zum zweiten mal und doch war es dieses mal anders. Ich sah noch einmal zurück, dann drehte ich ihn um und lauschte auf das leise Klicken. Sofort zog ich den Schlüssel wieder hervor und dann schob ich ihn unter die Matte zurück.

Der Wind, der mit entgegenschlug ließ mich kurz frösteln. Ich hatte fast vergessen, dass es dort regnete, aber es war egal. Ich stieß die Tür ulauf und betrat das Dach dieser Psychiatrie. Tropfen schlugen mir sanft ins Gesicht und der Wind schien sich fast sofort zu legen. Als würde er ruhig werden um mir zuzusehen ohne mich zu stören. Der Regen rann über meine Kapuze und schon jetzt war ich komplett durchnässt. Aber das war mir egal, mir war alles egal. Dann schloss ich die Tür und da war nur noch der leise Klang des Regens.

Kurz blieb ich einfach so stehen und sah in den dunkler werdenden und grauen Himmel. Die Wolke krallten sich ineinander und doch schienen sie glücklicher zu sein als jeder Mensch hier. Langsam zog ich meine Kapuze vom Kopf und ließ den Regen über meine Haare und das Gesicht laufen. Das Wasser nistete sich in meine Kleidung, aber es war doch egal. Ich war schon lange kaputt, Regen linderte vielleicht sogar das Feuer der Schmerzen. Aber vermutlich war ich nur aus einem Grund hier, einmal wieder alleine zu sein...

Ich ging über den grauen Boden und zum Stahlzaun. Jeder Schritt schien Tonnen zu wiegen und doch schüttelte ich nur den Kopf. Meine Gedanken waren einmal untergeordnet. Meinem Leben unterworfen.
Ich blieb vor dem Zaun stehen und ließ mich dann einfach auf den nassen Boden sinken. Kniend blieb ich dort und überließ mich den Regen. Dann hob ich den Kopf und sah auf jeden Draht dieser Hürde. Schon einmal hatte ich ihn überwunden, schon einmal auf der anderen Seite gestanden. Und die Gedanken schrien es mir in den Kopf es erneut zu tun. Hämmerten es mir in den Kopf und lockten mit dem Tod.

Ich strich mit einer Hand über das tropfende Gitter und seufzte. Eigentlich wollte ich es nicht unbedingt, sterben. Aber dieses Leben hielt ich einfach nicht mehr aus. Meine Finger schlossen sich etwas um einen Draht und ich atmete tief durch. Hatte Paula damals auch diese Gedanken gehabt, bevor sie auf die Gleise gesprungen war? Hatte sie damals noch kurz an mich gedacht oder mich schon lange vergessen? Ich spürte Tränen in meinen Augen brennen, aber ich schüttelte den Kopf. Nicht jetzt, weinen war sinnlos, genauso wie dieses Leben.

Ich ließ meine Finger vom Gitter gleiten und schaute hinter den Zaun. Irgendwo dort draußen hatte Paula ihrem Leben ein Ende gesetzt und davor nur gelogen. "Mir geht es besser". Diese Lüge hatte ich immer geglaubt und jetzt war sie tot. Ich kniff die Augen zusammen und konzentrierte mich auf das Schwarz. Wie hatte ich ihr das nur glauben gekonnt?!
Ich öffnete die Augen wieder und sah auf die grauen Wolken. Versuchte irgendwo etwas Helles zu finden, einen Funken Hoffnung. Aber dort war nur grau. ,,Es tut mir Leid...", flüsterte ich und meine Finger verkrampften sich kurz. ,,Es tut mir so Leid, dass du gestorben bist und ich deine Lügen geglaubt habe..."
Ich sah zurück zur Tür. Ich war alleine und ein paar Minuten blieben mir noch...
Es tut mir Leid...!

Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt