Kapitel 190

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PoV Fenja

,,...sie sich weiter aufgibt, wird ihr Körper weiter solche Attacken haben", hörte ich schwach die Stimme von einer der Ärztinnen und beschloss meine Augen nicht zuöffnen. Die Schmerzen waren fast fort und ich wollte nur hören, was sie sagten. ,,Was ist denn der Grund, warum sie sich aufgegeben hat.?"; fragte Frau Tölke und ich glaubte fast ihr fragendes Gesicht vor mir zu sehen. Aber dort war nur Dunkelheit. ,,Ich glaube sie gibt sich jetzt seit zwei Jahren gänzlich auf. Mittlerweile hat ihr Körper einfach keine Kraft mehr, weil ihre Gedanken vermutlich einfach nur nach einem Ende schreien", Frau Zynks Stimme war jetzt klarer.

Bei diesen Worten bekam ich eine Gänsehaut und mein Herz zog sich schmerzhaft zusammen. Sie hatte Recht. Ich gab auf und das schon seit zwei Jahren. Aber jetzt hatte ich nicht mal mehr die Kraft es zu beenden. Ich war schon tot, nur meinen Körper zwangen sie zum Leben. Aber wie sollte man ihn zwingen, wenn die Gedanken nur noch ans sterben dachten, ans Leben nehmen? Wenn man sich am liebsten einfach nur schmerzhaft eine Klinge über die Haut ziehen würde um endlich fort von hier zu sein? Und egal was sie sagten, ich würde es trotzdem versuchen, bis auch mein Körper endlich unter all dem Druck zusammenbrechen würde.

,,Ich habe bereits mit einer weiteren geschlossenen Psychiatrie Kontakt aufgenommen, aber auch die Spezialisten dort sind mittlerweile ratlos. Alle Antidepressiva, auch die wirklich schwierigen haben nicht angeschlagen", Frau Zynk wirkte wirklich ratlos, aber ich glaubte es kaum mitzubekommen. ,,Wie können Depressionen und Selbsthass nur so tief verankert sien?"; eine Ärztin sprach jetzt direkt zu mir und am liebsten hätte ich trotz der geschlossenen Augen den Blick abgewandt. Aber ich ließ es. Genoss kurz einfach nur die Dunkelheit um mich herum und das Alleinsein, ohne jemand anderen.

Ich hatte mein Leben nie wirklich genossen, hatte Selbsthass entwickelt. Angefangen mich zu ritzen, versucht mich umzubringen und war immer gescheitert. Irgendwann gab jeder auf und ich hatte am Anfang immer gekämpft. Und ich war immer gescheitert. Aber vielleicht hatte ich auch immer nur gegen das Leben und nicht die Depressionen gekämpft. Vielleicht hatte ich einfach nur immer auf der falschen Seite gestanden und mich immer mehr von der voller Hoffnung entfernt. Aber so weit ich mich erinnern konnte, hatte es immer Medikamente gegeben, die mich zurückziehen wollten. Nur hatte ich sie nie wirklich wahrgenommen, die Gedanken waren stärker gewesen. Nur eine Person hatte es je geschafft mich zurück zur Hoffnung zu bringen.

Und diese Person war tot, sie hatte sich selbst aufgegeben und mich mitgezogen. Denn mitgezogen hatte sie mich immer. Und ich würde ihr folgen irgendwann. Raus aus diesem verdammten Leben und hinein in unendliche Schwärze. Und wieder hätte ich gerne eine Klinge oder Schlaftabletten gehabt. Oder einen Strick. Vielleicht auch eine Pistole. Eine einzige Kugel durch den Kopf jagen und sterben, aufgrund einer kurzen Bewegung eines Fingers, der einfach abdrückte. Und wenn man sie nicht richtig ansetzte, litt man noch ein letztes mal. Wurde bestraft, für das Leben, für das am Leben sein.

Die Hoffnung hatte ich sowieso schon aufgegeben, das Leben auch. Warum also noch leben und kämpfen? Für mich gab es dazu nichts und deswegen gab ich auf. Gänzlich. Ich war Paula dankbar für ein halbes Jahr, eine kurze Erholung von all den Schmerzen und Gedanken. Aber schließlich hatten diese auch sie besiegt. Schwarze Gedanken, die einen in den Tod zogen. Gedanken voller Traurigkeit und Kälte, denen nicg'ht einmal Tränen gerecht wurden. Nur Schnitte und der Tod konnte diese Gedanken kurz stoppen. Aber ihr Weg führte nur zu einem Ziel: Suizid. Und ich bin diesem Weg lange genug gefolgt und habe das Ziel doch noch nicht erreicht...


Psychiatrie - Lasst uns zusammen sterbenWo Geschichten leben. Entdecke jetzt